Geschichten:König Bodars Banner - Zwei Markgrafen

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Reichsstadt Perricum, Ende Efferd 1035 BF


Das leichte Bauschhemd des zierlichen Rahja-Geweihten hob und senkte sich im lauen Spätsommerwind, als spielten die Delphine und die sachten Wellen des Perricumer Golfes mit dem zarten und luftigen rosafarbenen Gewand. Mit einem entwaffnenden Lächeln führte der Diener der Schönen Göttin seine beide Gäste, die schlicht aber elegant gekleidete Dame zur rechten, den stattlichen Ritter an seiner linken Seite, unter prächtigen Palmen über den sauberen weißen Kiesweg zu einem kleinen Teepavillon, in dessen Schatten bereits Markgraf Rondrigan Paligan aus einer feinen Porzellantasse einen herrlichen, nach frischen Arangen duftenden Tee schlürfte. Neben ihm, in Kettenhemd und grimmigen Gesicht, stand sein Vertrauter Aldron von Firunslicht.

Als Paligan seine Gäste erblickte, erhob er sich, zupfte seinen schwarzen Gehrock zurecht und ging dem fröhlichen Trio mit zum Gruß erhobenen Händen entgegen.

»Rahja und ihre elf göttlichen Geschwister zum Gruße, meine teure Irmenella! Wie schön, dass Ihr Euren werten Gatten mitgebracht habt, auch wenn ich mich sehr darauf gefreut hatte, Euch ganz allein für mich zu haben, Euren ergebensten Diener und innigsten Verehrer.« Galant ergriff er ihre Hand und, während er ihr einen Kuss über den Handrücken hauchte, zwinkerte er jovial Prinz Edelbrecht zu.

Die Greifenfurter Markgräfin lächelte offen und neigte sich zu ihrem Gastgeber, als wolle sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. Laut genug für alle Umstehenden erwiderte sie: »Mein lieber Paligan, wenn Ihr tatsächlich darauf gehofft hattet, mich an diesem Nachmittag für Euch ganz allein zu haben, dann hättet Ihr doch wohl kaum Euren Kettenhund mitgebracht.« Alle fielen in das glockenhelle Lachen der Greifin mit ein, selbst Aldron konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Wenn die hohen Herrschaften noch einen Wunsch verspüren oder eine Liebenswürdigkeit der Göttin genießen wollen, dann mögen sie die Stimme dieses Glöckchens erklingen lassen«, meinte der Rahja-Geweihte und überreichte ihnen ein silbernes Kleinod, um sich daraufhin höflich zu verabschieden und zurückzuziehen. Die drei Hochadligen dagegen nahmen unter dem Dach des Pavillons Platz. Leicht auf einer Anhöhe gelegen ermöglichte er einen Blick sowohl über den Lustgarten der Herrin der Morgenröte als auch den gesamten Golf von Perricum. Möwen kreisten über dem ruhigen Wasser und vom nahen Darpatufer vernahm Irmenella leise und von Ferne die Arbeitslieder der Treidler und Fischer.

»Seht Ihr diese Schivone dort, meine Teuerste?« Paligan deutete auf ein träge im Golf schaukelndes Schiff, das wie eine schlafende Riesin wirkte. »Das ist die ›Admiral Merakos‹, der ganze Stolz der Perricumer. Es gibt heute wahrlich kaum ein zweites Schiff, das so elegant und geschmeidig aussieht und doch für seine Gegner den sicheren Tod bringt. Ein vergleichbares Schiff ist höchstens die ›Kaiser Reto‹, die in Beilunk stationiert ist. Allerdings glaube ich nicht«, wendete er sich der sichtbar wenig interessierten Greifenfurterin zu, »dass Ihr den weiten Weg aus Greifenfurt in das schöne Perricum unternommen habt, um über Schiffe zu plaudern, nehme ich an? Was also genau führt die Greifin an die Stätte der Leuin?«

Als Antwort zog Prinz Edelbrecht ein vergilbtes Pergament hervor, entfaltete es und legte es wortlos vor Paligan auf den Tisch. Dieser beugte sich vor, um das alte Dokument zu betrachten, hob die Augenbrauen und blickte die Greifin erwartungsvoll an. »Und wegen eines alten Schriftstücks habt Ihr den langen Weg auf Euch genommen?«

»Das ›alte Schriftstück‹, wie Seine Erlaucht es zu nennen belieben«, erwiderte Prinz Edelbricht kühl, »ist der Aufruf König Bodars II. zum sogenannten Großen Kabinett. Der König von Garetien hatte darin seine Vasallen zu sich gerufen, um seine Grafen und Barone mit den Folgen der Randolphschen Reformen zu versöhnen. Das waren die Reformen«, fügte der Prinz nach einem fragenden Blick Paligans hinzu, »mit denen Darpatien gegründet wurde und so mancher Graf ziemlich Federn lassen musste, vor allem der Hartsteener.«

»Und Ihr habt dieses alte Ding, dieses Große Kabinett, aus welchen Grund wieder ausgegraben?«, fragte Paligan weiter.

Irmenella fiel ihm lebhaft ins Wort: »Es geht darum, dass Greifenfurt nicht bereit ist, sich von der garetischen Staatskanzlei alles bieten zu lassen. Ich bezweifle auch sehr stark, dass Perricum die Anmaßung des Schroeckhs dulden wird, uns wie eine beliebige garetische Grafschaft zu behandeln, als seien wir der garetischen Krone noch immer untertan und irgendetwas schuldig.«

»Nun, die Aufforderungen aus Gareth haben mich ebenfalls überrascht«, antwortete Paligan ruhig und gelassen. »Allerdings glaube ich, dass der Schneck dieses Mal eindeutig seine Kompetenzen überschritten hat und der Bescheid von der Kaiserin wieder kassiert werden wird. Ich selber wollte bereits längst gen Elenvina reisen, wo sich der Kaiserhof derzeit aufhält, aber wichtige Geschäfte haben mich leider hier gebunden. Macht Euch, meine liebe Irmenella, keine Sorgen. Ich vertraue auf die Vernunft der Kaiserin, dass die Autonomie der Markgrafschaften nicht angetastet werden wird.«

Prinz Edelbrecht schaute den sich selbstsicher zurücklehnenden jungen Markgrafen mit kritischem Blick an und schüttelte den Kopf. »Eure Erlaucht wissen selber, dass die Kaiserin von Beginn an ihrem dümmlichen Staatsrat freie Hand gelassen hat, und Eure Erlaucht wissen ebenfalls, wer hinter den Eskapaden von Schroeckhs stehen dürfte. Allerdings kann ich Euch versichern, dass der Garether Markvogt ebenso wenig angetan ist von der Vorgehensweise der Staatskanzlei und offensichtlich vorher nicht eingebunden wurde. Es war Rabenmund selbst, der uns auf die Existenz dieses vergessenen Schriftstückes hingewiesen hat und uns anempfahl, Euren Ratschlag zu suchen.«

Paligans Blick schärfte sich. Noch einmal beugte er sich über das Dokument vor ihm auf dem Tisch und überflog die bereits verblassenden Zeilen. Schließlich legte sich ein leichtes Lächeln über seine Lippen. »Ich sehe, worauf Ihr hinauswollt.« Er las eine Passage aus dem Schriftstück vor:

„Wenn nun die Mehrheit unserer Grafen zu Gareth, Hartsteen, Reichsforst, Greifenfurt, Perricum, Schlund, Waldstein und Eslamsgrund zum Rat ruft, so soll das Große Kabinett auf Schloss Auenwacht tagen. Und nach fünf Tagen soll mir der Sieger der Kabinettstjoste den Ratschluss meiner Vasallen übermitteln.“

Edelbrecht und Irmenella nickten und erwiderten Paligans Lächeln.

»Das Dokument besitzt noch immer seine Gültigkeit, und wenn der Schroeckh meint, uns wie Garetier behandeln zu können, dann soll er merken, dass wir uns auch wie Garetier benehmen können«, sprach die Greifin den Gedanken aus, den sie alle teilten. »Rabenmund wollte nur, dass wir dem Schroeckh wegen der Anzahl der Landwehrregimenter und seiner Verteilung auf die Grafschaften in die Parade fallen, und sein Gedanke war, dass es natürlich die Markgrafschaften sein müssen, die das Großes Kabinett einfordern. Aber meine Absichten gehen weiter, mein lieber Rondrigan. Wenn wir schon unter einem gemeinsamen Banner mit den Garetiern gegen Haffax reiten sollen, dann fordern wir unser Recht auf Anführerschaft. Das Große Kabinett soll entscheiden, wer zum garetischen Marschall ernannt werden wird und das kann nur jemand aus der Mark Greifenfurt sein, denn unsere Regimenter sind bereits voll aufgestellt, ausgebildet und besitzen ausreichend Kampferfahrung. Ich baue und hoffe da auf Eure Unterstützung.«

Rondrigan Paligan schaute gedankenverloren auf den ruhigen Golf von Perricum hinaus und fasste sich nachdenklich ans Kinn. »Wir benötigen gemäß dem Dokument allerdings neben dem Markvogt und uns noch zwei weitere Grafen aus Garetien, die sich unserem Anliegen anschließen«, sagte er nach einer Weile.

Prinz Edelbrecht nickte zustimmend und antwortete: »Das ist richtig. Wir haben dabei an Schlund und Reichsforst gedacht. Danos' Sohn Drego hat erst diesen Sommer die Amtsgeschäfte seines Vaters übernommen und ist unerfahren. Es wird nicht allzu schwer werden, ihn zu überreden, sich unserem Anliegen anzuschließen. Und Graf Ingram bekommen wir auch noch auf unsere Seite. Immerhin ist der Zwerg so alt, dass er wahrscheinlich bereits einmal so ein Großes Kabinett mitgemacht hat.«

»Gut«, klatschte Paligan in die Hände und stand auf. »Dann ist das abgemacht. Ich kümmere mich um den jungen Luring, ihr überredet den Zwergen. Sicherlich wisst Ihr, Prinz Edelbrecht, als Koscher viel besser mit einem Zwerg zu verhandeln als ich.« Er griff nach dem silbernen Glöckchen und ließ dessen feinen Klang durch den Lustgarten erklingen. »Aber nun solltet Ihr, meine höchstgeschätzte Irmenella, die Gunst der Gelegenheit nutzen, mit Eurem Gatten den milden Segen der Geweihtenschaft der lieblichen Herrin zu erhalten und auszukosten. Wir haben sicherlich später noch die Gelegenheit, uns in meinem Palast ausführlich über unseren Plan auszutauschen. Ah, da kommt ja auch schon der freundliche Geweihte! Meine Freunde, ich wünsche Euch einen die Sinne anregenden Nachmittag und erlaube mir, mich vorerst von Euch zu verabschieden.«

Mit diesen Worten und einem undurchschaubaren Lächeln auf den Lippen, entließ er die Markgräfin und ihren Gatten in die Obhut des Geweihten, der sie den weißen Kiesweg entlang zum weißen Marmortempel führte. Kaum waren sie aus der Sicht verschwunden, als er sich mit ernstem Gesicht an den schweigsamen Firunslicht wandte, der dem gesamten Gespräch der Markgrafen wortlos zugehört hatte.

»Mein werter Aldron, Ihr denkt doch sicherlich das gleiche wie ich, oder?«

»Wenn Eure Erlaucht damit meinen, dass es sicherlich kaum wahrscheinlich ist, dass ein Greifenfurter die vereinten Truppen gegen Haffax führen wird …«, erwiderte Aldron ernst.

Paligan lächelte. »Ihr sprecht es aus. Gegen die Orken mag die Greifenfurter Erfahrung vielleicht helfen. Aber gegen Haffax, da brauchen wir die ganze und gründliche Erfahrung eines gestandenen Perricumers.«

GG&P-Con 2012 Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012


Dieser Artikel verweist auf die Handlung des GG&P-Cons 2012.