Geschichten:Kabale und Hiebe - Der frühe Vogel fängt den Wurm
Ort der Handlung: Laskans Hain (Lassar a Yar'Ammayin)
Dramatis personae: Mah’met Bassala’ur, Freibauer
und andere
Gerade erst begann der faule Hahn seines Widersachers Sei’tschek zu krähen, doch schon vorher hatte das scharfe Ohr Mah’met Bassala’urs Zeichen reger Geschäftigkeit vom Gutshof her vernommen.
Ja, die gemütlichen Jahre auf dem Hof schienen mit der raulschen Vögtin vorbei, denn wo der Herr früh aufstand, musste das Gesinde noch früher auf den Beinen sein. Manch eine saure Bemerkung der Bediensteten über diese Unbequemlichkeit hatte bereits im Flecken die Runde gemacht.
Gebieterisch - nein, natürlich nur selbstbewusst! – pochte er ans Tor, zu dem gleich darauf Schritte geeilt kamen. Es war der etwas einfältige Barad’ur, der gewöhnlich für das Tor zuständig war. Er spähte durch einen Spalt und öffnete dann die Mannpforte im Tor.
„Stolzer Herr Mah’met, was führt dich her?“, fragte er erstaunt auf nebachotisch in seinem breiten Küstendialekt, den er immer noch nicht abgelegt hatte.
„Praiosgesegneten Morgen, Sohn des E'liash“, entgegnete er gut gelaunt und übermässig selbstbewusst dem Burschen, der doch auch schon seine dreissig Lenze zählte. „Ich habe mit der [gar] Vögtin ein wichtiges Problem zu besprechen, also wäre ich dir verbunden, wenn du mich ihr melden würdest.“
„Die Vöcktin? Ähm… das geht gerade nicht“, stammelte Barad’ur.
Die simple Hilflosigkeit brachte den Bauern aus dem Konzept.
„WAS? Willst du mir erzählen, die Vögtin sei nicht da, oder was? Ich sehe doch ihr Pferd da im Stall! Lauf und melde mich, wenn du nicht meinen Stock und den der Vögtin auch noch spüren willst!“ Wütend hob er die Hand gegen den Torwärter.
Erschrocken zog sich Barad’ur rückwärts von dem erzürnten Bauern zurück und wuselte dann ins Haus, wo man ihn nach Ashia rufen hörte, der jungen Dienerin, die schon dem alten Vogt gedient hatte.
Mit einem „Tssss…“, schüttelte Mah’met Bassala’ur schon wieder besänftigt den Kopf. Brauchte der einfältige Bursche tatsächlich die Unterstützung der Hausdienerin, um mit der Herrin zu reden? Ja, natürlich, dämmerte ihm. Der Torwächter sprach so gut wie kein garethi, Raulsche hatten sich fast nie hierher verirrt, bis das Gut an die neue Vögtin der Baronie verliehen worden war. Noch eine Frau! „Weiberwirtschaft, wohin soll das nur führen“, murrte er leise vor sich hin, doch laut äusserte er sich lieber nicht über die Entscheidungen des Barons, dafür respektierte oder fürchtete er den großen Simold han Fir'Enock zu sehr.
Kurz darauf erschien Barad’ur wieder und winkte dem Bauern schon von der Haustür aus zu. „Kommt nur herein, Ehrwürdiger Herr Mah’met, und nehmt Platz. Die Herrin wird gleich kommen.“ Damit führte er ihn in ein Gemach, das schon früher als Empfangsraum benutzt worden war, wie Mah’met Bassala’ur sich erinnerte. Er schlüpfte an der Tür in die bereitgestellten Pantoffeln und machte es sich dann in den Kissen bequem. Nach einer kurzen Weile brachte Ashia ihm Gebäck und Fruchtsaft und kühles Wasser und begrüsste ihn dabei mit einem bezaubernden Lächeln. Das Mädel war eine noch grössere Augenweide als die Nichte seiner Frau. Es tat einem Mann sehr gut, sie anzusehen und sich das eine oder andre auszumalen. Rahja sei gepriesen, dass sie diesen Körper, einer wilden Stute gleich, formte.
Leider blieb Ashia nicht im Raum, so blieb ihm nur als Zeitvertreib, sich umzusehen und festzustellen, dass dieser Raum nicht verändert worden war, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Immer noch lagen die gleichen Kissen und Teppiche auf dem Boden und die zwei Tischchen mit den aufwendigen Einlegearbeiten hatten ihren Platz noch hier.
„Dasz iest där, ähm..., Bauär Mah’met Bassala’ur, ain großär Ma'ann hiär im Dorfh“, erklärte Ashia in ihrem stark nebachotisch geprägtem Garethi in einem anderen Raum derweil der Vögtin, während die sich die noch tropfnassen Haare kämmte. „Bassala’ur iest So'hn däs gänau‘so stol'zän Ra'binh, abär är saght nicht was är wil, said ihm niecht bö'hse, bittä.“ Mit grossen Augen sah sie die neue Herrin, über deren Launen sie noch zu wenig wusste, verzeihungheischend an und fuhr dann nicht minder holprig fort: „Abär iech ka'nn ihn noch'ain mal fragän und äs Euich sagän was Bassala’ur wil, Härrin!?“ schlug sie vor.
„Nicht nötig, Aische.“ Die Vögtin schüttelte den Kopf. Wenn der Mann sich so früh aus den Decken gewühlt hatte, würde er darauf brennen, ihr seine Geschichte zu erzählen.
„Machmit Basaltur heisst er, sagst du?“
Ashia errötete jäh, ihr war bisher noch nie aufgefallen, dass der Name, so falsch ausgesprochen, etwas… nunja, etwas bedeutete, das man nicht aussprach.
Sie verneinte mit einer scheuen Handbewegung.
„Mah’met Bassala’ur“, wiederholte sie den Namen des Bauern und versuchte, ihn so sorgfältig wie möglich zu artikulieren.
„Machmett Bassalatur?“, wiederholte die Vögtin, einigermassen verwundert über die plötzliche Verlegenheit ihrer Dienerin, und Ashia nickte bestätigend. So würde es zumindest keine Peinlichkeit mehr geben, aber Machmit Basaltur... ein Zucken schlich sich in ihre Mundwinkel, das die Vögtin zum Glück nicht mehr sah, weil sie sich schon abgewendet hatte.
Sobald ihre Herrin den Raum verlassen hatte, vergrub Ashia ihr Gesicht in ein Kissen und kicherte ausgelassen über den Beinahe-Fauxpas.