Geschichten:Katz und Maus
Der Majordomus schritt gemessenen Schrittes durch die Gassen im Blütengarten von Haselhain. Inzwischen war er keine unbekannte Gestalt mehr, sondern eine lokale Größe und die Leute grüßten ihn. Freundlich grüßte er zurück, stets bemüht sich einen guten Ruf aufzubauen. Was allein aufgrund seiner Herkunft nicht unbedingt einfach war. Unter den Raulschen hatte er deutlich mehr Rückhalt, viele sahen in ihm einen Fürsprecher ihrer Angelegenheiten am nebachotischen Baronshof. Und Malphorus wusste dies geschickt zu nutzen. Schwierig war nach wie vor der Umgang mit den Nebachoten, zumindest mit den vielen Engstirnigen unter ihnen. Hier konnte er jedoch auf die Hilfe Rohalans bauen.
Bei den Gedanken an den Meister der Schreibstube glitt ihm ein Lächeln über die sonst strengen Gesichtszüge. Dann kehrten seine Gedanken zurück zu seinem jetzigen Anliegen. Einer seiner Vertrauten, denn er baute sich ein Netz von Gefälligen auf, hatte ihm zugetragen das ein Händler mit besonderer Ware in Haselhain weilte, Edelsteine von so besonderer Schönheit das sie das Wohlwollen eines jeden Herrschenden erregen würden. Und es konnte niemals schaden sich bei seinem Herren beliebt zu machen, entweder als Geschenk, oder aber in der Vermittlung einer wohl einmaligen Gelegenheit. Der Gockel würde sich bestimmt freuen. Beides hatte seine Vorteile, letzteres würde seinen Geldbeutel schonen, auch als Herr von Aldwain, und den üppigen Pfründen von dort, hatte er eine eher sparsame Art. Etwas was Rohalan nicht begreifen konnte, er war ein echter Lebemann.
Er betrat das Gasthaus Kadaratrose, der Wirt begrüßte ihn unterwürfig, und führte ihn ohne Umschweife zum Hinterzimmer. Auch der Wirt war teil seines beginnenden Netzes, und Malphorus war sich sicher das dies einer der wenigen Orte war wo er vor der Überwachung des Hofes einigermaßen sicher war. Nicht einmal den Meister der Stube hatte er davon erzählt, obwohl er ihn immer dazu ermutigte, sich mehr zu etablieren. Hier und da musste man ein Geheimnis auch mal für sich bewahren, wenn es ihm auch schwer fiel.
Der Händler wartete bereits bei einer Karaffe Wein, zwei Kelchen. Es war ein Mann in vornehmer Kleidung, deren Stil jedoch weder nebachotisch, raulsch, horasisch noch tulamidisch war. Irgendwie von allem ein wenig, und doch geschmackvoll kombiniert. Offensichtlich ein Mann der schon weit herumgekommen war. Auf dem Kopf trug einer einen eleganten Hut mit weiter Krempe, so dass man das Gesicht nicht erkennen konnte.
Der Wirt schloss hinter ihnen die Tür, Malphorus legte die Hand auf die Stuhllehne und begrüßte den Händler: „Phex zum Gruß, mit wem habe ich die Ehre? Verzeiht, aber eigentlich treffe ich mich nicht mit namenlosen Gestalten, hätte mein Kontakt euch nicht in allllllleeeeeeeeeee…...DU?“.
Entsetzten überkam Malphorus, der Händler hatte während der Begrüßung den Hut abgenommen, und darunter kam ihm ein nur allzu vertrautes Gesicht zum Vorschein.
Grünbraune gnadenlose Augen ohne Mitleid fixierten ihn, sie lagen in einem jungen wie ansprechenden Gesicht, geziert mit einem gepflegten Bart. Die Worte aus den ein wenig zu schmalem Lippen jedoch waren so kalt wie der Blick: „Setzt dich Malphorus.“
Dieser tat wie ihm geheißen war, ein großer Kloß schnürte ihm die Kehle zu. Der Besuch der Klinge war Warnung, Drohung oder gar Todesurteil.
„Zuerst einmal entrichtete ich dir die Grüße der Familie. Komm trink was.“, ohne auf eine Antwort zu warten schenkte ihm sein Gegenüber ein.
Malphorus nahm einen tiefen Schluck und fasste sich. Er hatte sich nichts zur Schulden kommen lassen, hielt sich an die Absprachen und sandte von Anfang an seine Berichte.
„Was führt dich nach Haselhain, werter Vetter?“, mit leicht zittrigen Händen stellte er den Becher zurück. Es ärgerte ihn, dass er sich so deutlich fürchtete.
„Oh, ich hatte einen Auftrag in der Nähe zu erledigen. War übrigens ein voller Erfolg. Und nun bin ich hier um nach den Rechten zu sehen. Liegt ja praktisch auf dem Weg, du verstehst, ich nehme die alte Passroute weiter südlich über den Wall.“
„Nach dem Rechten, gibt es denn was zu beanstanden!“
„Einiges, ER ist ziemlich ungehalten wie wenig du es verstehst deine Position auszubauen. Der hiesige Baron misstraut dir und treibt sein Spiel mit dir.“
„Es ist nicht leicht der Diener zweier Herren zu sein! Doch eigentlich diene ich dem Haselhainer, alles andere sind Gefälligkeiten der Familie gegenüber. Ich brauche keine Ratschläge aus der Hel.“, Malphorus geriet tatsächlich in Zorn, und wagte einen gefährlichen Ausbruch.
„Halt die Luft an, du bist nur hier weil er es so will und gefügt hat. Das kann sich auch jederzeit ändern solltest du dich als nutzlos erweisen. Ob dein Amt oder gar deinen Titel, alles verdankst du ihm, also vergiss das niemals.“
„Gewiss nicht.“, Kleinlaut und zerknirscht sackte der Majordomus in sich zusammen.
„Ich bin schon seit einigen Tagen hier, habe mich umgehört, zuvor auch in anderen Orten dieses Landes, sogar in Aldwain. Was ich da zu hören bekommen habe wird ihm sicherlich nicht gefallen, nein ganz und gar nicht.“
„Was meinst du?“
„Dein Techtelmechtel mit dem Meister der Schreibstube. Du glaubst wohl tatsächlich, dass du es geschickt geheim gehalten hast, aber dem ist nicht so. Eigentlich interessiert es mich nicht weiter. Aber offensichtlich treibt dein Schwarm ein ganz eigenes Spiel und du zappelst nach seiner Pfeife.“
„Das ist nicht war, Rohalan würde nicht, nein.“ Ungläubig schüttelte Malporus den Kopf: „Niemals!“.
„Wach auf Mann, er ist die Katze und du die Maus in diesem Spiel. Und sollte der Tag kommen an dem dein Stern hier fällt, wird dir diese Katze ohne zu zögern ins Genick beißen und deinen toten Kadaver vor ihren Herrn schleppen. Halb Haselhain lacht heimlich über dich und deine offensichtlich Vernarrtheit.“
Der Majordomus schwieg, ihm fehlten einfach die Worte. Bisher hatte ihm Rohalan immer geholfen, meist von sich aus. Und dann… alles nur ein Spiel. Das schlimme war, das es in gewisser weise sogar passen würde.
„Ich verstehe dich nicht, es hat hier genug hübsche Burschen, aber in diesem Punkt haben wir uns schon immer unterschieden. Ich würde mein Herz niemals an etwas dermaßen Kurzlebiges wie ein Menschenleben hängen.“
„Was meintest du damit wenn er es erfährt, ich meine muss es denn sein?“, fast flehentlich wisperte er diese Bitte.
„Nein, muss er nicht unbedingt. Das hängt jedoch sehr davon ab wie du dich in Zukunft verhalten wirst. Denn in der Hel macht man sich inzwischen einige Gedanken um dich.“
„Gedanken?“
„Ja, wie … er ist etabliert, nun auch noch der Herr von Aldwain, nicht mehr der Jüngste, und hat noch immer keine Frau, noch Kinder.“
„Wie, Wer, Ich?!“
„Nun wir beide wissen warum, doch er hat seine Ziele, die verlangen die Expansion der Familie. Bisher überall erfolgreich, sogar bei seinen widerspenstigen Geschwistern. Nur bei dir tut sich nix. Er stellt dir deswegen ein Ultimatum, in spätesten einem Jahr bist du verheiratet, in spätesten zwei Jahren hast du das erste Kind. Es steht übrigens bereits eine Frau parat.“
„Was, nein. Niemals.“
„Stell dich nicht so dumm an. Heirate. Am besten du suchst dir hier selbst eine. Sollte es dir so schwer fallen sie zu …, dann helfe ich dir gerne aus. Bleibt ja sozusagen in der Familie. Sie kann ja Aldwain verwalten, und du kannst dein Treiben hier am Hof weiterführen, sogar mit deinem geliebten Rohalan. Doch ich hoffe du wirst dich nicht länger täuschen lassen, mach es wie er, genieß und nutz es. Ein solches Spiel können beide treiben.“
„Und wenn ich mich weigere?“
Ein kaltes Lächeln huschte über das Gesicht seines Gegenübers, „Dann komme ich wieder. Und ziehe deiner Katze das Fell ab. Vielleicht sollte ich es sogar schon jetzt tun!“
„Nein, lass das, nicht Rohalan. Ich tue es, ich heirate.“
„Das hoffe ich für dich, sein stetig wachsender Zorn kennt zuweilen keine Grenzen mehr, auch nicht gegenüber der Familie. Solltest du dich weigern und er es herausfinden, dann ist deine Existenz keinen Kreuzer mehr wert. Heirate, zeuge Kinder wie auch immer, und meistere dein Umfeld, dann ist es ihm gleich was du treibst.“
Malphorus nickte ernst.
„Du solltest jetzt gehen, ich muss mich noch um den Wirt kümmern.“
„Den Wirt, der gehört zu meinen Leuten.“
„Narr, auch er dient zwei Herren, dir und dem Meister der Stube. Keine Sorge, ich werde nur sein Gedächtnis von zu viel Last befreien. Er wird sich weder an mich, noch an dieses Treffen noch an das Gesagte erinnern. Und nun geh, und schick ihn mir rein!“
Eiligst verließ der Majordomus das Gasthaus und kehrte gehetzt in seine Gemächer zurück. An diesem Tage war er für niemanden mehr zu sprechen, für Niemanden!