Geschichten:Krähe und Leuin – Erste Prüfung
Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel, Stadt Schwarztannen, Rahja 1042
„Ich darf...“, Rondrigas Stimme zitterte vor Aufregung, „Ich darf... darf auf ein Turnier? Auf ein richtiges Turnier?“
Lleu ui Rían nickte bestätigend: „Auf das Kressenburger Neujahrsstechen.“
„Ich darf auf ein richtiges Turnier“, wiederholte die Novizin voller Stolz, „Oh, Himmlische Leuin! Du meinst es so gut mit mir. So unfassbar gut. Womit habe ich das verdient?“
„Unsere Herrin erlegt uns viele Prüfungen auf, Rondriga“, erklärte der Praetor dem vor ihm stehenden Mädchen, „Und diese wird sehr wahrscheinlich deine Erste sein. Viele weitere werden folgen. Bis du eines Tages würdig sein wirst, die Weihe zu erhalten.“
Eifrig nickte die Novizin: „Ich will jede Prüfung annehmen. Egal, welche es sein wird.“ Sie war eine glühende Anhängerin der Sturmherrin. Voller Tatkraft und voller Elan.
„Du wirst Elerea nach Kressenburg begleiten“, eröffnete er ihr da.
Da erstarrten urplötzlich ihre Gesichtszüge. „Mit... mit... mit der Rían?“, spie sie hervor.
„Du wirst Elerea nach Kressenburg begleiten“, wiederholte er mit Nachdruck und versuchte damit eine Diskussion zu unterdrücken. Mit mäßigem Erfolg.
„Aber... aber...“, echauffierte sich die Novizin, „Die ist so... so... so... so unfassbar...“
„... anstrengend?“, half er ihr aus und fühlte sich nicht nur an das Gespräch mit Elerea sondern auch an deren Noviziat erinnert. Sie waren sich sehr ähnlich und vielleicht konnten sie sich deswegen nicht so richtig leiden.
„Ja!“, sie nickte energisch mit dem Kopf, „Ja. Genau. Die Rían ist so anstrengend und so gemein und sie weiß auch immer alles besser und kann auch alles besser und...“
„Wir wachsen an jenen, die uns alles abverlangen, Rondriga. Auf diese Weise verbessern wir uns stetig.“
„Das ist... ist so ungerecht!“, schimpfte die Novizin aufgebracht, „So unfassbar ungerecht!“
„Betrachte dies einfach als deine erste Prüfung. Und meistere sie!“, schloss er, „Du darfst jetzt gehen.“
„Ich werde Dich nach Kressenburg begleiten“, entgegnete Elerea mit fester Stimme.
Ihre Zwillingsschwester Eilein war aufgrund der schnellen Zusage sichtlich überrascht: „Und... und... musst Du da niemanden um Erlaubnis bitten?“
„Ein Turnier ist meiner Herrin zum Wohlgefallen“, meint die Geweihte da schlicht.
„Dann... dann wirst Du auch am Turnier teilnehmen?“, wollte sie ungläubig wissen.
„Bitte“, Elerea verdrehte die Augen, „Ich habe noch nie an einem Turnier teilgenommen und ich werde jetzt auch nicht damit anfangen. Nein, das ist wirklich nichts für mich.“
„Hm“, machte die Ritterin da nur, „Ich finde Du solltest doch um Erlaubnis bitten.“
„Bei meiner Herrin?“
„Bei unserem Oheim.“
„Ach so!“, die Geweihte seufzte, „Der hat bestimmt nichts dagegen, aber...“
„Aber?“, hakte Eilein nach.
„Ich fürchte“, hob Elerea da sichtlich zerknirscht an, „Es gibt ein Problem...“
Eilein guckte verdutzt: „Das... das klingt ja... entsetzlich!“
„Wir werden nicht alleine reisen...“, führte sie ernst aus.
„Nicht?“, wollte die Ritterin schulterzuckend wissen, „Wer wird uns denn begleiten? Du sagst das so, als würden wir mit einem… einem gehörnten Dämon nach Kressenburg reisen?“
„Ein gehörnter Dämon?“, die Geweihte schüttelte ihren Kopf, „Wie kommst Du denn auf den Unsinn! Nein, nein, kein gehörnter Dämon. Eilein, es ist wesentlich schlimmer! Viel schlimmer!“
„Schlimmer?“, entfuhr es ihrer Schwester da verständnislos, „Was könnte denn schlimmer sein als ein...“
Da fiel ihr die Geweihte ins Wort: „Rondriga wird uns begleiten.“
„Ron...“, Eilein konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, „Du sprichst doch nicht etwa von eurer Novizin?“
Nun nickte Elerea überaus ernst.
„Wie entsetzlich“, kommentierte die Ritterin da nur kopfschüttelnd, „Wir werden alle sterben!“
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