Geschichten:Krähe und Leuin – und wurde doch gebrochen
Baronie Kressenburg, vor den Toren Kressenburgs, 3. Praios 1043 BF
„Hast Du mir nichts...“, hob Eilein anklagend an und reichte ihrer Schwester eine Schale Suppe, „... zu sagen?“
Die Geweihte saß blass auf ihrem Bett, nahm ihrer älteren Schwester die Schale ab und erwiderte mit einer Entschiedenheit, die nur eine Rondrianerin an den Tag legen konnte: „Nein.“
„Du hast ein Loch in deinem Kopf!“, rief die Ritterin ihr da ins Gedächtnis, „Ein Loch. Du hast es vielleicht nicht gesehen, ich aber schon. Kannst Du Dir vorstellen wie das geblutet hat?“
Nun zuckt Elerea mit den Schultern: „So etwas kommt schon mal vor...“
„Schon mal?“
„Es wäre nicht die erste Verletzung, die ich...“
„Und hast Du Dir deine anderen Verletzungen auch in einem Zelt zugezogen? Alleine?“, sie hielt einen Moment inne, „Kannst Du Dir vorstellen, was für einen Schreck ich bekommen habe?“
Schuldbewusst blickte die Geweihte zu Boden.
„Eine gestandene Rondra-Geweihte liegt blutüberströmt und vollkommen regungslos am Boden. Verdammt! Du bist meine Schwester!“
Noch immer schwieg die Geweihte.
„Und dann willst Du mir dazu noch nicht mal... noch nicht mal WAS SAGEN?“
Auch dieses mal keine Antwort.
„Bei allen Zwölfen!“, konnte die Ritterin da einfach nicht mehr an sich halten, „Was ist passiert? JETZT REDE ENDLICH!“
Doch die Geweihte wich aus, was so gar nicht ihre Art war: „Eilein, es war doch gar nicht so schlimm...“
„Nicht so schlimm. NICHT SO SCHLIMM? Du bist meine Schwester.“
„Der Geweihte hat doch gesagt...“
„Mir ist egal was er gesagt hat!“, fiel die Ritterin ihr ins Wort, „Ich will, dass Du endlich etwas sagst! REDE!“
Doch Elerea schwieg noch immer.
„Gut, dann geh ich eben zu unserem Oheim...“
„Tu das“, die Geweihte zuckte mit den Schultern, „Auch er wird Dir dazu nichts sagen...“
Da glaubte ihre Schwester zu verstehen: „Dann ist es wohl so ein Geweihten-Ding, was?“
„Gut möglich“, erwiderte Elerea knapp.
„Und dann ist es wohl nicht das erste mal?“
Dazu schwieg sich die Geweihte aus.
„Und warum...“, inzwischen war eine tiefe Gelassenheit über die Ritterin gekommen, „... warum ist mir das bei anderen Rondra-Geweihten nicht aufgefallen?“
„Weil ich...“, sie blickte ihrer Schwester in die Augen, „... nicht wie andere bin.“
Da blickten sich die beiden Schwester an. Beide schwiegen. Manchmal, ja gar manchmal verstanden sie sich auch heute noch ohne Worte. So wie früher. Aber die Momente waren selten geworden...
Eilein seufzte: „Sagst Du`s mir irgendwann?“
„Irgendwann“, versprach sie fragend, „Irgendwann...“
Einen Moment herrschte Stille.
„Und was ist mit...“, Elerea schien sehr nachdenklich, „... Rondriga?“
„Ein gehörnter Dämon wäre wohl einfacher zu hüten…“, seufzte Eilein und verdrehte die Augen.
Da lachte die Geweihte gequälte: „Ich habe Dich gewarnt.“
„Ja, ja“, winkte die Ritterin nun da ab, „Ich weiß. Ich weiß.“
„Wo ist sie eigentlich?“
„Unterwegs. Einen Rondra-Tempel suchen“, erwiderte Eilein, „Zumindest glaube ich das.“ Sie kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich bin mir nicht sicher. Sie war ziemlich wütend und... und irgendwie auch fassungslos und...“
„Gut, dass Du keinen Knappen hast“, spottete Elerea, „Den hättest Du bestimmt schon irgendwo verloren...“
„Nee“, ernst schüttelte sie ihren Kopf, „Ich verliere nur die von anderen.“
„Na dann“, meinte die Geweihte nur, „Dann geht‘s ja noch.“
Die Ritterin konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, begann sich dann doch zu erklären: „Ich hab ihr Gemurmel eben nicht so richtig verstanden. Ein Rondra-Tempel hatte aber damit etwas zu tun...“
„Da wird sie hier in Kressenburg kein Glück haben. Hier gibt es nämlich keinen.“
„Oder sie stattet dem Almadaner einen Bes...“
„Dem...“, fragend blickte Elerea sie an, „... Almadaner?“
Äußerst zögerlich nickte Eilein.
„Was... was... was soll sie denn bei... dem Almadaner?“
„Ähm“, machte ihre Schwester da nur sichtlich verlegen, „Ähm...“
„Eilein?“
„Na ja“, druckste die Ritterin da noch immer herum, „Aus irgendeinem Grund scheint sie zu glauben, dass der Almadaner und Du...“
„Aus irgendeinem Grund“, wiederholte die Geweihte da und hatte so eine dunkle Ahnung, was das für ein Grund sein konnte, „Und was genau habe ich und er miteinander… zu tun?“
„Na ja, Du weist schon“, sie zuckte mit den Schultern, „Rahjanische Dinge eben.“
„Rahjanische... Dinge... eben?“, echote die Geweihte tonlos.
„Jetzt tu nicht so! Du weißt genau, wovon ich spreche...“, dabei setzte sie einen vielsagenden Blick auf, „Ganz genau.“
„Weil auch eine Geweihte der Sturmherrin den Rondradienst mal eben mit dem Rahjadienst verwechseln kann?“
„Ja. Ja. Ja, genau!“, eifrig nickte ihre Schwester, „Das kann doch mal passieren. Ich meine... hast Du ihn Dir mal genau angesehen?“ Die Ritterin schüttelte sich. „Es wäre eine Beleidigung zu sagen, er sieht gut aus. Er sieht geradezu unverschämt gut aus! Unverschämt gut. Oh, Elerea!“ Ein verzücktes Seufzen entrann ihrer Kehle. „Da kann es doch mal passieren, dass man Rahja und Rondra ver...“
„Oh, ihr zwölf Götter!“, entfuhr es der Geweihte da, „Warum glaube ich nur, dass Rondriga ihn zum Duell fordert?“
„Ach“, winkte Eilein da ab, „Der lacht sich doch krumm und schief! Nein, nein, die schleicht höchstens um sein Lager herum. Ach, was sag ich! Sie trampelt höchstens um sein Lager herum.“ Eifrig nickte die Ritterin.
„Wie beruhigend...“
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