Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1042 BF - Teil 17
Vor den Toren Kressenburgs, Baronie Kressenburg, Praios 1042 BF
Algirdas kam nicht umhin, zufrieden zu grinsen, als er sah wie Aardor diesen Landelin von Viererlen, das hübsche Jüngelchen, nach Strich und Faden vermöbelte. Er hatte das nicht erwartet. Naja, vermutlich war es nach dem erstaunlich souveränen Sieg des Nordmärker Jungritters über den Koscher Prinzen Edelbrecht von Eberstamm in der ersten Runde auch einfach nicht zu erwarten gewesen. Das schmale Kerlchen hatte einen haushohen Favoriten aus dem Rennen geworfen und war danach von dem einen oder anderen schon als Geheimfavorit gehandelt worden. Man wusste ja: Wenn jemand durch ein solches Erfolgserlebnis Fahrt aufnahm, war er oftmals nicht mehr zu stoppen. Traf er im nächsten Kampf noch dazu auf einen weiteren Jungritter, der bislang nichts vorzuweisen hatte, schien der Ausgang eigentlich vorhersehbar.
Und tatsächlich hatte der Nordmärker zu Beginn einige sehr versierte Angriffe vorgetragen. Die wurden von Aardor aber ebenso versiert abgewehrt – und dann zeigte sich relativ schnell, dass die erste Runde den Viererler wohl einiges an Kraft gekostet hatte. Als er mit seinem Ansturm nicht durchdrang, schien ihn das Selbstvertrauen zu kosten und vielleicht kam eben die Erschöpfung hinzu. In jedem Falle wirkten seine Manöver zunehmend planlos und irgendwann riss Aardor das Heft an sich. In gewohnt brachialer Manier trieb er seinen Gegner vor sich her, bis der ganz aus dem Tritt geriet und sich mit einer völlig vermurksten Parade ins Unglück stürzte. Der Kampf war an dieser Stelle vorbei.
An der Bande warf Algirdas Fählindis einen kurzen Blick zu und nickte anerkennend. „Will mir scheinen, so ein Ausflug zum Koscher Fürstenturnier lohnt sich, eh? Oder war der vorher auch schon so gut?“
„Glaub ich nicht“, Fählindis hob die Schultern. „Wenn ich Bärfangs Erzählungen recht verstehe, hat er sich da im Buhurt fast selbst entleibt, indem er mit dem Kopf voran in irgendein Schwert gerannt ist. Sie mussten ihn vom Platz tragen. Und im Fußkampf ist er in der ersten Runde gescheitert. Dafür soll er sich im Tjost später ganz gut gehalten haben ...“
„Ah, die gute Tralloper Schule!“
„Das wohl. Ich bin gespannt, was er uns da die Tage noch bietet.“
„Ich bin jetzt erst mal gespannt darauf, was du uns bietest“, entgegnete Algirdas schmunzelnd. „Anshelm von Hundsgrab macht vermutlich Mett aus dir.“
„Anshelm wer?“, Fählindis grinste amüsiert.
Sie wusste, wie der Mann hieß. Hatte sich vor dem Beginn der zweiten Runde noch ausgiebig über den Namen lustig gemacht und angefangen, rotzfreche Reime darüber aus dem Ärmel zu schütteln. Zu diesem Zeitpunkt war ihr aber noch nicht klar gewesen, um wen es sich eigentlich handelte. Darüber hatte Aardor sie mittlerweile aufgeklärt – und wohl so was wie respektvolle Einsicht erwartet. Vielleicht auch ein bisschen Anspannung. Zumindest das Zweitere war jedoch ausgeblieben. Es schien so, als könne nichts und niemand das Feixen aus dem Gesicht der Habechhegen wischen. Algirdas war sich mittlerweile nicht mehr sicher, ob sie überhaupt irgendetwas ernst nahm.
„Bisschen mehr Konzentration als beim letzten Gegner vielleicht wenigstens?!“, mahnte er daher leise. „Ich glaub nicht, dass dieser hier sich auch mit einem Schlag gegen das eigene Kinn aus dem Kampf verabschieden wird.“
„Ne“, seine Base lachte. „So viel Glück hat man wohl nur einmal.“
Nachdem Aardor an die Bande zurückgekehrt war und sie seinen Sieg ausgiebig gefeiert hatten, versuchte auch er noch einmal, etwas mehr Ernsthaftigkeit in Fählindis rein zu reden. Aber da war nicht viel zu machen. Sie schüttelte nur den Kopf und meinte, dass es sich ja bloß um Turnier handle und daher niemandem der Tod drohe. Ernst sei bei so was doch völlig fehl am Platze. Sie wollte lieber Spaß haben.
Damit verabschiedete sie sich in Richtung Kampfplatz. Aardor und Algirdas starrten ihr irritiert hinterher, als sie losschlenderte. Den Schild auf dem Rücken, den Speer über die rechte Schulter gelegt und leise summend.
„Und die ist sicher nicht aus dem Rotenforster Stall, ja?“, fragte Aardor leise.
„Ne, aber sie passt da gut rein. Blüht auf, könnte man wohl sagen.“
„Hum.“
Gespannt verfolgten die Vettern, wie ihre schlacksige Base den Platz gegenüber vom deutlich massiver wirkenden Greifenfurter Baron einnahm und – immer noch lächelnd, aber wenigstens respektvoll – das Haupt neigte.
Dann ging es auch schon los, und zwar mit einer Initiative der jungen Speerkämpferin. Sie war schnell und leicht gerüstet, doch wer ein bisschen Ahnung hatte, sah, dass sie dennoch nur deshalb zum Zug kam, weil der Hundsgraber sie ließ. Er ließ sie kommen, gewährte ihr damit aber immerhin die Chance, ein bisschen was von ihrem Können zu zeigen. Und das war größer, als ihr erster Kampf hätte vermuten lassen. Die Habechhegen wirbelte völlig unbekümmert umher und nutzte die Vorzüge ihrer archaischen, in Teilen der Sichelwacht aber immer noch hoch geschätzten Waffe, erstaunlich geschickt.
Ein oder zwei Mal hatte sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite und erntete anerkennendes Raunen aus dem Publikum – wohl nicht zuletzt, weil der Anblick einer derart bewaffneten Streiterin jenseits der entlegensten Gegenden des Mittelreichs ziemlich ungewohnt war. Letztlich machte Fählindis aber keinen Stich. Anshelm von Hundsgrab war immer das kleine bisschen schneller, abgeklärter und versierter. Eine Zeitlang ließ er sich auf das Spielchen ein, beendete den Kampf dann aber mit einem humorlosen Konter, der mitten in eine wunderhübsche Finte hinein erfolgte und für einen Moment fassungsloses Staunen auf das Gesicht seiner jungen Gegnerin zauberte.
Dann senkte sie die Waffe und zog sich zurück. Respektvoll, den Kopf in Anerkennung ihrer Niederlage geneigt, aber dennoch lächelnd.
„Habt Dank für die Unterweisung, Hochgeboren“, meinte sie ganz ohne Arg oder Falschheit in der Stimme. „Es war mir ein Vergnügen.“
„In der Leuin Namen sei Euch gedankt, mir dieses Duell geliefert zu haben. Ich habe schon länger nicht mehr gegen Speer und Schild gefochten. Wohlgetan!“, erwiderte der Greifenfurter und sorgte so dafür, dass sich das Lächeln der Habechhegen noch vertiefte.
„War mir eine Ehre, Herr von Hundsgrab. Jederzeit wieder“, sagte sie, bevor sich die beiden mit knappem Nicken voneinander trennten.
Dass Algirdas und Aardor trotz der offensichtlichen Aufrichtigkeit ihrer Verwandten ein paar ungelenke Schüttelreime über Hunde und Gräber in den Ohren klangen, war allein ihre Schuld. Und zum Glück wusste sonst ja niemand von Fählindis’ spitzzüngiger Kreativität.