Geschichten:Kumpanenhatz - Aufbruch im Regen
Gut Grodanshof, Baronie Tannwirk, 1. Hesinde 1038 BF
Ein neuer Tag war heraufgedämmert. Es war wieder etwas wärmer geworden, doch das bedeutete lediglich, dass vom bleigrauen Himmel beständig feiner Nieselregen in Schleiern herabfiel und den Boden in eine einzigen Schlammpiste verwandelte.
Stallknechte und Knappen eilten über den Hof um die Pferde zu satteln und den Aufbruch vorzubreiten. Dies gestaltete sich recht schwierig, da die Tiere ebenso wenig Lust darauf hatten, ihren Unterstand zu verlassen, wie die drei Adligen, die unter einem Vordach das Treiben beobachteten. Sie hatten sich nur ein kurzes Frühstück gegönnt, da sie alle übereingekommen waren, möglichst früh aufzubrechen. Nimmgalf warf einen missmutigen Blick auf in den Himmel und dann auf den schlammigen Platz vor ihm. Sein Grummeln, dass das ja wohl die letzte Provinz sei, noch nicht einmal gepflastert, wurde fast von dem Wiehern der sich sträubende Pferde übertönt. Fast. Alrik Herdan ging nicht darauf ein und trat aus dem Schatten des schützenden Vordachs. Ein Mann, der an Größe und Masse sogar den Baron von Hirschfurten überragte war herangetreten. Wassertropfen perlten auf seiner abgewetzten Lederrüstung und in seinem dunklen Vollbart.
Alrik Herdan begrüßte ihn mit einem Handschlag: „Marek, schön dich zu sehen. Ich war mir nicht sicher, ob du es rechtzeitig schaffen würdest. Hast du alles dabei?“
„Sicher, Herr.“ Der Söldner führte ein Pferd am Zügel, an dessen Flanke ein in Wachstuch eingeschlagener großer Bogen hing. Eine Kette mit Bernsteinperlen hing oben aus dem Tuch heraus und baumelte leicht hin und her. „Stumpfe Pfeile, die schweren Eisenschellen, Fingerschrauben und Knebel. Du willst wohl ganz sicher gehen bei deiner Hatz. Franka wird uns begleiten.“ Mit einer Hand deutete er hinter sich, wo bereits eine Frau mittleren Alters aufgesattelt hatte und stoisch den kalten Regen ertrug.
„Sehr gut. Wir werden zunächst Richtung Drachenmagd-Schänke reiten.“ Der Vogt nickte und warf einen fragenden Blick in Richtung der anderen Adligen. Nimmgalf nickte und zog sein schwarzes Barett etwas tiefer ins Gesicht, doch es vermochte nur einen Teil des Nieselregens abzuhalten. "Wieder mal bestes Waldsteiner Wetter, was? Nun gut, da ist man ja Schlimmeres gewöhnt!" Er schwang sich in den Sattel. Sicherheitshalber hatte er Order gegeben seinen Reitersäbel mitsamt dem Schild anzubringen. Zudem trug er seine mittelschwere Rüstung- schließlich wollten sie keine unschönen Überraschungen erleben. "Wohlan, von mir aus kann es losgehen!" rief er Alrik Herdan zu. Auch Elgor und Alecta waren schon aufgesattelt und aufbruchsbereit.
Von den Stallungen her führte ein Grenzjäger, dessen eine Gesichtshälfte von einer üblen Narbe gezeichnet war, Rondrajas rostbraunes Greifenfurter Kaltblut zum Unterstand. Der Wollumhang wirkte schwer vor Feuchtigkeit und eine Strähne klebte an seiner Stirn. Das Streitross, obzwar es sich von dem schweigsamen Mann führen ließ, vermittelte dennoch den Eindruck, als ob es nur mit Trotz folge.
Am Unterstand angekommen öffnete der Grenzjäger dann doch den Mund und grüßte die beiden männlichen Adligen knapp mit überraschend wohlklingender Stimme: "Praios zum Gruße, Hochgeboren!" Dann reichte er Rondraja die Zügel und sagte wieder nur knapp: "Herrin!" "Danke, Beren", entgegnete die Ritterin und wandte sich dann an Alrik Herdan: "Ich danke für eure traviagefällige Gastfreundschaft für mich und meine Grenzjäger." Der Junker nickte knapp: "Es war mich traviagefällige Pflicht und Freude zugleich. Ich nehme an, die Pflicht ruft?" Die Ritterin blickte kurz zurück zur Straße, wo die übrigen Grenzjäger warteten, und bestätigte dann: "Ja, so ist es und ich will so schnell es geht, den Rückweg antreten. Euch wünsche ich bei den Nachforschungen mehr Erfolg, als mir bislang vergönnt war. Falls ihr diese Bande zu fassen bekommt, so wäre ich euch sehr verbunden, wenn ihr eine Nachricht nach Greifenfurt senden könntet. Die Greifin wird sicher interessieren, was an ihrer Grenze vorgeht."
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