Geschichten:Mich seht ihr nicht - Gemischte Begeisterung
Burg Friedburg, Baronie Gnitzenkuhl im Firun 1038
Bereits zum dritten Male las sie die Zeilen der Depesche die sie soeben erhalten hatte. Schließlich bedeutete sie dem Boten mit einem Nicken, dass er gehen dürfe. Es war fraglos, dass man keine Antwort von Baronin Geshla von Gnitzenkuhl erwartete. Dies waren Befehle. Befehle, denen Sie nur zu gerne nachgab. Endlich, endlich war es soweit! Ein grimmes Lächeln verschaffte sich Raum, und ihre Miene wurde zusehends finster. Der Tod des geliebten Vaters würde gesühnt werden. Jagen würde man den gedungenen Mörder und Heckenreiter. Die Tränen kamen heiß und trotzig, und da sie alleine war, ließ sie diese auch einfach laufen. Hart schluckte sie weitere Gefühlsaufwallungen nieder. Es kostete sie einiges an Anstrengung. Widerlich, seitdem sie in gesegneten Umständen war konnten sie Kleinigkeiten in Hochstimmung versetzen aber auch tieftraurig werden lassen. An den Widerwillen Essen zu sich zu nehmen, und den Problemen es hernach auch bei sich zu behalten, wollte sie nun nicht auch noch denken. Es galt Pläne zu schmieden und die Burg herzurichten. Ablenkung war sicher eine gute Sache. Ob ihre neue Medica da gleicher Meinung war, wagte sie zu bezweifeln, doch hier ging es um weit wichtigeres als um kleinliche Befindlichkeiten. Schuld und Sühne! Ehre und Loyalität!
Hassal’han Ammayin (Festung Haselhain Armeenschild), Baronie Haselhain Firun 1038 BF
Kurz nach der Abreise Dendarans, der weiteren Höllenwallern und dessen seltsamen Gastes hatte Selo das Schreiben erreicht. Und, wie er kurz darauf erfuhr, Lyn ebenso. Jetzt sah er den Gast Denderans in einem völlig anderen Licht. Denn laut dem Schreiben sollten auch Lyn und er sich in Gnitzenkuhl einfinden um einigen Verrätern habhaft zu werden. Vorboten des Krieges, dachte er sich. Eigentlich war ihm nicht schon wieder nach einem solchen Abenteuer, hatte er doch auf dem letzten auch nicht allzu viel Geschick darin gezeigt, auch wenn er seit dem einiges gelernt hatte, er hatte viel mit Hamir und Lyn geübt. Doch so oder so forderte die Krone seine und Lyns Anwesenheit bei dieser Angelegenheit. Vermutlich war man letztes Jahr auf sie aufmerksam geworden, wobei Lyn auch vorher schon einen gewissen Ruf hatte, sie war ja auch eine richtige Kämpferin. Wie dem auch sei, Lyn und er würden nach Gnitzenkuhl reisen, vielleicht war das nach seinem letzten Besuch auch gar nicht so schlecht die Wogen noch weiter glätten zu können und das Verhältnis zu der schwierigen Nachbarin zu verbessern. Und so ließen er und Lyn ihr Reisegepäck satteln, nachdem sie sich mit Siyandor und dem kleinen Rat getroffen hatten um danach aufzubrechen.
In Gnitzenkuhl, Ende Firun
Wallbrord hatte sich bereits recht früh nach Erhalt von Horulfs Depesche auf den Weg nach Gnitzenkuhl gemacht. In dieser Sache galt es keine Zeit zu verlieren und schnelles Handeln schien ihm dringend geboten zu sein. Der Baron zu Vellberg hatte als Begleitung lediglich seine Tochter und Adjutantin Elissa mitgenommen, da er der Meinung war, dass ein größerer Trupp nur unnötige Aufmerksamkeit erregen und das zu jagende 'Wild' warnen könnte, noch bevor man die Gelegenheit bekäme, es zur Strecke zu bringen.
„Vater, warum sollte ausgerechnet ich Dich begleiten? In Perricum wartet noch genug Arbeit auf mich und es hätte gewiss genug andere geeignetere Offiziere gegeben, die Dich …"
„Nein.", war Wallbrords lakonische Antwort. "Du bist bestens geeignet und vor allem: Ich vertraue Dir. Außerdem hast Du einen wachen Verstand. Was mir auf der Burg und später auf der Jagd entgehen mag, wirst Du wahrscheinlich bemerken. Außerdem ist die ganze Sache auch eine gute Gelegenheit für Dich, weitergehende Kontakte und Beziehungen zum Adel der Provinz zu knüpfen."
„Und wozu soll das gut sein? Du weißt genau, dass mich derlei Dinge samt langweiliger Adliger nicht interessieren."
„Das sollten sie aber, da sie früher oder später für Dich von Belang sein werden. Und nun genug davon. Da vorne ist bereits unser Ziel. Bin mal gespannt, wen man noch alles zu dieser 'Jagdpartie' eingeladen hat."
»Domna Geshla, vielen Dank für die vorzügliche Unterbringung und das Bad - ich fühle mich vollständig erfrischt und wünschte, unseres Bleibens hier wäre noch länger. Leider muss ich auf sofortigem Aufbruch bestehen, sobald die Perricumer Mitstreiter angekommen sind.« Quendan von Ahrenstedt deutete eine Verbeugung an und wandte sich dann wieder der Aussicht aus dem Fenster zu. In Perricum war es vergleichsweise warm. Daheim, in Greifenfurt, das ihm nicht im Traum einfiele, noch als Heimat zu bezeichnen, lag jetzt Schnee und die Wölfe kamen aus den Wäldern. Quendan mochte Wölfe. Er war selbst einer.
»Wann erwartet Ihr die Mitstreiter? Der Vellberger ist schon angekommen und sollte bald zu uns stoßen«, antwortete Geshla.
»Vor Ablauf des Mondes gewiss. Wir erwarten noch einen ganz speziellen Mitstreiter, der quasi unser Führer sein wird.«
»Wen?«, wollte Geshla wissen.
»Das werdet Ihr schon seh… merken.« Quendan stutzte. Hatte er nicht ein unterdrücktes Kichern aus der Zimmerecke gehört? Nein - ganz sicher nicht. Er war nur angespannt und hörte überall den, den man nicht sehen konnte. Quendan hatte bei seinem letzten Treffen mit ihm aber bemerkt, dass ein gewisser Geruch nach nasser Kälte ihn umgab. Er roch nicht nach Grab, sondern eher nach Keller. Untrügliches Zeichen, solange man sich in keinem Kellergewölbe befand. Oder der Bergeskälte im Wall.
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Narrheit ist's, das Mehl gegen den Wind zu beuteln | ▻ |