Geschichten:Mit Samthandschuhen (in Mendena) - Die Flucht
Mendena an der Piratenküste, Peraine 1037 BF
Die letzten Monate waren von Gefechten und Kämpfen geprägt gewesen. Und als Leibwache von Haffax war Xandros meist mitten drin gewesen. Und in dieser Funktion wußte er etwas was nur wenige wußten: nämlich daß Haffax noch lebte und lediglich seine Tod vortäuschte um seine Gegner aus der Deckung zu locken. Und diese Strategie ging auch auf. Und das waren nicht die einzigen Informationen die er hatte ...
Monate lang hatte er versucht eine sichere Methode zu finden, eine Nachricht nach Gareth zu schicken. Zu Hause mußte man erfahren, daß Haffax noch lebte. Seine bisherigen Methoden waren seit dem Anschlag auf Haffax nicht mehr möglich (zum Beispiel, weil Dämonen ganze Straßenzüge in Schutt und Asche verwandelt hatten, unter anderem auch das Haus in dem seine Brieftauben versteckt waren) und da er auch streng in die Gefechte eingebunden war und auch andere Aufträge bekam, konnte er sich nicht mehr so leicht davon stehlen wie zuvor.
Doch seine Planungen zu einer Flucht standen nicht still, ganz im Gegenteil. Anfangs war Xandros bestrebt über Land zu fliehen, doch stellte sich heraus, daß zur Zeit der Seeweg effektiver war. Und ihm war es tatsächlich auch gelungen vor einigen Tagen einen Schmuggler zu finden, der bereit war ihn und Dschafar mitzunehmen. Morgen in aller Frühe wollten sie aufbrechen.
Gleich unmittelbar nach dem er mit dem Schmuggler geredet hatte, hatte er eine Nachricht für Gareth aufgesetzt. Auf die üblichen Verschlüsselung hatte er verzichten müssen, doch sollte es reichen, hoffte Xandros. Denn in einem Gasthaus hatte er einen Händler gesehen, den er noch als Vartosch Malur kennen gelernt hatte und den er als verläßlich erachtete. Diesem hatte er die Nachricht übergeben und er würde diese bis nach Warunk bringen und dort würde diese Nachricht weitergeleitet werden. Auf dem ersten Blick war der Text in dieser Nachricht unverfänglich, aber wenn man wußte, worauf man achtete, konnte man daraus viel herauslesen. Aber es waren nur die wichtigsten Informationen. Die detailierteren würde er persönlich überbringen, da es zu gefährlich war, diese schriftlich über einen unsicheren Kanal zu schicken.
Es war bereits am Abend, als Xandros wieder zurück zu seinem Lager ging. In den letzten Wochen hatten sie – also die Karmothgardisten – einige Meilen südlich von Mendena ein Lager aufgeschlagen und sicherten die Gegend. Dschafar war auch im Lager, doch hatte dieser mit einigen anderen Magiern von der Akademie ein Zimmer in einem nahem und recht großen Gutshof, worin auch Haffax untergekommen war.
Er würde nun in sein Zelt gehen und dort bleiben. Wenn die Nacht hereingebrochen war, würde er zur großen Eiche schleichen, die etwas außerhalb ihres Lagers stand, wo dann auch der Magier sein würde, wie er hoffte.
Doch als sich Xandros seinem Zelt näherte, wuchs in ihm ein ungutes Gefühl. Als er um die Ecke bog und auf dem Weg war, das zu seinem Zelt führte, sah er davor mehrere Bewaffnete sich angeregt unterhalten und seine Zeltkameraden befragen. Es waren Karmothgardisten, aber welche, die er noch nie gesehen hatte.
Xandros versteckte sich wieder hinter der Ecke von wo er gerade kam und beobachtete die Szenerie. Es waren drei Gestalten: einer hatte eine Augenklappe und eine Glatze, die anderen beiden waren recht unscheinbar, bis der eine anfing zu grinsen und schwarzglänzende Zähne offenbarte. Instinktiv wußte Xandros, daß er aufgeflogen war.
Er blieb nicht um zu sehen, was sie taten. Er wandte sich um und verschwand wieder auf dem Weg den er gekommen war. Mit schnellen Schritten ging er zum Gutshof. Er konnte nicht verschwinden ohne den Magier mitzunehmen, sonst war alles umsonst. Als er auf die Tür zuging, nannte er der Wache die Parole ohne im Schritt innezuhalten. Dieser lies ihn durch. Drinnen wandte er sich sofort dem Zimmer zu, worin Dschafar wohnte und trat ohne anzuklopfen ein und verschloß wieder die Türe.
Der Magier blickte überrascht auf und Xandros vermeinte einen kurzen Schrecken in seinen Augen gesehen zu haben, bis er erkannte, daß er es war. "Wir müssen sofort los", sagte er. "Wir haben keine Zeit mehr."
Der Magier wußte was diese Worte bedeuteten und stellte keine unnötigen Fragen. Er nahm sich seine Sachen, die er bereits griffbereit daliegen hatte. "Habt Ihr den Diamanten?", wollte Xandros sicher gehen und der Magier nickte nur und deutete auf seinen Geldbeutel.
Beide verließen das Gutshof auf den Weg, wie sie ihn betreten hatten: durch die Vordertüre, in der Hoffnung noch diese Sekunden zu haben, in der sie unauffällig das Gebäude verlassen konnten. Der Wache sagte er, daß er den Magier im Auftrag des Hauptmann mitnahm. Dieser blickte ihnen nur stirnrunzelnt hinterher, er kannte Xandros – zumindest vermeinte er es – und fragte nicht weiter nach. Und kaum als sie das Haus verlassen hatten und die ersten Schritte in das Gewühl aus Zelten getan hatten, tauchten die finsteren Gestalten von vorhin aus einer anderen Richtung auf und schritten zielstrebig auf das Gebäude zu.
Wenig später waren Xandros und Dschafar in der immer dunkler werdenden Nacht in den zerklüfteten Hügeln unterwegs und suchten einen Weg zum Schmugglerschiff, das etwas südlich von hier ankern mußte, als sie hinter sich mehrere Pferdehufe hörten.
"Im Namen des Fürstkomturs! Stehen bleiben!" erschall der Ruf von hinten und Xandros und der Magier erblickten die Gestalten von vorhin, die direkt auf sie zuritten.
"Lauf, Dschafar!", rief Xandros dem Magier zu und beide fingen an zu rennen. Sie liefen zwischen die Felsen hindurch und über das unebene Gelände, damit ihre Verfolger den Vorteil der Schnelligkeit ihrer Pferde nicht nutzen konnten.
Einen Blick zurück offenbarte Xandros aber, daß sie somit nicht viel Zeit gewannen. Er hoffte inständig, daß der Schmuggler schon da war – vielleicht konnten sie noch entkommen. Und so lieferten sie sich eine nächtliche Verfolgungsjagd durch zerklüftete Felsen und bahnten sich einen Weg zum Ufer.
Auch dem Magier wurde allmählich klar, daß sie auf dieseWeise nicht entkommen konnten. Zumal er schon ein paar mal fast gestürzt wäre, da sein Fuß an scharfkantigen Felsen hängen blieb. Schließlich blieb er stehen und wandte sich seinen Verfolgern um.
"Was macht Ihr da?", rannte Xandros wieder zum Magier zurück. "Wir dürfen nicht aufgeben! Wir sind fast da."
Doch dann bemerkte er wie der Thaumaturg eine Zauberformel sprach, gleichzeitig vollführte er mit seinem Zauberstab ein Zeichen, das er in die Luft zeichnete. Dann entstand ein Riß im Gefüge der Welt und es stieg eine finstere Gestalt in einer schwarzen Robe und rotglühenden Augen daraus hervor. Xandros wich instinktiv zurück, doch der Magier bellte diesem Dämon einen Befehl entgegen: "Töte unsere Verfolger!" Er deutete auf ihre Häscher, die langsamer geworden waren, als sie dem Dämon ansichtig geworden waren. Dieser wandte sich nun ihren Verfolgern zu.
Dschafar wandte sich wieder ab und rannte weiter. "Worauf wartet Ihr?", rief er Xandros zu. "Der Heshthot sollte uns ein wenig Zeit verschafft haben." Das ließ sich Xandros nicht zweimal sagen. Die beiden liefen weiter, während sie hinter sich Kampfeslärm hörten.