Geschichten:Mit unserem guten Namen - An den Meistbietenden
Pfalz Bugenhog, Phex 1035 BF
Sie standen im Hof an einem Feuerkorb, in dem trockenes Holz brannte und Wärme verbreitete, und beobachteten, wie die Rösser den Besitzer wechselten.
»Die letzten fünf. Den Rest habe ich schon an den Mann bringen können, kaum dass sie auf den Hof kamen. Aber die hier waren reserviert«, erklärte Parinor von Borstenfeld seiner Besucherin Waltrude Fuchsberger, genannt Bolzen-Walli. »Für den Ritter da drüben. Der hat auch die Lieferung Bolzen und Pfeile bestellt, die Ihr gebracht habt.«
»Kenne ich den?«, fragte Bolzen-Walli nach, während sie die klammen Hände in den Wollhandschuhe mit den abgeschnittenen Fingerspitzen über den Feuerkorb hielt. »Er kommt mir so bekannt vor.«
»Ich glaube kaum, meine Beste. Ist nur ein kleiner Ritter aus Hartsteen. Von denen gibt es doch so viele, die kann man sich nicht alle merken.« Parinor lachte trocken.
»Aber sind die nicht alle arm wie die Tempelratten? Wie kann der sich eine Wagenladung Bolzen und fünf Rösser leisten?«
Parinor zuckte ärgerlich mit den Schultern: »Das habe ich nicht gefragt. Ich verkaufe an den Meistbietenden. Lästiges Nachfragen verschreckt nur die Kundschaft.«
Bolzen-Walli schwieg. Diesen Grundsatz kannte sie nur zu gut und beherzigte ihn ebenfalls. Gerade wenn man sein Geschäft mit gefährlicher Ware machte, sollte man seine Kundschaft vorsichtig behandeln.
»Apropos Kundschaft«, nahm Parinor das Gespräch wieder auf, wechselte aber das Thema: »Braucht Ihr noch ein paar Alriksmärker Wechsel? Ich habe hier noch drei über insgesamt 1.200 Dukaten. Ich würde tauschen.«
»Besten Dank, Hochwohlgeboren, aber ich besitze bereits mehr Alriksmärker Wechsel, als gut ist. Ihr dürft die Wechsel gern an den Meistbietenden verkaufen, wenn Ihr wollt. Oder gleich abschreiben – die Burggräfin wird sie nicht einlösen können.«
Parinor hob die Brauen und kratzte sich mit den zusammengerollten Wechseln am Kinn. »Oho. Ist das Fass ohne Boden etwa leer?«
»Was heißt leer? Es rinnen jedenfalls nur noch Tröpfchen. Etliche, die es sich erlauben durften, sind ihrer Wege gegangen. Was an Knechten und Mägden frei war, hat längst die Stellung gekündigt und ist gegangen. Die Unfreien, tja, die bleiben natürlich. Und das Fass, hm, ist leer. Doch, muss man wohl sagen.« Bolzen-Walli zuckte mit den Schultern.
»Seht Ihr, Waltrude, ich habe es doch gesagt!« Mit diesen Worten steckte er die Wechsel in den Feuerkorb.
»Ihr verbrennt die Wechsel?«
»Waren eh gefälscht.«
»Ihr seid ein gefährlicher Mann, Bugenhog.«
»Nicht im geringsten, Frau Fuchsberger. Ich pflege nur auf der Siegerseite zu sitzen. Und das gelingt einem nur, wenn man beim Siegen ein wenig nachhilft. Ha! Wenn man nicht jeden Tag zum Glückstag macht, dann muss man das ganze Jahr auf den 24. Phex warten!«
Bolzen-Walli nickte. »Gut, Bugenhog. Es war mir wie immer eine Freude, mit Euch Geschäfte zu machen. Euren Anteil am Ertrag der gepfändeten Güter in der Alriksmark werde ich Euch beiseitelegen, den Rest sehen wir dann.«
Sie gaben sich die Hände und Bolzen-Walli brach auf. Als sie an dem Hartsteener Ritter vorbeikam, musterte sie ihn angestrengt. Ende 50, wettergegerbt. Kein sichtbares Wappen? Wo hatte sie ihn nur schon einmal gesehen?
Bei der Rast in Mümmelmannshag auf der Reichsstraße sah sie ihn wieder - d.h. sein Konterfei, das auf einem Steckbrief abgebildet war: Geron von Eichenblatt, Raubritter. Gesetzloser. Bolzen-Walli riss den Steckbrief ab und ging damit zur Obrigkeit. Zu wissen, wo Eichenblatt gerade war, war Gold wert. Und deshalb verkaufte sie ihr Wissen an das Reich, den Meistbietenden.
Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012
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