Geschichten:Mord an Hochgeweihter aufgeklärt!
Aus der Efferd-Ausgabe 1047 BF der „Perricumer Postille“
Mord an Hochgeweihter aufgeklärt!
Reichsstadt Perricum. Erleichterung allerorten in unserer geliebten Perle am Darpatmund: Die götterlosen Mörder Ihrer Hochwürden Urda Hornstiegel sind nicht mehr!
Durch verschiedene Hinweise wurde am 18. Rondra ein Trupp von Soldaten des Bombardenregiments auf seltsame Umtriebe in einem unscheinbaren Verschlag in Darpatstieg aufmerksam gemacht. Ihr eilig herbeigerufener Befehliger, Oberst Siegerain von Bregelsaum-Berg, ließ das Haus weiträumig umstellen und überwachte dessen Erstürmung persönlich. Dort sollen sich drei Verdächtige aufgehalten und die Soldaten sofort angegriffen haben. Im daraufhin ausgebrochenen Kampf kamen zwei der Schurken sowie einer der Soldaten zu Tode. Das dritte verbrecherische Subjekt sprang mit unnatürlicher Behändigkeit aus dem Fenster, überrumpelte zwei Soldaten und wäre womöglich in den Gassen der Stadt entkommen, wenn es nicht genau einer ebenfalls zum Ort des Geschehens herbeigeeilten Patrouille der Stadtwache in die Arme gerannt wäre. Mit dem Ruf „Für den Güldenen!“ stürzte sich die Frau auf die tapferen Wachen, verletzte eine mit einem purpurn schimmernden Dolch, bevor sie endlich niedergestreckt und zu ihrem namenlosen Herrn in die Seelenmühle geschickt werden konnte. Der durch den offensichtlich unheiligen Dolch verletzte unglückliche Gardist soll hingegen immer noch schwer gezeichnet an Körper und Geist sein. Mögen die Götter ihm alsbald Heilung schenken.
Die Durchsuchung der Kate soll allerlei schauerliche Beweise zutage gefördert haben, die keinen Zweifel daran lassen, dass tatsächlich ein kleiner Zirkel von Anhängern des Gottes ohne Namen hinter dem Mord an Hochwürden Hornstiegel steckte und offensichtlich noch weiteres Unheil für ihren namenlosen Herrn in unserer schönen Stadt plante.
Geweihtenschaft und Rat der Capitale äußerten sich sehr zufrieden über die Entlarvung sowie Unschädlichmachung dieser drei götterlosen Subjekte und zeigten sich zudem froh darüber, den Einfluss des Namenlosen in der Metropole dadurch zumindest empfindlich geschwächt, wenn nicht gar ein für alle Mal beseitigt zu haben. Der Rat belobigte zudem die beteiligten Soldaten des Bombardenregiments und ließ jedem von ihnen in Anerkennung ihrer Taten zwölf Taler zukommen. Oberst von Bregelsaum-Berg erhöhte diese Summe um jeweils sechs weitere Taler, lobte zudem die gute Zusammenarbeit mit der Stadtwache und zeigte sich erfreut darüber, dass sein Regiment dadurch den seit der Landung des verfluchten Haffax´ Ende 1039 BF arg ramponierten Ruf etwas aufpolieren konnte.
Die Redaktion der Postille dankt jedenfalls allen Beteiligten für ihr tapferes, entschlossenes und göttergefälliges Handeln, mit dem sie dazu beigetragen haben, dass die guten Bürger Perricums nun wieder ohne Angst vor namenlosen Umtrieben durch die Straßen unserer geliebten Stadt wandeln können.
Urda Hornstiegel wurde in der Tat von Anhängern des Namenlosen entführt, nach Perricum verschleppt und dort im geheimen Tempel des Kults am höchsten Feiertag des ‚Güldenen‘ diesem geopfert. Die Hochgeweihte Fredegard von Hauberach hatte Urda ganz bewusst ausgewählt: Ihr war von einem in Brendiltal lebenden Gläubigen berichtet worden, dass die für ihre prophetischen Gaben weithin bekannte Praiotin Weissagungen getätigt hatte, die für auch nur halbwegs Eingeweihte relativ direkt auf die Kirche des Namenlosen in Perricum samt der Lage ihres geheimen Tempels hinwiesen. Fredegard handelte rasch und gedachte, gewissermaßen zwei Fliegen mit einer namenlosen Klappe zu schlagen: Zum einen ihrem Herrn an dessen höchsten Feiertag ein ganz besonderes Opfer in Form einer Praios-Hochgeweihten darzubringen und zum anderen weitere potenziell gefährliche Prophezeiungen bzw. deren Verbreitung zu unterbinden. Die vormalige Baronin war sich dabei durchaus im Klaren darüber, dass die Leiche der Priesterin spurlos zu verschwinden hatte, da es ansonsten gewiss eine große Aufregung in der Stadt gäbe und deren Obere alles in ihrer Macht stehend unternähmen, um die Schuldigen aufzuspüren und zur Strecke zu bringen – eine durchaus reale Gefahr für den Kult und seine Angehörigen. Entgegen der ausdrücklichen Anweisung der Hochgeweihten warfen zwei ihrer Anhänger den Leichnam Urdas nach dem Ende der Zeremonie jedoch aus purer Bequemlichkeit in den nahen Darpat, in der Hoffnung, dass der Fluss den Körper hinaus ins offene Mehr und damit ins Vergessen spülen würde.
Nachdem die Tote gefunden worden war und der befürchtete Aufruhr eingesetzt hatte, reagierte Fredegard ebenso rasch wie entschlossen. Sie wies ihre Tochter Janne an, besagten Verschlag, der in der Tat als mehr oder weniger geheime Unterkunft für auswärtige Kultmitglieder diente, mit entsprechenden Beweismitteln zu präparieren und die beiden ‚Versager‘ dort einzuquartieren. Eine niedere Geweihte erklärte sich zudem bereit, sich ebenfalls in der Kate niederzulassen und bei deren erwarteter Erstürmung mittels eines vermeintlichen Fluchtversuchs zu opfern, um der ganzen Scharade mehr Authentizität zu verleihen. Außerdem wollte sie so sicherzustellen, dass die beiden anderen ‚Bewohner‘ nicht lebend in die Hände ihrer Feinde fielen.
Die Reichsedle selbst suchte ihren speziellen ‚Freund‘ Siegerain von Bregelsaum-Berg auf, den sie mittels einer Kombination aus Erpressung, Versprechungen und Schmeicheleien dazu bewog, seine Soldaten speziell in Darpatstieg patrouillieren zu lassen. In dem Viertel wartete dann Janne von Hauberach in der Verkleidung einer ‚besorgten Bürgerin‘ auf den erstbesten Angehörigen des Bombardenregiments, um diesen dann auf besagten Verschlag aufmerksam zu machen. Sobald diese Nachricht Oberst Siegerain zugetragen worden war, reagierte dieser wie von Fredegard erwartet und nahm das Heft des Handelns selbst in die Hand, um sicherzustellen, dass der zu erwartende Ruhm möglichst ihm – und nur ihm – zuteilwird. Unmittelbar vor der Stürmung des Hauses wirkte die dort wartende Geweihte das Wunder „Namenlose Raserei“ auf ihre beiden vermeintlichen Brüder, bevor sie selbst sich zum Sprung aus einem der Fenster anschickte, bereit, ihr Leben im Dienste ihres Herrn als Märtyrerin zu beenden.
Fredegard und Siegerain sind mit dem Ausgang der ganzen Geschichte sehr zufrieden. Die eine, weil sie ihre ‚Gemeinde‘ und dessen Tempel nicht nur schützen sondern fürs erste gar aus dem Fokus des allgemeinen Interesses rücken konnte – glaubt man weithin doch, die Präsenz des Rattenkindes mit dem jüngsten Erfolg weitgehend aus der Stadt getilgt zu haben – während der Oberst sich zumindest für eine Weile im Glanze seines neuen Ruhmes sonnen konnte und nebenbei noch einige weitere Schuldscheine von seiner Feindin als ‚Belohnung‘ für seine Kooperation zurückerhielt.
Was für Fredegard perspektivisch jedoch zu einem – bisher noch nicht erkennbaren – Problem werden konnte, ist der Umstand, dass Siegerain begonnen hat, sich zu fragen, woher die Adlige eigentlich wusste, in welchem Stadtteil seine Soldaten zu suchen hatten. Zwar hat der Offizier noch keine direkte Verbindung zwischen der Ermordung der Hornstiegel, der Reichsedlen, dem Vorfall in Darpatstieg und dem Kult des Namenlosen in der Stadt hergestellt, aber er hat zumindest damit begonnen, nachzudenken ...
◅ | Schauerlicher Mord erschüttert die Reichsstadt! |
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