Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 1. Phexstunde
Baronie Natzungen, 13. Tsa 1030 BF
Immer wieder unterbrach die junge Baronin ihren älteren Ehemann um seine Informationen zu hinterfragen und für sich das Bild, welches sich ihr von der Situation bildete, zu vertiefen. Als sie schließlich nach längerer Zeit keine weiteren Fragen mehr hatte und Hadrumir verstummte, schob auch sie ihren Teller zur Seite und stützte beide Ellenbogen auf den Tisch, um den Kopf zum Überlegen in die Handflächen zu stützen. Hadrumir, welcher mittlerweile um die Stärken seiner Frau wusste, ließ sie überlegen und lief nur unruhig im Zimmer auf und ab. Schließlich atmete sie hörbar durch, ihre Gestalt strafte sich und sie stand auf, um zu Hadrumir zu treten.
Hauptmann Jost las das Schreiben mehrfach und verglich es dann ausgiebig mit den vorliegenden Handschriften. Es war vielleicht nicht perfekt, aber es würde seinen Zweck erfüllen. „Wie viel?“ fragte er den Fälscher tonlos. Der Mann grinste ihn breit an und reichte ihm einen Zettel. Jost schluckte schwer: „Das ist nicht Euer Ernst!“ Der wieselhafte Mann ihm gegenüber lächelte süffisant. „Gute Arbeit hat ihren Preis! Und ich glaube, dass es in der Stadt einige gibt, die diesen Brief hochinteressant finden würden.“ Der Ausdruck im Gesicht fror ein und legte Zeugnis über dessen Entschlossenheit ab. Wieder war es an Jost, zu schlucken. Wohl wissend, dass er auf diesen Brief zwingend angewiesen war, griff er an den Gürtel und zählte die verlangte Summe ab.
„Du denkst also, dass sich jemand unbemerkt über die Mauer machen wollte.“ Als Hadrumir kurz nickte, sprach sie weiter: „Stellt sich also die Frage, ob jemand aus oder in die Stadt wollte und dabei von der Soldatin, Boron hab sie selig, überrascht wurde.“ Kurz überlegte sie. „Ich glaube nicht, dass jemand hinaus wollte, dies hätte er ein paar Stunden früher oder später einfacher haben können. Ich denke, wir sind uns einig, dass jemand Natzungen unbemerkt betreten wollte.“ Wieder nickte der hoch gewachsene Mann. Mittlerweile hatte er gelernt, dass seine Frau die Dinge meistens aus gänzlich anderen Blickwinkeln sah und es sich lohnen konnte auch diese in die eigenen Überlegungen mit einzufügen. „Gerüchteweise soll der Grützer etwas aushecken und Truppen sammeln, aber für einen Marsch auf uns ist es zu früh im Jahr“, sinnierte sie leise. „Außerdem glaube ich nicht, dass er so unaufrichtig wäre, uns feige von innen heraus anzugreifen, ohne sich vorher zu erkennen zu geben.“ Auch Tanira hatte wohl innerlich nach dem Gespräch auf der Hochzeit davon abgesehen, Bodebert als verschlagenen unehrenhaften Mann zu sehen.
Brandherr Melcher Krambusch saß gerade beim ausgedehnten Frühstück, als ihm ein Bote gemeldet wurde. Er ließ ihn hereinbitten und sich das Schreiben übergeben. Er blickte kurz auf das Siegel und zog eine Augenbraue hoch. Dann erbrach er es und überflog die Zeilen. Aufblickend fragte er den Boten. „Euer Herr erwartet eine sofortige Antwort?“ Der Bote nickte respektvoll. „Sagt ihm dass ich in ungefähr einer bis zwei Stunden bei ihm vorsprechen werde.“ Sich wundernd dass der Stadtvogt wohl in die Stadt zurückgekehrt war, ohne die übliche Vorankündigung, legte er den Brief beiseite und sprach weiter dem kräftigen gebratenen Speck zu.
Tanira trat ans Fenster und blickte über die, schon in betriebsamer Emsigkeit erwachte Stadt und überlegte wieder. „Wer außer Bodebert von Windischgrütz könnte noch dahinter stecken?“ Hilfesuchend ging ihr Blick zu Hadrumir, welcher ihr jedoch auch keinen weiteren Anhaltspunkt liefern konnte. Sie strafte sich noch einmal. „Ich denke, wir werden den Rat einberufen, um ihm zu berichten, dass jemand die Stadt betreten hat, ohne sich den Torwachen zu erkennen zu geben. Sollen sich die Räte auch umhören, was los sein könnte.“
Jost beobachtete das Haus eine kurze Weile, bis er sicher war, dass er unbemerkt durch eine Seitentüre hinein gelangen konnte. Schnell überquerte er die Straße und schlüpfte durch die Türe. Im Öffnen der Türe flüsterte er kurz die Losung, um sich zu erkennen zu geben. Die Wache an der Türe ließ ihn passieren und er wandte sich gen Salon, in dem er den Herrn und seinen Gast vermutete. Respektvoll klopfte er an und nach einigen Sekunden wurde er hereingerufen. Mit dem Brief in der Hand betrat er den Raum und meinte „Herr, alles ist bereitet.“
Ugo sah Elli streng an. Sie bückte sich demütig und er machte Anstalten aufzusteigen, als der volltönende Gong zur Perainestund wiederum dafür sorgte, dass ihm die Lust verging. Leider hatte ihn die Hausfrau dabei gesehen.
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