Geschichten:Neues aus Gerbenwald - Die Liga und die Weißbarûner
Pfalz Barbenwehr, Kaiserlich Gerbenwald, Anfang Efferd 1045 BF
Aber am auffälligsten und lautesten waren zweifelsohne die Mitglieder der sogenannten Raulschen Liga. Diese propagierten mehr Macht für die Raulschen, also die (ursprünglich) mittelreichischen Adeligen – natürlich auf Kosten der ihnen verhassten Nebachoten. Nicht wenige von ihnen liebäugelten gar mit einem Wiederanschluss Perricums an Garetien und träumten von einer Entmachtung der nebachotischen Adligen. Shila konnte den Zielen der Liga durchaus etwas abgewinnen. Besonders, da ihr Bruder, Junker Eslam von Borstenfeld, einer der Führungspersönlichkeiten der Vereinigung war. Doch das Denken in großen Dimensionen lag der großen, hageren Frau mit von Verbitterung gezeichneten Gesichtszügen nicht. Für sie war das zu wenig konkret. Ihre Sache waren die kleinen, detailverliebten Pläne. Wie diese, die sie vor acht Götterläufen in Dürsten-Darrenfurt gesponnen hatte. Es ging um die Thronfolge in der Baronie und sie wollte den Baronsreif für ihre Kinder erstreiten. Doch vergebens, ihr Neffe Thorondir setzte sich durch und sie musste Dürsten-Darrenfurt verlassen und fand hier am kaiserlichen Hof zu Barbenwehr Zuflucht.
Fast formten sich ihre verbrauchten Gesichtszüge zu einem Lächeln, als Shila ihren Bruder lautstark mit seinen Liga-Gefährten reden hörte. Unter ihnen waren die Junkerinnen Salva Charissia von Bleichenwang, Ardare von Taunig und Samia von Gaulsfurt, sowie der Junker Reo von Geyersruh und der Ritter Almor von Aarenhaupt. Alle umkreisten den kaiserlichen Mundschenk und Herold Eborian von Meidersee, der ebenso zur Liga gehörte und `ihr Mann vor Ort´ war. Denn die Liga, an sich durchaus eine kleine, aber ernstzunehmende Macht, suchte noch nach einer hochadligen Fürsprecherin - da Welferich von Rabicum nun im Tobrischen weilte und Geshla von Gnitzenkuhl sich nie völlig bekennen wollte - und hoffte diese in Reichsvögtin Fridega gefunden zu haben, die selbst eine ganz eigentümliche Beziehung zu den Nebachoten führte.
Des Weiteren fielen Shila die Weißbarûner Gäste auf. Erbbaroness Grimhild von Waltern war in Vertretung ihrer Mutter Baronin Gidiane ins benachbarte Gerbenwald gereist. Viele gute Erinnerungen dürfte die junge Erbin von Weißbarûn nicht an diesen Ort haben, hatte die bereits erwähnte und zum Teil hier ausgehandelte `Einigung von Morganabad´ doch dazu geführt, dass der Süden der Baronie Weißbarûn, genauer gesagt die ertragreichen Lande um den wichtigen Markt Rash Lamashu, endgültig Aranien zugeschlagen wurde. Verständlicherweise galt das Verhältnis der Familie Waltern und ihren Lanzenruher Vasallen zu ihrem Markgrafen Rondrigan Paligan seitdem als zerrüttet, hätten sie sich doch von diesem mehr Einflussnahme zu ihren Gunsten erhofft. So aber wurden, in ihren Augen, ihre Lande verschachert, nur damit die Barone von Dürsten-Darrenfurt und Haselhain ihre Pfründe sichern konnten.
Die Weißbarûner Erbin ließ sich von ihrer Base Alwena von Waltern und der Herdentorer Ritterin Nera von Sturmfels begleiten, die von ihrem neuen Ruchiner Gatten begelitet wurde. Von Alwena wusste Shila, dass diese mit Eborian von Rabicum vermählt war, diese Ehe allerdings scheinbar unter keinem guten Stern stand. Zum einen sprach dafür, dass diese Verbindung bisher nur ein Kind hervorgebracht hatte. Zum anderen ging Eborian vollends in seiner Mitgliedschaft bei den Reshminianern auf. Ein weiterer Grund, so glaubte Shila, lag in den unterschiedlichen Bündnissen, denen die beiden Familien Waltern und Rabicum angehörten. Während die Waltern ein sehr enges Bündnis mit dem Haus Ochs und den Herdentorer Sturmfelsern verbannt, waren die Rabicums in der markgräflichen Administration sehr einflussreich und hatten es vollbracht, einige Familien, die durch sie zu Ämtern und Würden gekommen waren, um sich zu scharen. Ihnen wurden dabei weit höhere Ambitionen nachgesagt. Die Waltern warfen den Rabicums ebenfalls vor, nichts gegen die Ergebnisse der `Einigung von Morganabad´ unternommen, oder das für Weißbarûn sehr nachteilige Ergebnis sogar billigend in Kauf genommen, wenn nicht gar forciert, zu haben. Grimhild warf dem Seneschall gar eine bewusste Schwächung ihrer Familie vor, wie hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Entsprechend giftig wurde so auch der markgräfliche Wegevogt Rudegar von Alding beäugt, der als loyaler Parteigänger der Rabicums galt. Ob dieser hier nur für den Seneschall Auge und Ohr spielen sollte, oder auch von Amtswegen bei der Reichsvögtin vorstellig wurde, vermochte Shila nicht zu beurteilen. Ein notwendiger Ausbau des Baburinstiegs wäre durchaus ein wichtiges Thema gewesen.
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