Geschichten:Neues aus Haselhain
Geduckt und beunruhigt, auf daß sie ja kein Aufsehen erregten, schlichen die Bediensteten durch die Gänge der Burg, denn Simold, ihr Herr hatte schlechte Laune - und dies obwohl seine von ihm so sehr geliebte Schwester zugegen war. Sonst war es ihr immer vergönnt gewesen seine Ausbrüche zu mildern.
"Ist sie bay Ihm?" raunte eine Wache dem kleinen Pagen zu.
"Ja, hab isch sie doch gesähän. Abär geschtrittän habän sie - ganz arg," flüsterte Hammuth der Wache zurück.
"Ay, wohll gäht äs wiedär iebär Urtail von där Kadi, Ariana, odär Marben glaubt wiedär bässär zu wissän, wie man Baronnie fiehrt," äußerte der Ältere seinen Verdacht. Denn schließlich waren solche Reden nicht aus der Luft gegriffen: Daß es eigentlich Ariana sein soll, die die Geschicke Hassal'han Ammayins lenkte, während sich Simold aus dem meisten heraushielt und sich meist nur der perricumschen oder auch garetischen Politik widmete. Lediglich einige "Sahnestückchen" der Landesführung habe er sich herausgepickt, hieß es.
"Nayin," winkte Hammuth energisch ab. "Diesmall habän sie sisch iebär ganz anderä Dingkä geraufft."
"Woas dänn?" ging die Wache einen Schritt seitlich auf den kleinen aber Wohlinformierten zu.
"Isch, isch ´sagk nix," wich der Page, wie von Entsetzen ergriffen zurück. "Am Ändä landät alläs was isch sagk wiedär bei där Kochin. Und dann weiß Jädär..."
Die Ohren und Wangen des Jungen begannen sich zu röten: "Nä, isch sagk nix," wendete er sich um und rannte mit glühendem Kopf davon, als wären ihm die Korambestien des Barons auf den Färsen.
Als Hammuth sein Ohr erneut gegen die Tür presste, war es in dem Raum, in dem zuvor noch so heftig gestritten wurde Totenstille geworden.
Derweil standen sich drinnen die beiden Geschwister, wie bei einer Kampfpause gegenüber.
"Schwästär," beruhigte der Baron die Kadi, die noch vor wenigen Augenblicken wüsteste Beschimpfungen über ihren Bruder ergehen ließ.
"Und Du machsdt mier nur Vorwierfä, aus Angst, wie allä Wält übär Disch dänkt," schluchzte sie zornig.
"Nayin, nischt übär misch, übär Disch. Und was wier doch ändlisch erraischt habän."
"Und wo kommä isch vorr, in diesäm 'wir' - hä? So ätwas kann man nischt wägschaffän, wie damals mainä Ansprüche auf das Ärbä unseräs Vatärs, das Du jätzt hast", forderte Ariana ihren Bruder zum Reden auf.
"Isch västähe immär noch nischt, wie das passierän konntä. Isch dachte Du hast Disch darum gekiemmärt?" ging Simold wie so oft über unangenehme Fragen hinweg, indem er seinerseits Fragen stellte.
"Ställ Disch nischt dumm, Simoldtttt," knurrte sie ihn an. "Isch waiyß nämmlisch wie und wär Du bisdt, Sonst wär' das nämlisch alläs nischt passiert," kreischte sie letzteres aus sich heraus und stampfte dabei auf, daß sie mit ihrer Kastanienbraunen Mähne, wie eine losgelassene Furie wirkte.
"Wießo dumm ...?"
"LÄNK-NISCHT-AB," wurde sie hysterisch. "Isch bin kaiyn Garätti, dän Du mit Deiner Art in dän Grabän fährst. Isch bin Deine Schwästär," keuchte sie Ihre Worte hervor, vor lauter Gefühlen und Tränen gar nicht mehr in der Lage richtig sprechen zu können. Draußen hörte Hammuth, wie sich jemand im Raum bewegte. "Äs muß der Marben sein," schloß er schnell, als er die sanfte Stimme Simolds hörte.
"Isch habä Unsär Ärbä angäträtän, weil Du nischt konntäst," hatte er die Schluchzende in die Arme geschlossen, die, ob der Worte, nur noch mehr weinte. Zu schwer lastete auf einmal die Vergangenheit auf ihrer Seele.
"Isch wolltä mein ganzäs Läbän nur Pfärdä ziechtän und Ferkina jagän," fuhr er fort: "Undt was mach isch jätzt? ... Nunn zu einä gewissä Teil sind die Garätty stur wie unserä Pferd'. Abär mit die Ferkina is' wohll nix," zauberte er einen kleinen Anflug von einem Lächeln auf ihr zwerwühltes Antlitz. "Und isch habä bishär Wort gehaltän, was isch am Totänbätt unseräs Vatärs geschworrän habä: Äs wird nie eine anderä Marbena gäbän, außer Dir..."
"Ach, isch bin doch nur Korambästiendräck fier Disch. Du rufst misch doch immär nur, wänn Du in Launä biesdt und misch gebrauchän kannsdt" riß sie sich aus seiner Umarmung.
Zärtlich nahm er Ihre Hand und blickte ihr fest in die Augen: "Ariana, von Pfiffänstock-Ruchin, Baroness von Haselhain, Marbena' han Hassal'han Ammayin, Beysa von Raschia'Hal (...), Kadi des Landes von Perricum, Du wierst vor allän Anderän Mänschän fier misch immär so hoch stähän, wie Pra'os übär dän Menschän."
Ein kurzer Seufzer war ihre Antwort, als sie den Bruder darauf heftig in die Arme schloß.
"Und was tun wier jätzt?", fragte sie nach einigen Augenblicken, in welchen sie wieder etwas Fassung gewonnen hatte.
Simold schob sie sanft von sich, um sich langsam der Büste seines und Arianas Vaters zuzuwenden. Langsam schritt er darauf zu und blickte eine ganze Weile durch den einstigen Herrn von Hassal’han Ammayin hindurch, bis er wieder zum Reden ansetzte: "Isch wärdä nun dän Vatär däs Kindäs, welchäs Du da untär Dainäm Herzän trägst offizäll fier tot erklärän undt sainär Familiä mein Bädauärn übär die dadursch gäscheitärtän Heiratsverhandlungän aussprächän."