Geschichten:Nicht Blutschwester, nicht in Korgond
Nicht Blutschwester, nicht in Korgond
Uslenried, während des Korgonder Gabenfestes
Korgond war nach der Heimkehr näher an Corian herangerückt, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Tempel der gerechten Herrschaft war wiedererschienen, und das noch dazu in unmittelbarer Nachbarschaft der Uslenrieder Lande. Zwar brachte dies nur wenig Erhellung für seinen noch immer unklaren Traum aus jener Nacht, welche die des Wiedererscheinens war, wie der junge Baron inzwischen herausbekommen hatte – doch es brachte ihm Verständnis für das Bestreben seines Vaters, eines dieser Schwerter der Goldenen Au in seinen Besitz zu bringen, was ihm mit Blutschwester auch gelungen schien. Doch das Schwert war in Gareth während der Höllennacht verloren gegangen, und dennoch unter eigentümlichen Umständen wieder nach Uslenried gelangt. Eine Novizin des Blutigen Schnitters war eines Tages in der Burg aufgetaucht und behauptete, das Schwert in besagter Nacht geborgen zu haben. Jessa al Tern, die ehemalige Leibwächterin seines Vaters, hatte die Waffe wiedererkannt, selbige an sich und die junge Novizin unter ihre Fittiche genommen. Corian hatte das Schwert schließlich für sich beansprucht, nachdem er aus Mendena zurückgekehrt war, wohin ihn sein Weg unmittelbar nach dem Ritterschlag zusammen mit seinem Nordmärker Schwertvater geführt hatte.
Als die Hohen des Reiches nach Korgond gerufen wurden war er schließlich auch gefolgt und, das Schwert an der Seite, zum wiedererschienenen Tempel gereist. Er hatte die Reise so gewählt, dass er vorzeitig ankam, und beinahe ehrfürchtig war er durch die uralten Pforten geschritten – bis er einem alten Mann gegenüber stand, der sich nach seinem Begehr erkundigte.
»Ich bringe Blutschwester, die Klinge Kors unter den alten Schwertern der Au«, hatte er, auf das Knie fallend, geantwortet und dem Hüter das Schwert entgegengereicht.
Jener besah sich die Klinge, ergriff sie jedoch nicht – bis er schließlich nach einer quälend langen Minute sprach: »Das ist nicht Blutschwester.«
»Dieses Schwert ist dem Blutigen geweiht. Mehrere Priester des Schnitters haben es bestätigt!« beharrte er verwirrt.
»Das mag sein«, hatte der Hüter väterlich geantwortet, »doch Blutschwester ist es nicht. Ich würde das Schwert erkennen, doch diese Klinge ist eine andere. Mit Geduld wirst Du vielleicht ihre Geschichte in Erfahrung bringen.'«
Völlig verwirrt hatte er den Tempel verlassen, und wenig später war die Wut wieder da gewesen, gegenüber den Zeiten, den Göttern und der ganzen Welt. Wenn dieses Schwert nicht Blutschwester war, was sollte er dann hier? Immer noch voller Zorn hatte er seine Sachen genommen und Korgond hinter sich gelassen, wobei er den wenigen schon Anwesenden geflissentlich aus dem Weg ging.
Zurück in Uslenried war seine Wut über den Zwischenfall zwar verraucht, doch die Zweifel blieben. Sein Vater hatte so viel daran gesetzt, diese Waffe zu bekommen, war von Zeichen am Himmel und der geomantischen Kunst zu ihr geführt worden und hatte in dem Heiligtum schließlich gar eine Vision erhalten. All das musste eine Bedeutung haben. Die Waffe betrachtete er als sein rechtmäßiges Erbe, und auch eine erneute Untersuchung durch die Geweihtenschaft des Hofes ergab unzweifelhaft, dass das Schwert geweiht war – und zwar dem Herrn der Schlachten, wie Jessa beharrte. Doch wenn es nicht Blutschwester war, welche Geschichte steckte sonst hinter der Klinge? Warum war sie im Ehrenfelder Trollgrab verborgen gewesen, und wer hatte dies veranlasst und es mit >vereintem Blut< versiegelt? Er würde es in Erfahrung bringen, ja bringen müssen; so viel stand fest.
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