Geschichten:Nicht mit leeren Händen - Prolog III
Schloss Sonnentor, Hesinde 1043 BF:
Nach und nach verließen die hohen Damen Rimiona von Heiterfeld, Sibela von Pfiffenstock und Leonore von Vairningen das Eicherne Kabinett und auch Rymiona von Aimar-Gor erhob sich erhaben und mit der Eleganz ihres hohen Geblüts von ihrem Stuhl. Ein vielsagendes Lächeln umspielte die Mundwinkel der Alt-Aranierin. Sie war die mit Abstand Älteste dieser Runde und dennoch trieb sie ihre Pläne mit einer Geduld voran, als hätte sie noch ein ganzes Leben vor sich. Dabei wusste sie eins ganz genau, das Zeitfenster zu handeln war nicht groß. Sie kannte die politische Arena länger als die meisten hier am Hof und sie wusste wann sie wie zu agieren hatte.
Seit dem Ausbruch der Großen Fehde gehörte auch das Haus Aimar-Gor zu den Akteuren derselben – weniger aus klarer Überzeugung heraus, als vielmehr aus Notwendigkeit. Noch vor dem ersten Waffengang versammelte das Haus Aimar-Gor die Familien Heiterfeld, Pfiffenstock und Vairningen hinter sich um die Fehde zu ihrer aller Gunsten zu nutzen – der Bund der vier Eichen ward geboren und die vier Frauen waren die, die den Boden dafür bereiteten, auf dem die ausgestreute Saat sprießen sollte. Das Ziel war klar: Die Machtergreifung in der Baronie Vierok, sowie anderer wichtiger strategischer Lehen. Die vier Eichen waren es auch, die den Marktvogt trotz einiger Vorbehalte anderer von dem Eisernen Bündnis mit dem Schlund überzeugten – wohl wissend und kalkulierend, dass sie so die Vieroker Lande vor dem Einfall fremder Heere schützten.
Schon zu Beginn der Fehde war Rymiona zur Rechten Hand des kränkelnden Markvogts aufgestiegen und auch die Heiterfeld genoss bereits das Vertrauen von Barnhelm von Rabenmund. Während das Haus Berg mit der Heerführerin Ardare Rondirai vom Berg die militärischen Führung dominierte, war es auch an Savertin von Vairningen als Hauptmann wichtige Erfolge für die Kaisermark zu feiern. Doch war es vor allem die politische Arena, auf der die vier Edeldamen und somit auch der konspirative Bund der vier Eichen glänzte.
Mehrmals reisten die Aimar-Gor und die Heiterfeld an den Hof von Eslamsgrund um den Eintritt der Grafschaft in die Fehde auf Seiten der Kaisermark zu forcieren, wobei die Pfiffenstocks - in Persona von Baron Selo und seiner Vertrauten Sibela - einen stetigen Kontakt zum Schlund hielten – und diese beiden Vorhaben sollte von Erfolg und Kontinuität gekrönt werden. Doch war es nicht nur ihr Erfolg, sondern auch der von Sigman von Weyringhaus, der die Kaisermarker diplomatische Offensive begleitete und so auch den Weg für den Erfolg bereitete. Was gut war für die Kaisermark, wurde zu einem Problem für die Aimar-Gor.
Die Große Fehde hatte, das wusste eine jede Fehdepartei, zwei Dimensionen: Zum einen agierten die Akteure gemeinsam gegen jene der anderen Grafschaften um in der heimatlichen politischen Arena Einfluss zu gewinnen und ihre Grafschaft zu stärken. Zum anderen agierten die Akteure Grafschaftsintern gegeneinander um die anderen auszustechen – sei es bei der Besetzung von wichtigen Ämtern, oder bei der Vergabe von mächtigen Lehen. So standen das Haus Aimar-Gor und die Familie Weyringhaus nach außen hin gemeinsam für das Herz der garetischen Lande ein und verteidigten es wenn es sein musste auch mit ihrem Blut gegen Begehrlichkeiten von Außen. Doch im Ringen um Macht und Einfluss in der Kaisermark waren sie auch erbitterte Konkurrenten.
Vor dem Eichernen Kabinett warteten bereits Rymionas Hofdamen Sadia von Waraqis und Ramira von Barûn-Bari, sowie ihre Leibritterin Doranthe von Trenck.
Stumm marschierte die Aimar-Gor mit ihrer Entourage in Richtung ihrer Gemächer. In den lichtdurchfluteten Räumlichkeiten mit Blick auf den weitläufigen Schlosspark, warteten bereits ihre Tochter Selinde, ihre Schwiegertochter Alda, sowie Sibella und Ramin. Die Edeldame ließ sich an ihren ausladenden Schreibtisch nieder, hinter dem ein Gemälde ihrer verstorbenen Gemahls Pelion hing. Nachdem sich ihre Entourage zurückgezogen hatte und im Raum nur noch Familienmitglieder zugegen waren, erhob Rymiona das Wort.
„Das Ringen um den Eichenthron von Vierok ist im vollem Gang. Für unser Haus kann es nur dieses Streben geben. Doch, wir sind nicht allein, denn die Lande der vier Eichen wecken auch bei anderen Begehrlichkeiten.“
„Wie dem Weyringhaus!“, ergänzte Sibella kühl lächelnd. Die Edle von Auenhain galt als enge Vertraute von Rymionas Sohn Reto und hatte durch diesen gute Verbindungen zum Landadel der Goldenen Au, sowie ein feines Gespür für die politische Gemengelage. Während der Fehde konnte sie zu einer der Beraterinnen von Markvogt Barnhelm von Rabenmund aufsteigen.
„Wie mir scheint, haben die schon länger ein Auge auf Vierok geworfen. Bemerkenswert war schon die Vermählung zwischen dem Sohn des Burggrafen und diesem blutjungen Ding.“ Selinde kniff verbissen ihre Augen zusammen. Die als Bürgerschreck bekannte Tochter Rymionas entzog sich in ihren wilden Jahren wo sie nur konnte der Familienräson. Lebte als Muse und Geliebte bei dem Maler Walthard von Rohalsburg, den sie gar ehelichte und von ihm zwei Mädchen gebar. Doch in diesen besonderen Zeiten, schien das schwarze Schaf des Hauses Aimar-Gor in den Schoß der Familie zurückgekehrt zu sein.
„Der Witwer des Vierok-Mädchens lebt doch immer noch in der Baronie, allerdings … noch hat er keinen Anspruch auf selbige geltend gemacht“, gab Ramin zu bedenken. Der verwegene Perricumer Ritter diente eigentlich zusammen mit seinem Gefährten Hamedan dem jungen Baron Thorondir von Dürsten als Hausritter. Doch gepackt vom Fehdefieber, hatte sich der leicht begeisterungsfähige Recke von seinem Dienstherren eine Beurlaubung erbeten. „Wie steht es mit den sogar in Perricum sehr umtriebigen Isppernberg oder den nimmersatten Pfundt?“
„Isppernberg und Pfundt haben weder das Format noch die Größe. Sie sind Sammler der goldenen Äcker der Au und geben sich mit den Brotkrumen zufrieden. Werden sie damit Erfolg haben? Mit Sicherheit! Aber werden sie nach dem Eichenthron greifen? Mit Sicherheit nicht!“ Rymiona wusste wovon sie sprach, den das politische Parkett der Goldenen Au war ihr Zuhause geworden.
Eher zurückhaltend im Hintergrund hielt sich Alda, die Gemahlin von Rymionas Sohn Reto. Von diesem auf ein ehemaliges Lustschloss Kaiser Bardos verbannt, wurde sie aufgrund ihrer Kampffertigkeiten in den Schoß des Hauses zurückgeholt. Doch die Jahre der Verbannung und des Rauschkrautgenusses forderten ihren Tribut. Sie hatte Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, auch befielen sie immer wieder starke Stimmungsschwankungen von aktionistischer Euphorie bis lähmender Melancholie. Einzig mit dem Schwert in der Hand konnte sie einen klaren Kopf bewahren, war ihr auch schon den ein oder anderen Schlachtenerfolg eingebracht hatte. Doch die Anerkennung der Aimar-Gor blieb noch aus.
„Ich denke, es ist Sigman selber, der versuchen wird nach dem Eichenthron zu greifen.“ Die Stimme der Aimar-Gor war ruhig und gesetzt. „Ihn gilt es bei der bevorstehenden diplomatischen Mission an den Kaiserhof im Auge zu behalten. Ich werde höchstpersönlich ebenfalls dorthin reisen um am Hof den Namen unseres Hauses in aller Munde zu halten. Du, Sibella, wirst unterdessen nach Perricum an den Markgrafenhof reisen. Instruktionen erhältst du später.“ Die Angesprochene nickte.
„Der besorgniserregend schlechte Gesundheitszustand des Rabenmund kann zu einer Gefahr auf dem Schlachtfeld für die Kaisermark werden.“ Ramin zog seine Stirn in Falten.
„Auch das habe ich im Blick. Haltet ihr eure Stellungen und wartet auf Anweisungen.“
„Wer wird noch in der Kaisermärker Delegation sein“, wollte Selinde wissen, die insgeheim wohl hoffte, auch mit zu dürfen.
„Die Heiterfeld, Pfiffenstock und Vairningen. Eine Mission des Bundes der vier Eichen also.“ Rymiona lächelte wissend. „Die geschätzten Damen werden den Weyringhaus im Auge behalten und herausfinden, was er vor hat.“