Geschichten:Nie Wider Fron und Lehen - Wundverband
Der Regen hatte endlich aufgehört und die ersten nachmittäglichen Sonnenstrahlen bahnten sich langsam ihren Weg durch die sich lichtenden Wolkenwände. Auf dem großen Hof des Gutes Yossen, standen mehrere Zelte in größtenteils roten Farben. Auf einem Banner prangten drei goldene Sterne, auf rotem Grund. Einige Soldaten umstanden das provisorische Lager und beobachteten die Umgebung, die meisten anderen waren damit beschäftigt sich die Zeit mit Spielen oder schroffen Gesprächen zu vertreiben. Es sei denn sie waren verwundet. Von den ehemals drei Dutzend Kämpfern waren es nur noch 25 die nicht stöhnend in einem Zelt lagen.
Helmbrecht von Schartenstein betrachtete die bewusstlose Frau die vor ihm auf dem Boden lag mit ernstem Blick. Neben ihr hockte ein junger Mann mit einer blutverschmierten Lederschürtze. Auf einem fleckigen Tuch neben seinen Knien waren verschiedenste Instrumente ausgebreitet. Messer, Scheren und andere Schneidinstrumente. An allen klebte Blut.
Der Mann war gerade dabei das Bein der Frau zu schienen, als Koris an die Seite Helmbrechts trat, seinen Helm hatte er wie üblich unter den Arm geklemmt, seine Hellebarde ruhte locker auf seiner rechten Schulter. „Solltest du nicht erst einmal unsere eigenen Leute verarzten lassen?“ sprach er Helmbrecht mit deutlich scharfem Tonfall an. Der Schmutz und das Blut des Geplänkels klebte noch immer in seinem Gesicht.
Helmbrecht antwortete gelassen: „Normalerweise, würde ich dir zustimmen. Aber das Leben meines Vaters hängt an der Gesundheit dieser Frau. Und ob ich Junker werde oder nicht hängt an seinem Leben.“
„Deine Taktiken mögen effektiv sein,“ versetzte Koris, „aber du bist ein hohes Risiko eingegangen. Du musst die Moral deiner Leute hoch halten. Du weißt so gut wie ich, dass wir nicht genug Streiter haben um eine Burg im Sturm zu erobern.“
„Gerade deswegen brauchen wir sie lebend. Der Yossensteiner hat ein beträchtliches Druckmittel in der Hand und es ist wichtig die Waagschalen auszugleichen. Außerdem sind wir ja gleich fertig hier.“ Er wandte sich dem Feldscher zu: „Nicht wahr Doktor?“
Der angesprochene zog den Verband fest, erhob sich, wandte sich den beiden Soldaten zu und schob seinen Zwicker auf der Nase zurecht. „Sie ist schwach, Euer Wohlgeboren, aber immerhin wird sie der Wundbrand nicht dahinraffen.“ Er blickte noch einmal mit hochgezogenen Brauen zur Verwundeten und setzte hinzu: „Denke ich.“
Helmbrecht entgegenete: „Ich vertraue voll und ganz auf eure Fähigkeiten. Denkt ihr wir können die Hohe Dame aus ihrem Schlummer reißen?“
„Tut, was ihr nicht lassen könnt“ meinte der Felsdscher.
„Gut, dann seid ihr fertig hier. Ihr könnt euch nun um die anderen kümmern“ sagte Helmbrecht mit einem Seitenblick zu Koris.
Der Feldschar packte seine Instrumente zusammen, wischte sich die Hände an einem Tuch ab und verabschiedete sich mit einem Nicken von den anderen beiden. „Herr Hauptmann, Herr Weibel, auf hoffentlich nicht allzu bald.“
An Koris gewandt fragte Helmbrecht: „Wie heißt der Soldat der da so gemütlich an der Hauswand lehnt?“
„Den da?“ Koris deutete mit seinem Kinn auf einen kaum dem Knabenalter entsprungenen Jüngling mit langen blonden Haaren die er durch ein Stirnband im Zaum hielt. Mit gespielter Lässigkeit lehnte er an der Scheunenwand und wirkte als würde er versuchen einen harten Eindruck zu machen.
„Ja, der“ meinte der Hauptmann.
„Das ist Adran. Wir haben ihn vor zwei Wochen in Dornensee aufgelesen. Noch ziemlich grün hinter den Ohren, aber er ist gut trainiert. Immerhin hat er in seiner Feuertaufe nicht den Mut verloren.“
„Dann wollen wir ihm mal was zu tun geben.“ Helmbrecht rief zu dem Jungen: „Soldat Adran!“
Erschrocken rutschte der Jüngling beinahe von der Hauswand. Er brauchte einen Augenblick bis er sich gefasst hatte und eher kümmerlich Haltung annahm. „Hier, Herr Hauptmann?“
„Besorgt mir einen Bottich mit dem kältesten Wasser, dass ihr finden könnt. Ihr müsst eine Ritterin wecken!“
„Jawohl, Herr Hauptmann!“ Etwas unbeholfen rannte der Junge los.
Mit einem lauten Klatschen landete der Inhalt des Kübels auf Kelnia. Prustend fuhr sie auf, um sich so gleich wieder stöhnend vor Schmerz auf das Lager fallen zu lassen. „Was! Wer!“ gab sie von sich.
„Kor und seine Mutter zum Gruße, Hohe Dame“ begrüßte Helmbrecht die soeben Erwachte. „Nun da eure Bauern so frei waren die Waffen niederzulegen, können wir unser Gespräch von vorhin wieder aufnehmen denke ich.“
Kelnia brauchte einen Augenblick um zu realisieren wo sie sich befand und wem sie sich gegenüber sah. „Schartenstein!“ entfuhr es ihr.
„Natürlich. Ihr glaubtet doch wohl nicht etwa, dass wir euch einfach übers Nirgendmeer schleppen ließen. Keine Sorge, diese Ehre gebührt allein eurem Bruder. Wo wir gerade von ihm sprechen: Es gibt nicht zufällig etwas was ihr uns über ihn erzählen wollt? Wir wollen ihn nämlich gleich morgen einen Besuch abstatten.“
„Niemals!“ spie ihm Kelnia förmlich entgegen.
„Aber, aber, Hohe Dame. Die Schlacht ist für euch beendet. Es wird noch lange dauern, bis ihr wieder euer Schwert schwingen könnt. Dennoch könntet ihr weiteres, sinnloses Blutvergießen verhindern, wenn ihr euch kooperativ zeigen würdet. Also?“
„Ich habe Helmbrecht meine Treue geschworen! Glaubt Ihr allen Ernstes, dass ich meinen Eid so einfach breche? Selbst wenn ich wollte, ich könnte nicht. Ich bin doch kein ehrloser Söldner“, keifte sie ihn an. „Und ihr werdet niemals die Burg einnehmen. Sie wurde noch nie eingenommen.“
Kelnia sank vor Erschöpfung in ihr Lager zurück.
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