Geschichten:Perricumer Ratsgeschichten - Der Worte zu viele
Stadtvilla der Familie Zolipantessa, Reichsstadt Perricum, Später Firun 1037 BF:
Sarina von Zolipantessa stand an einem der großen Bleiglasfenster und blickte gedankenverloren hinaus. Perricum hatte sich verändert, der sogenannte `Tag der Schande´ hatte sich tief in das Bewusstsein der Stadt gegraben. Aber war es wirklich ein Tag der Schande? Dies lag wohl im Auge des Betrachters. Der Klerus, allen voran die Hochgeweihten des Efferd- und Ingerimm-Tempels, hatte hoch gepokert – und verloren. So waren die Spielregeln der hohen Politik. Es war eine Anmaßung der Priester sich so unverhohlen in die Angelegenheiten des Stadtrates einzumischen. Mehr noch, der Klerus griff offen nach der Macht in der Reichsstadt. Dies war natürlich nicht hinnehmbar. Die Aufstände gegen den Klerus kamen zur rechten Zeit und spülten die verblendeten Hochgeweihten an das andere Ufer des Darpats. Die Tempel hatten an Einfluss verloren und so war es nun um so mehr an den Pfauen sich um die Belange der Armen zu kümmern. Sarinas Mutter, die auch nach der Neuordnung ihren Sitz im Rat behalten hatte, konnte sich nun vortrefflich als gütige Mutter der Stadt stilisieren, das kam ihrer Familie zupass. Sicherlich hätte sich Sarina einen anderen Reichsvogt gewünscht, aber mit der Notstandregierung unter Odoardo von Quintian-Hohenfels konnten die Pfauen durchaus leben. Die Wissenschaften lag am Boden und die Macht des Klerus war gebrochen – genau wie es Sarina geplant hatte. Das ihre Mutter nun in zweiter Reihe die Geschicke der Stadt mitbestimmte, war zu verschmerzen, denn wer wusste schon wie lange sich Odoardo wird halten können, es standen unsichere Zeiten bevor. Die es auch kommen mag, die Pfauen waren vorbereitet. Ein Lächeln huschte über Sarinas Gesicht.
Eher beiläufig sah Sarina wie eine Person schnellen Schrittes auf die prunkvolle Stadtvilla zugelaufen kam. Es war ihre Tante Thyra. Eine lästige Person wie Sarina empfand. Durch und durch von dem Glauben an die stürmische Rondra beseelt, aber dennoch eine gebrochene Frau, verlor sie doch bereits früh ihren Gemahl – einen Geweihten der Stürmischen – sowie ihren nicht weniger rondragefälligen Sohn.
Es vergingen nur wenige Momente, da klopfte es bereits an der Tür des Salons und Thyra von Zolipantessa trat ein. Sarina begrüßte mit gekonnt aufgesetzten Lächeln ihren Gast.
„Meine liebe Tante, schön dich zu sehen.“ Sarina deutete einen Kuss auf die rechte und linke Wange an. „Bitte setze dich!“ Die beiden Damen setzten sich auf ein weiches Sofa.
„Ach Sarina, ich weiß nicht mehr weiter“, begann sie seufzend und hielt dabei die Hand ihrer Nichte, „mir ist gar Ungeheuerliches zu Ohren gekommen und da habe ich etwas nachgeforscht... ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll, aber rechtschaffen wie du bist hast du das Recht die Wahrheit zu hören.“
„Fahre fort, liebste Tante.“ Sarina verzog keine Miene.
„Es geht um deine Mutter“, die Hauptfrau a.D der perricumer Stadtgarde schaute Sarina mitleidig an. „Sie ist nicht die treusorgenden Mutter der Stadt, sie ist... ich habe Grund zur Annahme, dass sie für die Aufstände in der Stadt verantwortlich ist um so den Klerus zu stürzen. So, nun ist es raus.“ Thyra atmete erleichtert aus.
„Hast du dafür Beweise?“ Sarina stand auf und ging zu einem kleinen Tischchen mit mehreren filigran gearbeiteten Gläsern und Karaffen. Sie schenkte sich ein Glas Wein ein. „Auf den Schock, für dich auch?“ Thyra nickte und Sarina schenkte ihrer Tante aus einer zweiten Karaffe ein.
„Noch habe ich nichts stichhaltiges, aber ich werde es herausfinden. Es ist undenkbar, unsere Familie als Agitator gegen die Zwölfgöttliche Ordnung? Sie hat mir versichert die Rabicum zu unterstützen und nun sowas? Das dürfen wir deiner Mutter nicht durchgehen lassen. Ich werde mich ebenfalls an den Exilrat in Dergelmund wenden, die haben ein Recht es zu erfahren.“ Thyra wirkte entschlossen.
Sarina ließ sich nun wieder auf dem Sofa neben ihrer Tante nieder und überreichte ihr eines der Gläschen mit Wein und beide tranken einen Schluck.
„Liebste Tante, ich bin dir für deine Informationen sehr dankbar und ich werde entsprechend handeln.“ Die Angesprochene wirkte zufrieden. „Doch irrst du in einem Punkt, nicht meine Mutter hat den Pöbel aufgewiegelt, sondern ich.“ Sarina blickte ihrer Tante tief in die Augen, die diese weit aufriss. Sie wollte wohl noch etwas sagen, doch quoll aus ihrem Mund bereits weißer Schaum und erstickte jedes Wort. „Nun liebste Tante, ich denke es ist der Worte genug gesprochen.“ Sarina legte ihren Arm um die Schulter ihrer Tante und leitete den sterbenden Körper sich zur letzten Ruhe zu betten, während weit aufgerissene Augen sie immer noch anstarrten.