Geschichten:Pulether Fehde - Teil 29: Zorn eines Grafen

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Festung Feidewald, Rahja 1029 BF


Ludorand hatte seinen Bericht zusammengestellt und war nun auf dem Weg zum Arbeitszimmer Graf Geismars. Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit.

Zaghaft betrat er das Zimmer. Der Graf erwartete ihn mit seinen Vettern Werdomer und Anselm. Ludorand redete sich ein, dass sie wissen mussten, dass ihn keine Schuld an den Vorgängen getroffen hatte. „Euer Hochwohlgeboren!“ wandte er sich an den Graf. „Euer Hochgeboren Werdomar! Euer Hochgeboren Anselm!“ Er nickte den beiden Angesprochenen zu. „Die Lage in der Grafschaft ist mittlerweile wieder etwas beruhigt. Im Einzelnen: Aus Bärenau haben wir bisher keine weiteren Berichte, aber dort sind die hohen Herren besser informiert als ich. Aus Natzungen, Puleth und Reichsgau erreichen uns keine Neuigkeiten. In Hutt hat es Jolea von Schwingenfels mit Linai von Katterquell geschafft einige Güter, welche von Luidoristen besetzt waren, einzunehmen. Jolea hat sich mit ihren Truppen mittlerweile zum Wehrkloster zurückgezogen. Linai hat ihre Truppen nach Katterquell zurückgeführt. In Rabensbrück auf Burg Rabenberg wurde Kelnian von Windischgrütz von meinem Vetter im Duell getötet. In Feidewald…“

„Euer Vetter hat also dieses Duell gewonnen?“ fragte der Graf mit tonloser Stimme.

Ludorand hatte gehofft, dass er dieses leidige Thema irgendwie umschiffen könnte, doch war die Nachricht vom Tode des Grützers bestimmt schon ans Ohr Graf Geismars gelangt. Ludorand schluckte: „Ja, Euer Hochwohlgeboren, das Duell wurde gewonnen. Aber für meinen militärischen Lagebericht hat dies keine allzu große Bedeutung.“

„Da es Euer Vetter war, der das Duell ausgefochten hat, ist es von Bedeutung!“

„Nun, mein Vetter hat gewiss einen schwerwiegenden Fehler begangen, der nicht verzeihlich ist…“

„Ich hatte Euch befohlen, ihm seinen Platz zu weisen“, fuhr Graf Geismar zornig auf. „Ihr habt versagt.“

„Nun, ich habe…“

„Gar nichts habt Ihr!“ warf der Graf erneut dazwischen. „Seid Ihr mein Zeugmeister?"

„Ja, mein Graf, das bin ich!“

„Und seid Ihr das Oberhaupt der Schwingenfelser?“

„Auch das bin ich, mein Graf?“ erwiderte Ludorand schwach. Schweiß war ihm mittlerweile auf die Stirn getreten.

Graf Geismar erhob sich. „Nun, dann hört mir gut zu! Ich werde dies nur einmal sagen: Wenn Ihr mich erneut enttäuscht, dann werde ich Euch am höchsten Baume Feidewalds aufknüpfen und Euren Vetter direkt daneben! Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Ludorands Stimme war fast nur ein Flüstern: „Ja, Euer Hochwohlgeboren!“

„Dann geht mir jetzt aus den Augen!“ schnaubte der Graf.

Nachdem sich der Schwingenfelser entfernt hatte, war der Zorn des Grafen immer noch nicht verebbt. „Das ist eine Katastrophe! Dieser Hadrumir hatte Luidor mit runtergelassenen Hosen erwischt! Raulgard und ihre Tochter waren tausend Eleonas wert! Treibt es dieser Bastard heimlich mit seiner Kusine, dass ihm soviel an ihr liegt?“

Werdomar blickte betreten zu Anselm, welcher zu einer Erwiderung ansetzte: „Ich denke, dass es einfache Treue war, die den Schwingenfelser dazu gebracht haben, die Bedingungen zu akzeptieren.“

Graf Geismar war erbost: „Und was ist mit seiner Treue mir gegenüber?“

Anselm wusste, dass er besser nicht den Grafen reizen sollte, dennoch antwortete er ruhig: „Der Schwingenfelser hat sie mehr als einmal bewiesen. Ihr habt ihn vor Puleth vor eine schwierige Aufgabe gestellt und er hat sie gelöst. Mut kann man ihm nicht absprechen!“

„Dieser Mut nutzt ihm nun auch nichts mehr! Ich brauche loyale Männer!“ warf der Graf ein.

Anselm merkte, dass sich der Graf in seiner Wut zu einem Fehler hinreißen ließ, wenn er jetzt nicht handelte. „Euer Hochwohlgeboren! Ja, Ihr braucht loyale Männer! Und vielleicht mögen die Handlungen des Schwingenfelsers nicht loyal Euch gegenüber gewesen sein, sie waren aber loyal gegenüber seiner Familie. Wenn Ihr ihn dafür jetzt straft, dann werden Eure Vasallen fragen, weshalb Ihr Treue verlangt, wenn Eure Vasallen nicht ihren Familien treu sein dürfen.“

Für einen Augenblick glaubte Anselm, dass Geismar ihm an die Gurgel gehen wollte, als Werdomar einwarf: „Er hat Recht! Man wird Euch diesbezüglich in Frage stellen!“

Geismar schaute ungläubig von einem zum anderem und schrie: „Wollt ihr mir damit etwa sagen, dass ich diesem Bastard das durchgehen lassen soll?“

„Nein“, warf Anselm ein. „Befehligt ihn nach Orbetreu zurück. Und dort soll er bleiben, bis er neue Order erhält! Hält er sich daran, gut! Hält er sich nicht daran, dann könnt Ihr ihm Untreue vorwerfen ohne von irgendwem in Frage gestellt zu werden.“

Geismar nickte: „Also dann, überbringt ihm diesen Befehl!“

Als Anselm das Arbeitszimmer des Grafen verließ, wusste er, dass er dem Schwingenfelser beizeiten mitteilen musste, wer seinen Kopf aus der Schlinge gezogen hatte. ’Und die Gegenleistung dafür wird nicht niedrig sein!’ dachte er bei sich.