Geschichten:Rachedurst Teil 1
Gräfliche Pfalz Zwingzahn, Pfalzgrafschaft Reichsgau, Grafschaft Hartsteen, Anfang Tsa 1027 BF
Bereits seit einer ganzen Stunde saß Bernhelm von Wetterfels reglos an seinem breiten Tisch aus Kiefernholz und starrte auf das Schriftstück in seinen Händen. Schließlich legte er den Papierbogen behutsam auf die lederne Mappe, aus der er ihn genommen hatte. Seine rechte Hand tastete kurz nach dem schweren Kelch und fand ihn auch, um ihn zügig zu seinem Mund zu führen.
Die Tür öffnete sich leise und der Junker von Firunshöh trat ein. Er glättete seinen Wappenrock und räusperte sich leise.
„Ihr hattet nach mir rufen lassen, mein Gebieter?“
Der Graf reagierte langsam und sah schließlich auf. „Recht so, trete er doch näher.“
Wiederum vergingen einige Momente des Schweigens bis Bernhelm sich von seinen Gedankenspielen lösen konnte. „Unser höchst geschätzter Freund aus Greifenfurt hat uns geantwortet und in seinem Brief finden sich äußerst aufschlussreiche Details. Doch mich dünkt, dass man sich darum erst später kümmern sollte. Der Spitzel, den Ihr aufgetrieben habt, hat mir ebenfalls sehr delikate Dinge berichtet.“ In der Stimme des Grafen schwang eine Note mit, die für von Firunshöh schwer zu deuten war.
„Was gedenkt Ihr zu tun, mein Herr, wenn Ihr mir die Frage erlauben würdet?“ Die Neugier des Junkers war geweckt worden, denn auch er brannte seit der unseligen Begegnung mit den Pulethanern vor den Toren der gräflichen Pfalz zu Wetterfels, auf eine passende Gelegenheit sich zu revanchieren.
Mit einem Mal erhob sich der sonst schwerfällig wirkende Graf von seinem hochlehnigen Stuhl. Seine Augen leuchteten lebhaft und die Ader an seinem Hals war vor Aufregung dick geschwollen. „Wir sitzen jetzt schon Monde herum und zermartern uns den Schädel, wie wir es diesen Schurken mit gleicher Münze heimzahlen können. Ich sind es leid, nur herum zu hocken und politische Eventualitäten abzuwägen!“ Die Stimme des Grafen verwandelte sich in ein bedrohliches Knurren. „Der Reichsbehüter bestallte mich nicht zu seinem Lehnsmann, weil ich stets wartete und meinen Tatendrang im Zaum hielt!“
Der Junker verneigte sich respektvoll. „Ihr habt natürlich Recht, mein Herr, aber überlegt doch, ob wir nicht...“
„Genug von diesem Unfug!“ fiel Bernhelm seinem Untergebenen harsch ins Wort. „Ruft unsere Ritter zusammen, sattelt die Rösser, noch heute werden wir aufbrechen! Sagt Eurem Bruder Vicarius, dass er in der Zeit unserer Abwesenheit meinem Vogt bei der Verwaltung der Pfalz zur Hand gehen soll.“
Die letzte Lethargie schien binnen einem Herzschlag von Wetterfels abgefallen zu sein. Die alte Kraft, die ihn auf den Schlachtfeldern der Vergangenheit von Sieg zu Sieg geführt hatte, schien wieder durch seine Adern zu pulsieren und seinen Geist mit Leben zu erfüllen.
Radulf von Firunshöh nickte beflissen und drehte sich zackig um, um sofort den Befehl seines Dienstherren auszuführen, als die Bassstimme des Pfalzgrafen wieder durch den hohen Raum tönte: „Ach Junker, noch etwas.“
Der Angesprochene hielt inne, drehte sich erneut um und verneigte sich knapp. „Wie kann ich Euch noch zu Diensten sein?“
„Sollte dieser Spitzel nicht Recht behalten mit seinen Behauptungen, wisst Ihr doch, dass mich das äußerst ärgerlich und ungehalten stimmen könnte.“
Junker von Firunshöh schluckte schwer und versicherte dem Grafen eilig, dass alles bestimmt so sein würde, wie der Spion es berichtet hatte. Dann verließ er mit hastigen Schritten das Arbeitszimmer.