Geschichten:Rahjas Tränen - Kollateralschaden

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Baronie Gnitzenkuhl, Dorf Alriksweiler

„…un die Schürz‘ die er anhat, is‘ auch nagelneu. Ich sag dir, das is‘ nich‘ das bill‘ge Leder vom ollen Wahnfried. Ne, das hatter sich man schön, inne Stadt gekauft.“

Gebeugt von dem Tagwerk, das schon hinter ihm lag, nickte der Bauer und brummelte zunächst unverständlich etwas zu dem unangenehm auf ihn eindringenden Redeschwall seiner Frau. Auf ihren feurigen Blick hin, meinte er dann:

„Gibbet immer nen Grund für Friedgunde…“ setzte er an, „ die Arbeit jeht ihm eben nisch aus…“

Doch er hatte schlechte Karten, wenn er glaubte einer neuerlichen Schimpftirade zu entgehen.

„Siebn Götterläuf isses nun her, dass ich mit dir den Bund begangn hab. Kein Jahr bisher war so, wie dus immer wieder versprochen hast. Wo is' die zweite Kuh, von der du schon in der Hochzeitsnacht gefaselt hast, was is‘ aus der Kammer geworden für deine, für unsre Kinder? Noch immer is der Stich bis zur Straße so schlecht, dass wir den Karren nur bei trocknem Wetter gut durch kriegn. Keiner sonst will hier inner Gass‘ wohnen wo nur die olle Isora wohnt. Hätt ich nur nich so Flausn im Kopf gehabt als jungs Ding. Dann hätt ich heut nicht Händ vonner altn Frau, sondern würd wie die Olmerga sogar ein Praiostagsgewand ham, und alle meine Kinder auch! Immer satt, und nicht nur krumm und bucklig.“

Sie stellte mit einem Scheppern den Eimer mit den Abfällen neben seinen Schemel. Mechanisch, als sei damit etwas ins Rollen geraten, was ihn dazu veranlaßte aufzustehen, erhob er sich, und griff nach dem Henkel des Eimers, den sein Vater schon benutzt hatte. Der hatte es gut- auf dem Altenteil hockte er in seiner Kammer und hatte seine Ruhe! Fast taub war er, der Glückliche.

Schlurfend verließ er die düstere Stube durch die Hintertür und ging rüber zum Schweinekoben. Sein Kommen wurde ausgiebig grunzend begrüßt, und er fühlte sich hier willkommener, als wenn er vom Feld heim kam. Schon aus einiger Entfernung hörte er mit einem Mal ein Pferd im Galopp auf dem Weg davon laufen. Sicher wieder einer dieser Nebachoten aus Rotfurt. Die Geräusche der Nacht übten eine wohltuende Wirkung auf ihn aus- Ruhe, endlich!

Mit einem Mal ertönte ein merkwürdiger, rasselnder Laut aus dem Dunkel. Es schauderte ihn kurz. Leise, und unheimlich fremd hatte das geklungen. Der Hund schlug an und kläffte an seiner Kette, die sich rasselnd spannte unter seinem Ansturm. Müde und verdrossen über die neuerliche Störung blickte er ins Dunkel, und versuchte etwas zu erkennen. Das Madamal lag verborgen hinter Wolken, also gab er das Ansinnen bald auf. Brummend kontrollierte er bei seinem Kontrollgang noch einmal die Klappe, die den Hühnerstall verschloß. Auch die Stalltür, und den Heuschober. Alles dicht! Sicher wieder nur einer der Füchse! Morgen würden wieder Spuren von ihm um den Auslauf sein, dafür würde er sein gesundes Auge verwetten. Das andere tränte seit einem Unfall beständig, und bisweilen konnte er kaum was erkennen mit ihm. Nach weiterem Lauschen, und keinen neuen Geräuschen, seufzte er laut aus. Dann klopfte Brogar im Vorbeigehen Rico dem jungen Rüden noch den Kopf, der das mit einem freudigen Wedeln und einem Fiepen beantwortete.

Unwillig, und nur weil das Bett ihn lockte, ging er wieder in die ärmliche Stube. ‚Recht hatte das Weib, doch was tat man nicht, für die kurzen Momente eines möglichen Glücks in der Jugend? Er hatte sie gewollt, nun mußte er damit Leben!‘


Früh am morgen fand der Knecht die alte Isora, wie sie bäuchlings auf dem Karrenweg lag. Umgedreht erkannte man eine große Wunde auf ihrer Stirn. und auch sonst sah sie scheußlich aus, vermutlich unglücklich gefallen lautete das Urteil des Dorfschulzen. Bald schon ging man wieder seiner Hände Arbeit nach. Nur Brogar stand bisweilen auf dem Feld, und schaute in die Richtung, in die das Pferd verschwunden war.