Geschichten:Raubritter
Hörner erschallten in den sanften Hügeln um Schloss Murmelstein, als der Reiter im fahlen Licht Madas sein Pferd zum Äußersten antrieb. Es gab nur ein mögliches Ziel, gen Dragenfels. Alles andere war für den Junker jetzt Feindesland. Was war nur schief gelaufen?
Es hatte so gut begonnen. Ungefähr im Wochenabstand hatte er mit seinen Leuten die immer noch recht gut gefüllten Lager in Erlenstamm geplündert und große Mengen Waren erbeutet, die er in den von Söldnern verwüsteten Regionen im Nordosten des Schlunds hervorragend zu barer Münze machen konnte. Die Baronin hatte nie genug Truppen um an allen Orten gleichzeitig zu sein. Dazu halfen ihm seine Kontakte im einfachen Volk, vor allem bei den arg gebeutelten Zwergen, um einen ziemlich genauen Überblick über die Pläne und Truppen der Baronin zu behalten.
„Phex ist mit den Tapferen“ hatte man ihm von klein auf eingebläut, aber heute ließ er seine Sterne spöttisch auf den Junker herabfunkeln, als hinter den Hügeln kleine Reitertruppen auftauchten, die ihm den Heimweg abschneiden würden. Das hatte sie also auch geahnt? Es musste der alte Zwerg gewesen sein.
Der alte Zwerg. Irgendwie hatte sie ihn gekauft oder erpresst. Welch eine Heimtücke! Wie konnte man auch erwarten, dass für diese ausgewiesene Zwergenhasserin gerade ein Zwerg arbeiten würde. Es hatte aber auch alles zu einfach geklungen. Diese Alissa sollte fast alleine auf Murmelstein sein, zu geheimen Verhandlungen mit der Natter. Ein idealer Zeitpunkt für eine Entführung. Das wäre die zweite Person aus der Erlenstammer Brut gewesen, die er als Geisel für einen Frieden hätte eintauschen können.
Stattdessen hatte sie ihn mit ihren Waldläufern erwartet, als er (nachdem er den einzelnen verschlafenen Wächter vor dem Tor mit einem Fausthieb in Borons Reich befördert hatte) siegesbewusst in den Schlosshof stürmte. Seine Rüstung hatte den Großteil der Schläge abgefangen. So wie er es in der schweren Infanterie gelernt hatte, bremste er nicht ab, sondern brach durch ihre Reihen hindurch und warf sich hinter ihnen über die Schlossmauer, auf der Seite, wo er eh sein Pferd versteckt hatte.
Nur hatte sie die Flucht wohl auch erwartet. Zumindest die Baronin, bei Ihrer Nichte war er sich nicht so sicher. Die Reiter sahen jedenfalls mehr nach den persönlichen Häschern der alten Hexe aus.
Es blieb nur noch ein Ausweg. Direkt nach Südosten, in die Ausläufer des Walls. Das würde ein Ritt auf dem Dämon werden, auf Passstraßen, die er selbst bei Tageslicht lieber in langsamen Trab bewältigen würde. Die Baronin sollte ihn nicht kriegen. Phex wird mit den Tapferen sein!