Geschichten:Rot und Schwarz 20 – Erneut im grünen Drachen
Gasthaus zum Grünen Drachen, am 15 Efferd 1037BF.
Avallona von Monserval nippte am Becher mit dem verwässerten Höllinger. Zugegebener Maßen fühlte sie sich ein wenig Unwohl. Die Baronin weilte nun seit Wochen in Gareth bei ihrer Familie, und der Höllenwaller agierte derweil ungeniert willkürlich in seinen Landen. Der Fall der Garms war rundgegangen wie ein Wildfeuer. Waren nun jetzt sie und ihr Haus dran? Nichts würde Malepartus aufhalten sich zur Not Fakten zu schaffen wie er es wollte. Doch eigentlich gab es keinen Anlass, noch nie hatten sich die Helburger mit ihrem Haus so gut verstanden, wie zu dieser Zeit. Daran trug jedoch maßgeblich die Baronin bei, und die weilte in der Ferne. Die Ereignisse hatten sich seit ihrem letzten Aufenthalt im Grünen Drachen überrollt. Ihr klangen ihre eigenen Worte noch in den Ohren, wie sie den aufgebrachten Garm Baldus warnte, vergebens. Kurz darauf fand er den Tod durch räuberische Ferkinas. War dies wirklich ein Zufall? Avallona mochte daran nicht glauben, zu viele dieser Zufälle waren aufgetreten, seit dem Amtsantritt Malepartus als Baron dieser Lande. Durchtrieben, hinterrücks und tödlich war allein schon dessen Schwester Magnata, die Vögtin.
Eladrin hatte ihr das Gerücht erzählt, die Helburger würden nun daran gehen, alle Familien aus den Ämtern zu drängen und aus dem Land zu jagen. Sie atmete tief durch, die Monserval hatten schon viel überlebt, sie würden auch den Höllenwaller überleben. Das zumindest hoffte sie.
Erneut betrachtete sie die alte Tischplatte, welch Schwüre hatte man hier einst eingeritzt. Lange her und vergessen. Würde sie heute für ihre damalige Entscheidung bezahlen?
Ein Klopfen riss sie aus den Gedanken, bevor sie reagierte wurde jedoch bereits die Tür geöffnet und im Rot-Schwarzen Waffenrock betrat der Höllenwaller das Hinterzimmer. Malepartus war in die Jahre gekommen, wie sie alle. Sie musste schmunzeln als sie den grauen Kinnbart sah. Ja es war nicht zu übersehen, die Blüte war dahin.
„Rondra zum Gruß Hochgeboren!“
„Praios zum Dank, werteste Dame!“, mit elegantem Schwung nahm der Baron das Barett vom Kopf und setze sich an den Tisch. Avallona konnte mit scharfem Blick erkennen, dass die Schnallen am Kürass in den letzten Löchern der Riemen befestigt waren. Es stimmte also was man sagte, seit dem Wall hatte der Baron einen unnatürlich großen Hunger, ganz wie ihr Sohn Alrond. Und auch einen nicht minder großen Zorn. Vorsicht war geboten.
Der neue Leibdiener Malepartus brachte ein silbernes Tablett mit einem Krug Wein, zwei Bechern und Schmalz und Brot herein. Henkersmahlzeit, schoss es Avallona unwillkürlich durch den Kopf.
Ungehemmt schmierte sich sodann der Höllenwaller ein paar Schnitten, goss besten Almadaner Rotwein ein und bot ihr von alledem an. Avallona hatte es die Sprache verschlagen, wüsste sie es nicht besser wem sie da gegenüber saß, sie würde meinen sie befände sich im engsten Kreise der Familie.
„Ganz schön runtergekommen, was?“, sprach der Höllenwaller, und betrachtete die nackten Bretterwände. Avallona nickte nur, wie einiges seit deiner Herrschaft dachte sie.
„Ich muss leider zugeben, dass sich nicht immer alles so entwickelt hat wie ich mir das vorgestellt habe. Ihr wisst schon, die Sache mit dem Müller und so. Und auch die Verwaltung des Lehens lässt zu wünschen übrig, meine gute Schwester hat alle Hände voll zu tun und mangelnde Kontrolle sorgt für Schlampereien, selbst wenn es die eigenen Familienmitglieder sind.“
Sie traute ihren Ohren nicht, solch Vertraulichkeit konnte sie nicht fassen. Was in der Zwölfen Namen hatte er vor?
„Nun sind es schon fünfzehn Jahre, die ich als Baron von Höllenwall herrsche. Und auch wenn ich Höllenwall über die Grenzen der Grafschaft hinaus bekannt gemacht habe, ist es mir doch nicht gelungen im eigenen Land die Dinge zum besseren zu wenden. Man meint ja fast die verträumten Nymer würden noch immer schalten und walten.“
Das meinst auch nur du, der Schrecken deiner Meute liegt wie ein würgender Schatten über dem Land. Ihr herrscht durch Furcht, nicht durch die Achtung des Volkes. Avallona biss sich auf die Zunge, lass dich ja nicht zu einer ungestümen Erwiderung hinreißen.
„Ich habe vor zu diesem meinem kleinen Thronjubiläum einiges zu ändern. Ich verpasse der Baronie ein neues Gesicht, eine bessere Verwaltung wird eingesetzt werden. Es wird Zeit alte Bärte abzuschneiden. Und auch wenn ich die Bürokratie eines Reto verabscheue, so gibt es zumindest ein paar Grundzüge dieser Politik denen ich beipflichten muss. Wenn man korrumpierenden Wildwuchs und ritterlichen Despotismus verhindern möchte.“
Wir sind erledigt, dachte Avallona und wurde totenbleich. Ihre Regungen waren Malepartus nicht entgangen, auch wenn er darauf in keinerlei Art und Weise einging. Im freundlichen wie vertrauten Ton fuhr er fort.
„Zu diesem Behufe werde ich meine Lande in Vogteien unterteilen, insgesamt Vier wird es fürderhin geben. Mein Junkertum und natürlich das Ordensland bleiben davon unberührt. Wobei ich auch keine Rücksicht nehme auf historische Gegebenheiten, zumindest nicht in erster Linie. Meine Schwester Magnata bleibt weiterhin die Lehensvögtin, und zugleich der Schultheiß der Stadt Höllenwall. Alle anderen Vögte sind ihr unterstellt. Meine Gemahlin, Mora von Helburg und Morganus Cordovan von Helburg werden drei der zukünftigen Vogteien für mich verwalten. Größere Orte bekommen zudem einen Schultheiß gestellt. Aber die Details brauchen euch nicht zu kümmern. Vielmehr geht es um die Vogtei Dornbusch.“
„Dornbusch?“, ihre Stimme war nur noch ein kleines Wispern.
„Ja Dornbusch, und somit jene Gebiete in denen die Rittergüter liegen mit denen ich euch belehnt habe. Die Vogtei umfasst Trollbing, Gobwyl, Zwergau und die benannten Rittergüter Monsbach, Marmoria und Muspellgrund.“
Ihr schwindelte, sie bekam keinen klaren Gedanken mehr zustande. Er machte nun den Malagant zum Vogt, für seine Hilfe das Haus Garm zu stürzen. Sie musste sich beherrschen nicht aufzuspringen und dem Höllenwaller den Kragen abzudrehen. Aber sie besann sich eines besseren.
Derweil kramte der Baron ein Dokument aus seiner Rohrtasche am Gürtel und breitete es vorsichtig aus. Geschmückt war es mit einem Schwarzweißen Wappen, und es war auch bereits gesiegelt. Mit einem Grinsen schob er ihr das Dokument über den Tisch zu. Sie nahm es zu ihrem eigenen Ärger mit leicht zittrigen Händen auf und überflog die Zeilen. Sie stutzte bereits nach den ersten Sätzen und lass nun konzentriert das Dokument durch. Baff legte sie es nieder und starrte den Höllenwaller an: “Das ist nicht euer Ernst?“.
„Oh doch meine werte Dame, dass ist er. Ich lasse euch sieben Praiosläufe für eure Entscheidung. Besprecht es ruhig mit eurer Familie. Aber ansonsten mit keinem anderen. Der Rest erfährt es früh genug. Travia zum Gruß und bis bald.“, stand auf, grüßte und ging.
Avallona blieb allein zurück, ihr Herz klopfte wie wild. In Ruhe lass sie das Dokument nochmals durch, gönnte sich den restlichen Wein und packte dann zusammen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, anscheinend waren nicht alle alten Schwüre vergessen oder vergebens gewesen. Sie blickte nochmals auf die Tischplatte mit dem rahjagefälligen Symbol, darin der erste und dreizehnte Buchstabe der Garether Schrift, eng miteinander verschlungen.
◅ | Zweifel ausräumen |
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Höllenwaller Konvent | ▻ |