Geschichten:Rubinennacht

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Hotel Seelander, ein verschwiegenes Hinterzimmer


»Ah, da kommt ja mein Mann des Abends! Herein, herein, los, kusch Herdanika, mach Platz für meinen Gast.«

Der dickbäuchige Südländer ließ sich dankbar neben dem jungen Gecken nieder. Seidenkissen wurden zur Seite geräumt, ein kurzer Wink ließ von dem Knaben im Livree eine weitere Wasserpfeife mit harzig-duftigem Inhalt erscheinen, die Tänzerinnen (inzwischen ihre Blöße nicht einmal mehr gespielt schamhaft versteckt) passten ihre kreisenden Bewegungen den tulamidisch wirkenden Rhythmen des mohischen Trommelspielers an.

»Die Kaisermetropole verliert langsam ihren Glanz. Der Pöbel regiert die Hauptstadt und der Blick des Adels, und damit des Goldes, wandert dieser Tage nicht mehr ausschließlich auf die Stadt Rauls des Großen und seines Greifenthrons. « Mit einem gespieltem Seufzer unterbrach sich der Geck selber. Ein hintersinniges Lächeln umspielte seine Lippen. »Wenn wenigstens der Abschaum der Stadt nun ebenfalls in die Provinz abwatscheln würde, aber nein. Der feiste Abelmir, der bleibt, Jungs und Mädels.«

Die Imitation des Krugelbergers war schlecht geraten und kaum zu erkennen, aber jeder im Raum wusste, wer Ziel des Spottes war, und so erklang von den wenigen anderen Plätzen ein leises Lachen. Stand doch nichts in so großem Maße für das alte Gareth wie die peinlichen Eskapaden der Freunde der Kurtzweyl. Hier, in diesen Kreisen, verachtete man diese Menschen von ganzem Herzen.

»Harika, meine sündige Süße, komm und hol uns Durstigen noch eine Karaffe Wein, ja?«

Inzwischen hatte es sich der Neuankömmling bequem gemacht, und paffte an dem strengen Kraut in seiner Pfeife, während sich der Geck lasziv auf seinem niedrigen Sofa räkelte.

»Du Armer, du musst dich im Reichsforst furchtbar langweilen, als ob man dich in die Wüste verbannt hätte. Halt, nein. Die Wüste kennt wenigstens noch ihre Novadis und einen ordentlichen Sinnesrausch. Ich sage dir, es gibt kaum etwas Besseres als einen freigiebigen Kalifen, der dir nach einem guten Geschäft die Tore zu seinen Harem in seinem Wüstenzelt öffnet. Hast du je die Nacht mit diesen süßen Träubchen verbracht, ehrlich, diese blasse Alrika hier, dieses bleiche Gassenluder aus Meilersgrund, dem man die Kotspritzer der Stadtrittergassen fünf Meilen gegen den Wind noch anmerkt, ekeln dich dann nur noch an.«

»Wie gut ist es dann, dass wir beide uns am aversio erfreuen«, erwiderte mit breitem südländischen Akzent der Schmerbauch, was ihm von einigen Seiten ein anerkennendes Nicken zutrug. »Aber du hast Recht. Ich hatte wirklich unterschätzt, wie subagrestis das Raulsche Reich außerhalb der Kaisermetropole doch ist. Erst gerade komme ich wohl von der schlimmsten Veranstaltung, die man sich imaginieren kann. Ich dachte, ich stürbe, als ich mich in Raulsknochen unter all diesen stinkenden circulatrizes und mercatorizes zu vergammeln glaubte. Überdies ist wohl kein Flecken von einer derartigen horriden Hässlichkeit wie der Knochen vom Raul. Ja, kein Wunder, Fleisch gibt es dort nicht zu finden, nur öde, hässliche, stinkende Knochen.«

»Aber erfolgreich bist du gewesen, Glasermeister, oder?« Wie geistesabwesend ließ der Geck seine Hände über die üppigen und wohlgeformten Brüste der beiden blonden Tänzerinnen wandern, hinab über die Bauchnabel in die rasierte und parfümierte Scham, wo seine Finger kraulend zur Ruhe kamen.

»Erfolgreich? Aber ja. Das Sortiment ist leergekauft. Die vicani waren nahezu begeistert von den kleinen Störchen und Füchschen, den Eidechschen und Stütchen, den Löwen, Greifen und Bären. Ich will nicht wissen, wie viele dieser Leute nun eine Waldsteiner Götterfigurette auf ihrem Heimaltar stehen hat, bezaubert von ihren überderischen Reizen.«

Der Südländer verfiel in ein ausgiebiges Lachen, in das nacheinander alle anderen mit einfielen.

»Gut. Sehr gut«, stöhnte der Geck mehr denn als er antwortete. Die zwei Frauenkörper neben ihm schienen wie in tiefe Trance verfallen zu sein und leise Zuckungen durchzogen ihre Gesichter. »Alles läuft nach Plan. Lehn dich jetzt zurück und versorge dich mit dem Notwendigsten, bevor du zurück musst in die Reichsforster Tristesse. Wohlan, Horatino«, hob er seine Stimme an. Der Knabe im Livree, der mit erstarrter Miene dem Schauspiel des Abends gefolgt war, erwachte aus seinem wachen Schlaf.

Die Augen auf das Goldstück geheftet folgte sein Blick der Bewegung der Hand des Gecken, der die Münze aus seinem Geldbeutel gezaubert hatte und nun durch die Luft warf. Sie folgten der Münze zu dem Fettwanst aus dem Süden Aventuriens, der sich mit einem breiten Grinsen den Hosenbund gelockert hatte und ihn nun mit einer eindeutigen Fingerbewegung zu sich berief. Um sich mit dem Notwendigsten für eine lange und entbehrungsreiche Zeit im Reichsforst zu versorgen.