Geschichten:Schäumende Wasser - Bunte Lichter von Perricum

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Reichsstadt Pericum, 1. Efferd 1043 BF

Es war für ihn schon ein erhabener Anblick, all die vielen Lichter, die den abendlichen Korallengärten erhellten. Unzählige Perricumer und Auswärtige stromerten durch den ausgedehnten Park und am Darpatstieg entlang. Viele trugen kleine Lichter oder Laternen bei sich. Die meisten dieser Laternen zeigten Kreaturen aus Efferds Reich, eine typisch Perricumer Eigenheit, Feuerlaternen in Gestalt von Seegetier, sowas gab's nur hier. Die ganze Stadt schien auf den Beinen, war das Fest der bunten Lichter doch eines der bedeutendsten in der Reichsstadt.

Der junge Novize des Launenhaften schlenderte durch die Gärten und blickte sich interessiert um. Arm und Reich, alle schienen an diesem Feste vereint. So sah er die Ratsherrin Pernilla von Zolipantessa, zusammen mit der Schöffin des Perricumer Stadtrates Vilthina von Rauleu, der Dame der hohen Gesellschaft Charlyn Eorcaïdos von Aimar-Gor und weiteren Patriziern Almosen an die Armen verteilen. Nach den Missernten in den Zacken und den Perrinlanden war der Zulauf besonders groß. Ein jeder wusste, dass diese zur geheimnisumwitterten Gesellschaft vom Pfauen gehörten. Wie auch Reichsvögtin Sarina von Zolipantessa, die nur unweit des Geschehens zusammen mit Alsinthe Barûn-Bari und flankiert von nicht wenigen Stadtgardisten, durch den Park flanierte. Der Pöbel verehrte die Pfauen und ihre Wohltäter und bildete so auch die starke Machtbasis der Reichsvögtin.

Etwas abseits des Geschehens stand Egilmar von Gerben. Der Richter am reichsstädtischen Gerichts und Gemahl von Ratsherrin Vilthina von Rauleu beäugte seinem Sohn Edric wie dieser an seiner Laterne rum hantierte. Begleitet wurden sie von einer Handvoll Bediensteter und Wachen.

Die anwesenden Geweihten der städtischen Tempel beäugten das Treiben der Ratsherrinnen misstrauisch, galt doch das Verhältnis zwischen den Tempeldienern und städtischen Obrigkeit seit dem 'Tag der Schande' mehr als zerrüttet. Der junge Novize hatte den denkwürdigen Tag, als die Hochgeweihten die Reichsstadt verließen, aus der Ferne in Pelkhafen mitbekommen. So ganz durchblickte er das damals Geschehene bis heute nicht.

Sein Weg führte ihn weiter Richtung Darpatstieg, vorbei an der Zackenländer Baronin Serima von Hengefeldt, die, in Begleitung ihrer Hausritter und Knappinnen, in einem Gespräch mit dem perricumer Stadtritter Ardur von Binsböckel vertieft war. Auch andere hohe Herrschaften tummelten sich in den Korallengärten und gaben sich betont mehr oder weniger volksnah, wie die Ratsherrinnen Ginaya von Alxertis und Oleana Silbaran, die sich mit jeweils großer Entourage aus Dienern, Günstlingen und Wachen dem Volk zeigten – und doch darauf bedacht waren diesem nicht allzu nah zu kommen.

Auch Angehörige des Markgrafenhofes waren von dem pittoresken Schloss Perringrund vor den Toren der Reichsstadt, das als Hauptsitz des Hofes diente, nach Perricum gereist. Der Markgräfliche Herold Edelbrecht von Gaulsfurt führte stolzen Schrittes seine Gemahlin, die erste Hofdame des Hofes Ederlinde von Sturmfels aus. Ein Kindermädchen trug deren erstgeborene Tochter Lorinya auf ihrem Arm, sowie eine leuchtende Laterne in Delfinform. Es folgten die herrschaftlichen Knappinnen Pernula von Zolipantessa, Nedime Eorcaïdos von Aimar-Gor, Caya vom Greifener Land und Xanjida von Sanzerforst. Abenteuerlust stand in ihren Gesichtern geschrieben. Es war der erste öffentliche Auftritt von Nedime. Offenbar hatte sich diese von der schwierigen Geburt zum Jahreswechsel erholt.

Mit Verwunderung erblickte der Novize des Efferd den greisen Federico de Vargas. Der nach der unsäglichen Haffax-Invasion zum Ratsherren aufgestiegene Stadtadlige kannte die Korallengärten nur zu gut, gehörten doch nicht wenige der hier 'tätigen' Kurtisanen und Lustknaben zu seiner Kurtisanenschule. Der alte Mann mit der asketischen Gestalt zeigte sich gemeinsam mit dem einflussreichen Gesellschafter Samirion von Palmyr-Donas und – er wagte seinen Augen kaum zu trauen – dessen Gefährten Rahjadan von Cardebas. Letzterer war der Halbbruder des Efferdjüngers, mit dem dieser jedoch schon seit vielen Götterläufen keinen Kontakt mehr pflegte. Mit gesenktem Blick und schnellen Schrittes lief er an den zwielichtigen Männern vorbei. Er wollte vermeiden erkannt zu werden.

Gefühlt die ganze Stadtbevölkerung drängt sich mit Laternen und Lampions am Darpatufer. Das Fest der bunten Lichter steuerte auf seinen Höhepunkt entgegen. Der Novize bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmassen zu einem der Stege. Hier hatten sich Efferdbrüder und die hiesigen Geweihten des Launenhaften versammelt. Auf dem Darpat tummelten sich unzählige kleine Schiffchen, die mit bunten Lichtern bestückt waren und tauchten den Fluss in ein Meer aus Tausenden Lichtern. Hochwürden Efferdan dylli Turakis stand mit ausgebreiteten Armen auf einem flachen Boot. Der Bewahrer von Wind und Wogen der Halle der Gezeiten begann den Efferd-Segen zu sprechen.

Gebannt schaute der Novize auf die vorbei strömenden Fluten des Darpat. An der Oberfläche schäumte die Gischt und ließ die kleinen, beleuchteten Schiffchen wie willkürlich hin und her tanzen. Vorbeischwimmendes Treibholz ließ die schwimmenden Lichter zuweilen bedrohlich wanken. Doch dieses oberflächliche Aufbegehren des Flusses war es nicht was den Jungen interessierte. Es waren die unergründlichen Tiefen die ihn faszinierten und eine ungekannte Ruhe und Unendlichkeit auf ihn ausstrahlten. Es war, als ob der wässrige Blick des Novizen durch die Wasseroberfläche hindurchdrang und in die dunklen Tiefen des Flusses eintauchte. Trotz der Dämmerung konnte er klar in die Tiefen blicken. Fischschwärme schwammen hektisch hin und her. Unzählige, fluoreszierend-leuchtende Quallen riefen den Jungen zum Tanz der Unendlichkeit. Er fühlte sich seltsam berührt und verspürte den inneren Drang in die unergründlichen Tiefen abzutauchen.

Doch mit einem Mal änderte sich der erhabene Tanz der Quallen. Hektisch zogen sie sich in die dunklen Tiefen zurück. Auch die Fischschwärme suchten wie panisch das Weite. Der Geruch von Tank und modrigem Holz kroch in die Nase des jungen Novizen. Die Tiefe des Flusses offenbarte ihm dunkle Schatten, die der Darpat behäbig mit sich trug. Der Junge schärfte seinen Blick um zu erfassen was gerade vor sich ging. Mehr und mehr Schatten bahnten sich ihren Weg flussabwärts. Einer der Schatten schien sich der Wasseroberfläche zu nähern. Mit Schrecken erkannte der Junge die Konturen eines Menschen, doch war der Leib aufgedunsen und absonderlich verformt. Leblose, leere Augen starrten ihn an. Panisch wich der Novize zurück. Nunmehr wieder seine direkte Umgebung wahrnehmend, wurde ihm gewahr, dass sich panische Hektik bei den Besuchern ausbreitete. Als er seinen Blick wieder auf die Wasseroberfläche richtete, sah er wie Wasserleichen und geborstene Schiffsplanken zwischen den Efferd gefälligen Lichtern schwammen. Taumelnd, mit schwindenden Blick ging der Junge zu Boden, während um ihn herum ein Sturm der Panik losbrach.



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Texte der Hauptreihe:
1. Eff 1043 BF
Bunte Lichter von Perricum
Eine ausnehmend günstige Gelegenheit


Kapitel 12

Bunte Lichter von Perricum
Autor: Bega