Geschichten:Schattenkrieger – Dschinnenflug

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Dschinnenflug


Mendena, in der Nacht nach der Schlacht


»Wir müssen so schnell wie möglich nach Gareth gelangen, aber das wird sehr schwer werden mit all dem Gezücht, das sich hier in den schwarzen Landen noch herum treibt. Das wird ein Gewaltmarsch ohne gleichen; und ohne Garantie, dass wir es rechtzeitig schaffen.«

Alcara trat vor. Wulf nahm es zuerst gar nicht wirklich wahr, denn seine Cousine und Hofmagierin hielt sich sonst vornehmlich im Hintergrund. Sie öffnete die Hand; darin lag ein simpler Ring, matt und schmucklos. »Dies hier kann uns helfen.«

Wulf und die übrigen sahen sie fragend an; nur Areana, die Hesindepristerin, schien zu ahnen, was es damit auf sich hatte. »Was ist das?« fragte Wulf.

»Ein Dschinnenring«, erwiderte Alcara. »Ich habe ihn während meiner Studien in Khunchom angefertigt, aber nie benutzt. Er müsste zwei Ladungen haben. Und ein Dschinn sollte fähig sein, jemanden von hier fort zu transportieren; ich weiß nur nicht, wie weit.«

»Dschinne…«, murmelte Wulf und nestelte ein Lederband aus seiner Gürteltasche, an dem drei Rinde aufgefädelt waren. »Die hat Keres mir gegeben, für Notfälle, wie er damals sagte. Ich wollte sie eigentlich nicht benutzten, aber ich schätze, uns bleibt keine andere Wahl.«

»Damit hätten wir fünf. Wer also soll gehen?« Arva, die Rondrianerin, blickte in die Runde.

»Sieben«, entgegnete Alcara. »Ich beherrsche den Transversalis, und ich denke gut genug, um noch jemanden mitzunehmen. Es wird zwar anstrengend und gefährlich werden, aber wenn wir keine Wahl haben, ist es die einzige Möglichkeit.«

»Wer also soll gehen?« Areana blickte forsch in die Runde.

»Ich muss«, sagte Wulf. »Jessa, Du ebenfalls. Arva, Alara. Kilea, was ist mit Euch? Lässt der Götterfürst zu, dass ihr auf magische Weise reist?«

Die Bannstrahlerin schwieg einen Moment. »Ist das ein Befehl?«

»Ich denke ja.«

»Dann werde ich über meinen Schatten springen müssen, fürchte ich«, erwiderte Kilea, »also ja.«

»Dann geht Areana mit mir«, stellte Alcara fest.

Wulf nickte. »Ja. Begebt Euch nach Uslenried und holt die übrigen. Larena, meine Gemahlin… Sie werden wissen, wer Euch noch begleiten soll. Wir treffen uns in Gareth. Andernfalls lasse ich Euch Nachricht zukommen.«

Die Angesprochenen nickten.

»Yassia, Euch müssen wir zurücklassen. Doch seid so gut und verständigt meine Gemahlin; der Nächtliche wird Euch leiten. Kehrt wohlbehalten zurück – und habt ein Auge auf meinen Sohn.«

Yassia nickte. Sie war somit die einzige, die zurückbleiben würde…

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Wulf lief suchend durch das Lager, bis er Corian fand. Der Junge war unverletzt, wie er erleichtert feststellte.

»Vater!« Corian eilte dem Baron entgegen; sie fielen sich in die Arme.

»Nun hast Du also Deine erste Schlacht geschlagen, und ich bin froh, dass es gut ausgegangen ist.«

Corian nickte, während er sich aus der väterlichen Umarmung löste. »Dennoch wirkst Du bedrückt, Vater.«

Wulf nickte. »Du hast bemerkt, was geschehen ist? Was ich getan habe?« Er sah seinen Sohn fragend an.

»Ich… bin nicht sicher«, erwiderte dieser. »War das ein Wunder, ein göttliches Mirakel?«

Wulf nickte. »Ja, ich denke, so kann man es nennen. Du weißt, was das bedeutet?«

Corian nickte. »Du bist geweiht – dem Blutigen Schnitter?«

Wulf nickte abermals. »Ja, aber das meinte ich nicht. Ich meinte die Bürde, die nun auf Dir lastet. Als Geweihter gestattet mir das Garether Pamphlet nicht länger, die Baronswürde zu tragen. Dies wird zukünftig nun Deine Aufgabe sein, trotz Deiner jungen Jahre.«

Corian straffte sich. »Das kommt unerwartet«, murmelte er.

Wulf legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich weiß. Doch ich wollte, dass Du es von mir erfährst, denn hier und jetzt wirst Du Dich Deiner Verantwortung stellen müssen und unsere Streiter anführen. Godelind steht Dir natürlich zur Seite, als Heermeisterin des Hauses. Ich hingegen muss fort, schon bald.«

»Fort? Wohin?«

»Nach Hause, in Herz Garetiens. Das Schlimmste verhindern, denn wenn Haffax nun nicht hier war, sondern in Perricum ist, so droht uns der Untergang aus unerwarteter Richtung.«

Corian nickte schwer, doch verstehend.

Wulf löste seinen Schwertgürtel und übergab Corian die Waffe, die er an der Seite getragen hatte. »Nimm es, es nun Dein; das Schwert der Barone Uslenrieds; die Klinge Praiowulfs. Das Zeichen Deiner neuen Bürde und Würde. Trage es mit Stolz und Zuversicht, mein Sohn.

Corian nahm die Klinge entgegen, betrachtete sie einen Augenblick; dann gürtete er das Schwert.

»Leb wohl, mein Sohn; die Götter mit Dir.« Noch einmal fielen sie sich in die Arme, dann löste sich Wulf und eilte ohne ein weiteres Wort von dannen.

Corian blickte ihm lange nach, auch als er seinen Vater im Gewühl der Menschen längst nicht mehr ausfindig machen konnte.

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»Seid Ihr so weit?«

Die Versammelten nickten. Wulf teilte die Ringe aus; er selbst behielt den von Alcara angefertigten. Sie lösten die Zauber aus; Wulfs Bedenken, Alcaras Ring könne vielleicht nur einen Dschinn zugleich freisetzen, bestätigten sich zum Glück nicht. Nach und nach erschienen fünf flirrende Luftgeister, und alle erhielten den selben Befehl: »Tragt uns nach Gareth!«

Es dauerte nur wenige Augenblicke, und die fünf Gefährten fühlten sich umklammert von wabernder Luft, verloren schließlich den Boden unter den Füßen und schwebten alsbald etliche Schritte über dem Boden, bis sie schließlich wortwörtlich vom Wind getragen in Richtung Westen von dannen flogen.

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Alcara blickte dem Dschinnenflug schweigend hinterher, um ihre Konzentration nicht zu unterbrechen. Als sie die Punkte am Horizont kaum mehr erkennen konnte nickte sie Areana zu, und die Hesindepriesterin klammerte sich an sie. Mit der Last der Geliebten auf dem Rücken trat Alcara in das vorbereitete Hexagramm, verschränkte die Arme vor der Brust und murmelte die Formel: »Transversalis…«

Die Körper verblassten, und mit einem Mal waren sie verschwunden.