Geschichten:Schimpf und Schande - Teil 6

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Dramatis personae:


In Pfalz Breitenhain, Firun 1033 BF

"Der Tee ist kalt. Was bei den Zwölfen muss ich tun, dass ich einmal des Morgens ein heißes Getränk bekomme", mürrisch setzte sich der Pfalzgraf zu Sertis an die gedeckte Frühstückstafel in einem schluderigen Pyjama. Zu einem Zeitpunkt, an dem wohl der Großteil seiner Untertanen sich gerade kaum gesättigt von ihrem kargen Mittagsmahle erhoben.

Während Hilbert sein allmorgendliches Ei aufschlug, ach, es war hart, schon wieder, er hasste harte Eier, sie sollten innen doch schön cremig sein, das Eiweiß noch gerade bissfest, machte sich Kastellan Reo Rondriol vom Wirsel durch ein trockenes Räuspern auf sich aufmerksam, in seinem Schatten die dürre tulamidische Gestalt des Sertiser Allzweck-Medicus.

"Verzeiht, Hochedelgeboren, aber ich denke die Morgenzeitung verdient Eure Aufmerksamkeit."

"Wirsel, es heisst Edelhochgeboren. Eure Raulsmärker Gewohnheit trügt Euch an dieser Stelle. Nur dem freundliche Burggraf Oldebor, der Lehensherr Eures Herren Vaters, geziemt die von Euch gewählte Anrede, wenn sie auch durch Kaiser Reto im Jahr 976 abgeschafft worden ist. Ihr solltet Euch das aufschreiben, damit ihr es für das nächste Mal nicht vergesst, Wirsel, ihr habt noch einiges zu lernen, um in der Welt des Hochadels bestehen zu können", dozierte Hilbert mit dem silbernen Löffel in der Hand. Es gab wenigstens ein Gebiet auf dem ihm gewisse Kenntnisse nicht abzusprechen sei, auch wenn es Spötter und Schelme genug im Königreich gab, die anderes behaupteten.

"Ja, richtig, entschuldigt", kam der Kastellan ins Stottern. "Sei es wie es ist, es kam ein Brief aus Gareth, den Ihr lesen solltet."

"Nun gut. Was steht drin?"

Der Tulamide trat einen Schritt an Hilbert heran und beugte sich zum sitzenden Pfalzgrafen hinunter. "Der Staatsrat Garetiens teilt dem Adel des Königreiches mit, dass Eurer Freund und Bundesgenosse Nimmgalf von Hirschfurten seines Lehens Leihenbutts enthoben sei."

"Was?! Schroeckh entlehnt Nimmgalf? Das ist ja absurd. Das überschreitet ja seine Kompetenzen."

"Mitnichten. Als Stellvertreter der Königin kann er formal im Namen der Krone über Lehensdinge entscheiden."

"Ich bin ehrlich schockiert", antwortete der Pfalzgraf, sich den Löffel in den Mund steckend.

Reo Rondriol räusperte sich erneut: "Verzeiht, wenn ich einen Gedanken äußere. Aber hat die Kaiserin nicht durch die Ochsenbluter Urkunde ihre Rechte zu Gunsten der Barone beschnitten? Verstößt sie nicht mit diesem Akt gegen den Vertrag?"

"Ach, dem Schroeckh ist das doch Wurst. Der tut doch nur, was man ihm sagt, der ist doch nur eine Schranze", erwiderte Hilbert, sich eine Scheibe des gebratenen Fasans abschneidend.

"Wohlgeboren sprechen einen interessanten Punkt an", wandte sich der Tulamide an den Kastellan. "Die Urkunde von Ochsenblut ist in diesem Punkte mindestens zweideutig. Wenn nicht dem Papier, so widerspricht es aber in jedem Falle dem Geiste des Vertrages. Ich bezweifle daher, dass Seine Exzellenz Rücksprache mit der Kaiserin gehalten haben wird. Zumal der Unmut des Garetischen Hochadels in Elenvina mehr als offensichtlich gewesen ist."

"Naja, warten wir mal ab. Es wird ja nichts so heiß getrunken, wie es gebrüht wird", sagte Hilbert mit einem düsteren Blick auf den vor ihm stehenden Tee. "Gibt es sonst noch etwas?"

"Nur das übliche", antwortete Reo Rondriol. "Zudem kam ein Bote aus dem Nordmärkischen, genauer gesagt von Pfalz Weidleth mit einer persönlichen Botschaft der Pfalzgräfin von Mersingen. Und der Landprospektor ist vom Eynweiher zurück. Er klangt sehr guter Dinge über die Qualität des Quarzsandes, so dass wir wohl mit den Ausschreibungen für einen Glasermeister beginnen können."

Hilbert tupfte sich mit seiner Serviette die Mundwinkel sauber und legte sie auf den Teller. "Gut, dann frisch ans Werk. Ihr könnt zurück an die Arbeit."

Während der Kaisermärker Adlige sich mit einer Verbeugung verabschiedete und den Saal verließ, beugte sich der Tulamide erneut zu seinem Herren hinab: "Verzeiht meine Anmaßung, aber wäre es nicht besser, Ihr würdet Euch zum Rat mit Euren Freunden und Bundesgenossen begeben? Etwa nach Uslenried oder Trollhammer?"

"Ach, Tumanjan", streckte sich Hilbert, "immerhin sehe ich sie beim Gigantenkampf. Warum sollte ich vorher die Pfalz verlassen?"

"Ja, warum solltet Ihr. Seit dem Treffen der Pfortenritter bei Graf Danos, bei dem zwar viele Reden gehalten wurden, aber keine weiteren Beschlüsse als die Wiederholung des Wortlauts der Fehdeerklärung Eures Bundesbruders Nimmgalf, nachdem Graf Danos sich über die Anmaßung des neuen Pfalzgrafen zu Rudes Schild erbost hat, habt Ihr nicht einen einzigen Schritt aus der Pfalz getan, als ob die Pulethaner draußen einen Belagerungsring aufgebaut hätten."

"Ach was", grummelte Hilbert vor sich hin, als die Tür von seinem Pagen geöffnet wurde, der in seiner Hand eine neue Kanne Tee hielt. Kalten Tee.