Geschichten:Schlacht bei Zwingstein - Szenen einer Schlacht II
24. Praios 1040 BF, kurz nach Mitternacht
Eilig lief Edelbrecht durch die Nacht. Zu seinem Ärger konnte er im fahlen Licht des Madamals nicht so schnell rennen wie er wollte ohne Gefahr zu laufen sich zu vertreten. Aber wegen eines verknacksten Knöchels gar nicht am Ziel seines Auftrags anzukommen wäre schlimmer als ein paar Minuten zu verlieren. Also zügelte er sein Tempo etwas und achtete mehr auf den aufgewühlten Wiesenflur vor sich.
Ritter Wulfhart hatte ihm einen klaren Befehl gegeben. Sie brauchten dringend noch eine Reserveeinheit, wenn sie noch wenigstens bis zum Morgengrauen durchhalten wollten. Die Truppen kämpften schon die halbe Nacht und waren erschöpft. Edelbrecht hatte die Kreaturen gesehen gegen die die Soldaten des Reiches die Linien hielten und bewunderte sie für ihren Mut. Mochte man Mutter Trautmunde glauben so hatten sie noch Glück, dass es sich nur um Chimären und nicht um wahre Ausgeburten der Niederhöllen handelte. Edelbrecht wollte sich nicht vorstellen was es für sie bedeutet hätte, wenn Haffax eine vierte Dämonenschlacht heraufbeschworen hätte.
Endlich war er an dem Hügel angekommen auf dem die Reserve wartet. Leichte Reiterei aus Eslamsgrund, wie er an Ausrüstung und Wappen schnell erkannte. Waren sie auch nicht schwer gepanzert, so waren sie zumindest wendig und konnten schnell zu Hilfe eilen. Atemlos meldete sich der Page beim Lanzenführer der ihm im Dämmerlicht entgegentrat.
„Mein Ritter Wulfhart, der Kommandant vom rechten Zentrum, schickt mich. Wir brauchen dringend Verstärkung!“
„Rechtes Zentrum? Hatte da nicht der Drôlenhorst der Kommando?“, fragte der graubärtige Soldat argwöhnisch.
„Hauptmann Drôlenhorst ist schon vor Stunden gefallen. Habt ihr das noch nicht gehört?“
„Nein Junge, du bist der erste Melder seit Beginn der Schlacht der zu uns kommt.“ Mit einem Handzeichen gab er seiner Lanze den Befehl zum Aufsitzen. Alles junge Burschen die gerade das Mannesalter erreicht hatten. „Dann wollen wir also endlich unseren Teil tun. Wenn es dort vorn so schlimm aussieht, dass sie die schnelle Eingreiftruppe brauchen, dann gehst du besser zum Lazarett und wartest da mein Junge.“ Er strich Edelbrecht kurz mit der behandschuhten Rechten über den Kopf. „Die Zwölfe mit dir, Junge.“ Dann stieg er auf und führte mit einem leisen Pfiff seine Schar den Hügel hinab in das Chaos der Schlacht.
Der junge Stippwitz wartete einen Augenblick bis die Reiter an ihm vorbeigezogen waren und sah sich dann um. Ritter Wulfhart würde sicherlich erwarten, dass er sofort wieder zurückkam, falls er weitere Anweisungen für ihn hatte. Andererseits konnte es auch gut sein zuerst beim Lazarett vorbei zu schauen. Mutter Trautmunde schien zuletzt das Verbandszeug auszugehen, mit denen sie zwischen den Wellen von Monstern die kleineren Wunden der Soldaten versorgt hatten. Sie hatte sogar schon Bahnen aus dem Saum ihres Gewandes gerissen. Außerdem war das Lazarett von seinem jetzigem Standpunkt aus kaum ein Umweg. Entschlossen stapfte Edelbrecht los. Er hatte sich am Nachmittag zuvor bei der Aufstellung der Truppen genau eingeprägt wo Lazarett, Feldherrenhügel und Reservetruppen standen und konnte jetzt selbst im Dunkel der Nacht seinen Weg finden, wenn auch langsamer als gewollt. Hinter sich hörte er das auf und ab brandende Tosen der Schlacht. Schwerter und Schilde die klirrten, Speere die brachen, das verängstigte Wiehern der Pferde, die Schreie der Soldaten und das unheilvolle Kreischen der Chimären. Nach einigen Minuten konnte er die Zelte der Heiler vor sich erkennen. Einige Fackeln brannten und wiesen jenen den Weg, die Verwundete aus der Schlacht trugen. In den Zelten macht Edelbrecht geschäftiges Treiben aus. Schmerzerfülltes Stöhnen klang zu ihm herüber, dazwischen die spitzen Schreie einer Frau, die schnell wieder erstarben. Die Heiler und Wundärzte hatten alle Hände voll zu tun.
Gerade als er selbst in eines der Zelte eintreten wollte, nahm der Page im flackernden Fackellicht die Bewegung einiger großer Schatten wahr. Die Zeltbahn im Rücken ging Edelbrecht zögernd auf die Schatten zu, hoffend, dass das unstete Licht der Fackeln ihm einen Streich gespielt hatte. Zu seinem Schrecken hatte es das leider nicht. Drei wolfsgroße Giftratten hatten sich auf die der Schlacht abgewandte Seite der Zelte geschlichen. Die wenigen Wachen standen auf der anderen Seite, da man hier offensichtlich keine direkte Gefahr erwartet hatte. Die Bestien hatten bereits damit begonnen mit ihren Klauen Löcher in die Zeltbahn zu reißen, hinter der Edelbrecht das Wimmern von Verwundeten hören konnte. Offensichtlich hatten die Geräusche der Hilflosen auch diese Untiere angelockt die sich unbemerkt an den Linien der Garetier vorbei gestohlen hatten. Er war bis auf wenige Schritte an die Ratten herangekommen, als das Rascheln des trockenen Grases unter seinen Füßen sie auf ihn aufmerksam machte. Hastig zog er seinen Dolch und stellte sich so, dass er die Zeltwand im Rücken hatte.
Die drei großen Biester hatten ihn im Nu eingekreist und mit Erschrecken erkannt Edelbrecht, dass er sich in seinem Leichtsinn um jede Fluchtmöglichkeit gebracht hatte. Bevor er noch einen klaren Gedanken fassen konnte sprang die erste Ratte schon vor und fügte ihm einen schmerzhaften Biss ins Bein zu. Reflexartig stieß der Knabe mit dem Messer vor und schlitzte dem Tier das Fell an der Schulter auf. Doch damit hatte er seine Deckung für die beiden anderen geöffnet, die sich in seinen Beinen verbissen und ihn zu Boden zerrten. Verzweifelt schlug Edelbrecht mit dem Dolch um sich. Ein paar Mal traf er auf Widerstand und die Klinge färbte sich schwarzrot vom verderbten Blut der Ratten. Dennoch ließen sie nicht von ihm ab. Auf dem Hosenboden rutschte er zurück bis ihn die Zeltplane aufhielt. Den Dolch hielt er vor sich, doch spürte er plötzlich eine Schwäche in sich die seinen Waffenarm zittern ließ. Ohne die ihn umkreisenden Ratten aus dem Blick zu lassen wandte der Page seinen Kopf halb zu der Plane um und begann zu rufen.
„Hilfe! Helft mir bitte! Bei den Göttern, so helft mir doch!“
Noch ein paar Mal schnappten die Giftratten nach seinen ausgestreckten Füßen die zu verteidigen die Reichweite seines Dolches nicht ausreichte und die er nicht zurückziehen konnte, weil er das Gefühl in den Beinen verloren hatte.
„Hilfe ... Hilfe ... Mutter…“
Edelbrechts Rufe wurden zu einem Wimmern. Sein Waffenarm sank herunter als er ihn vor Schwäche zitternd nicht länger heben konnte. Plötzlich waren um ihn herum Gestalten. Er erkannte sie nicht, weil sein Blick verschwamm. Er hörte das Klirren von Schwertern und Schilden, das Bersten eines Speers, die Kampfrufe zur Herrin Rondra und das ersterbende Kreischen aus unmenschlichen Kehlen. Er hörte jemanden ein Gebet sprechen, er hörte das Rauschen von Flügeln und dann … war Stille.
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