Geschichten:Schmuggel in Greifenfurt - Ende des Brandlöschens
Blutiges Ende des Waldsteiner Brandlöschens
»Wenn der Herr Praios das unter Ordnung versteht, dann hält die Mutter Travia wohl ein Bordell für ein Kloster.« Gerdtian Gerheim, wandernder Nandus-Geweihter (derzeit inhaftiert auf Pfalz Breitenhain wegen frevelhaftem Aufwiegeln des einfachen Volkes)
Kaiserlich Sertis im Praios 1034 BF. Der Ausgang von Junker Ugdalfs jährlichem Brandlöschen führt zu schweren Verstimmungen mit den Märkischen Nachbarn.
Es gibt einen alten Spruch, der in der Grafschaft Waldstein schon manche vorlaute Zunge gekostet hat: »Wenn sich zwei Waldsteiner Niederadlige treffen, denn verstecken sie die Frau Hesinde im Keller.« Fast könnte man meinen, dieser Tage wollten sie die Weise Herrin in den Schweinekoben sperren. Denn was man für Neuigkeiten vernimmt von der Grenze in die Mark Greifenfurt, lässt doch stark am Verstand des niederen Adelsstandes zweifeln.
Was war geschehen? Ardo von Keilholtz, ein Greifenfurter Baron aus einem ehrwürdigen uralten Adelshaus, hatte im letztjährigen Rahja in seiner eigenen Baronie Helmbrecht von Hagenbronn, einen Waldsteiner Junkersohn, auf frischer Tat beim Schmuggel verbotener Gifte erwischt und eigenmächtig an Ort und Stelle mit dem Schwert gerichtet. Dass er sich damit wohl kaum Freunde im Königreich Garetien machen würde, schien den streng praiosgläubigen Adligen wenig zu stören, sind doch die Greifenfurter dieser Tage bekannt mit dem Gesindel aus der Wildermark auf ihrem Grund und Boden kurzen Prozess zu machen.
Die Barone Waldsteins ließen den Vorfall unkommentiert, auch der Hof der Waldsteiner Gräfin Allechandriel Quellentanz von Waldstein begnügte sich mit der Bemerkung, man wolle sich nicht in Greifenfurter Angelegenheiten mischen. Immerhin habe der Junkersohn sich auf Märkischem Boden eines schweren Verbrechens ruchbar gemacht, das zu sühnen des Barons göttergegebene Pflicht gewesen sei.
Wo der Waldsteiner Hochadel wenig Interesse zeigte, zeigten die Junker und Edlen der Grafschaft offen ihren Zorn über die eigenmächtige Hinrichtung einen der ihren. Zum Wortführer sollte sich der Sertiser Junker Ugdalf vom Eynweiher aufschwingen, der im Greifenfurter Affront die Chance sah, einem langen aufgestautem Frust über die »Hochnäsiggeborenen« freien Lauf zu lassen.
Beim jährlichen »Eynweiherschen Brandlöschen«, dem feierlichen Anstich des hochprozentigen Eynbrandes, versammelte er viele Junker und Edle der Grafschaft um sich und führte offen Rede gegen die Ungerechtigkeit der Greifenfurter Adligen. »Es gab Zeiten, das stand ein märkischer Baron in seiner Würde und Ehre unter einem Waldsteiner Edlen!«, fabulierte der Junker, und da der Abend vorangeschritten und reichlich Eynbrand schon »angestochen« war, konnte er sich einer breiten Zustimmung erfreuen. »Man müsste es den Greifenfurtern Orkbastarden mal so richtig zeigen«, rief jemand lallend in die Runde und erntete Applaus. »Wer sich an uns und unseren Kindern vergreift, den muss man behandeln wie einen gemeinen Dieb!«
Der Abend war bereits vorangeschritten und nicht wenige Waldsteiner Junker und Edle lagen schnarchend unter den Holzbänken des Festplatzes. So leisteten die Junker und Edlen einen verhängnisvollen Schwur: Man wolle selbst für Gerechtigkeit sorgen und den gemeinen Greifenfurter Dieben die linke Hand abschlagen, da sie nicht besser wären als wie die gemeinen Diebe und Räuber aus dem Reichsforst. Dies schwuren sie im Namen des Herren Praios und der Herrin Rondra. Der nächste Morgen war ein verkatertes Erwachen. Nicht wenige konnten sich nicht mehr an die vergangene Nacht erinnern, so sehr hatte der Eynweiher Trunk sie berauscht. Diejenigen aber, die den Schwur getan hatten, voran die Junker Ugdalf von Eynweiher und Edorian von Feenwasser, gemeinsam mit einigen anderen Niederadligen, machten sich reisefertig und brachen auf Richtung Greifenfurt, um irgendwie ihren unseligen Schwur zu erfüllen.
Längst war der Antrieb gehemmt und der hitzige Wunsch, einen Händel mit den Greifenfurtern zu beginnen, kühler Ernüchterung gewichen. Beritten und gerüstet erreichte man am Abend das kleine in der märkischen Baronie Kressenburg Dorf Neugerbaldsweiler, wo man im Schutz der Nacht lagerte. Die laue Sommernacht, sowie der gereichte Brand weckten die Lebensgeister der Waldsteiner Junker, und man beschloss in dieser Nacht den geleisteten Schwur zu erfüllen. Denn der waldkündige Junker Edorian von Feenwasser hatte bei einem kurzen Erkundungsritt eine nahe Lustpartie Kressenburger Adliger bemerkt, die sich in einem nahen Gasthof zur Sommerfrische einquartiert hatte.
Bei dem unglückseligen Greifenfurter Adligen handelte es sich um Junker Balduin von Kieselholm, den Jagdmeister Kressenburgs, wie die Waldsteiner freudig erkannten. Denn der treue Gefolgsmann des Barons war maßgeblich an der Verhaftung des jugen Hagenbronns beteiligt gewesen. Die beiden anderen Personen waren Junker Balduins Schwester Siglinde von Kieselholm, eine Magistra der arkanen Künste, und Heiltrud von Budenhog, eine befreundete Greifenfurter Edle, welche müde von einer langen und erfolgreichen Jagd im Reichsforst nichtsahnend im sanften Licht des Madamales einen kühlen Nachttrunk zu sich nahmen.
Die Waldsteiner Niederadligen, in dunkler Kleidung wie gemeine Banditen vermummt, schlichen sich von hinten an, ein Keulenhieb setzte die Magistra außer Gefecht und nach einem kurzen, ungleichen Kampf hatte man die drei Greifenfurter gefesselt und geknebelt in den nahen Wald gezerrt. Mit vor Schreck geweiteten Augen verfolgten die drei Märkischen Adlige, die sich als Opfer einer Diebesbande wähnten und um ihr Leben bangten, wie der Anführer der Vermummten ein Handbeil aus seiner Tasche zog, und ein weiterer einen groben Klotz heranschaffte.
»Hiermit soll Gerechtigkeit für den Mord an einem der unseren geübt werden. Denn wer ein Leben stiehlt, dem werden wir für seine Tat bestrafen!« sprach der Anführer, hob das Beil an und ließ es auf das linke Handgelenk des erstarrten Ritter Balduin niederfahren. Ein Knacken erfüllte den Wald und ein Blutstrahl schoss aus dem verstümmelten Armstumpf. Auch der vor Wut zeternden Heiltrud von Budenhog wurde die grausige Verstümmelung nicht erspart. Erbarmungslos trennte der vermummte Anführer mit seinem Beil die linke Hand vom Arm der Märkischen Edlen.
Ein Murmeln entstand unter den Waldsteinern, ob man der Magistra ebenfalls die Hand abhacken solle, eine Stimme jedoch mahnte an, man könne von den austretenden Zauberdämpfen der Magierin vergiftet werden. Hastig zogen sich nun die Vermummten zurück und überließen die drei Greifenfurter ihrem Schicksal im Reichsforst. Erst nach einiger Zeit konnte sich die Magistra ihrer Fesseln entledigen und mit einem Zauberspruch die blutigen Stümpfe ihrer Lieben notdürftig heilen. Die beiden Hände jedoch hatten die Waldsteiner als Zeichen der Erfüllung ihres Schwures mit sich nach Garetien genommen.