Geschichten:Schmuggel in Greifenfurt - Rechte und Pflichten
Streitzensfeld, Mitte Rahja 1033 BF
»Ein edler Tropfen, Godelind, wahrlich!« Wulf von Streitzig j.H. zur Greifenklaue saß in der guten Stube des Gutes Streitzig und kostete den Tropfen, den die Heermeisterin ihm vorgesetzt hatte.
Godelind lächelte zufrieden. Wulf nahm dies erfreut zur Kenntnis; die ersten Jahre, nachdem Godelind das Junkertum Streitzensfeld geerbt hatte waren schwierig gewesen, die lange Zeit des Wartens auf den Posten des Heermeisters der Ritterschaft der Familie ebenso. Oft genug hatte der Baron das Gefühl gehabt, seine Anverwandte sei nur noch mürrich und übellaunig, doch als sich nach dem Heerzug gen Leihenbutt allmählich die Normalität einstellte, war auch Godelinds langer Unmut vergangen. Auch ihre Tochter Nerea war an der Ereignissen gereift, der späte Ritterschlag durch Graf Danos auf dem Turnier hatte jedoch auch ihrem Selbstbewusstsein gut getan – und auch jenem ihrer Mutter.
So sprach eine Weile über dies und das – den Ritt nach Streitzensfeld hatte Wulf nur aus einer Laune heraus und ohne bestimmten Grund unternommen – bis schließlich die aktuellen Themen der vergangenen Wochen das Gespräch bestimmten.
»Was sagst Du zu der Geschichte mit dem Jungen vom Hagenbronn?« erkundigte sich Godelind schließlich bei ihrem Baron und Familienoberhaupt.
Wulf machte eine abwehrende Handbewegung. »Am besten gar nichts. Wenn es stimmt, was die Wälder flüstern, dann hat sich des Hagenbronners Sohn auf gefährlichen Pfaden bewegt; von Schmuggel war da die Rede. Was das bedeutet brauche ich ja wohl nicht auszuführen.«
»Damit könnte man ihn ja fast als vogelfrei betrachten«, überlegte Nerea laut, hielt sich aber etwas verlegen die Hand vor den Mund, als sie bemerkte, das sie ihre Gedanken ausgesprochen hatte.
»Ganz verkehrt ist der Gedanke sich nicht«, entgegnete Wulf. »Fraglich ist nur, ob man dem Unglücklichen nicht eher vor ein ordentliches Gericht hätte stellen sollen; wobei das am Ergebnis auch nichts geändert hätte, wenn ihr mich fragt.«
Godelind nickte. »Als Mann von Stand hätte er sich gar nicht in so etwas verwickeln lassen dürfen; und wenn schon, dann lässt man sich nicht erwischen. Andererseits hat man im Adelsstand ja nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten – und Verstöße gegen geltendes Recht und Gesetz gehören wohl definitiv nicht dazu. Dennoch, ein komisches Gefühl ist das schon.«
»Ein wenig ja. Aber ich habe Ardo als aufrechten Recken kennengelernt und vertraue darauf, dass er recht gehandelt hat. Doch nun genug davon.« Wulf hatte keine rechte Meinung, länger über dieses Thema zu sprechen, also ging er zu etwas gänzlich anderem über. »Habt Ihr eine Ahnung, wie es um die diesjährige Weinernte bestellt sein wird?«