Geschichten:Schmuggel in Greifenfurt - Tannwirker Junktim

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Grodanswacht, Praios 1034 BF

Zehn Gardisten der ›Goldenen Lanze‹, zehn Gardisten im königlichen Rock sowie zahlreiche Bedienstete und Knechte ritten in Grodanswacht ein, um es zu besetzen. Sie begleiteten zwei Kutschen - eine herrschaftliche Karosse mit dem Wappen der Kaiserlichen Raulsmark und einen offenen Karren, auf dem ein Gefangener in Ketten saß.

Die Dörfler staunten nicht schlecht über diesen Besuch, und auch Junker Alrik Herdan von Prailind blickte überrascht.

»Himmel, Arsch und Zwirn! Die Namenlosen Tage im Reichsforst - nie wieder! Nie-wie-der!«, fluchend und ächzend entsteig der Karosse ein viel zu warm gekleideter Mann mit teurem Wams und guten Schuhen, einer schweißglänzenden Glatze und einem schwarzen Kinnbart. Er strich sich das Wams glatt, schüttelte die Füße aus, drückte das Kreuz durch und blickte in der Umgebung herum. Auf Junker Prailind blieb der Blick des Reisenden hängen - er war der einzige, der nicht wie ein Hinterwäldler aussah - obwohl …

»Heda, Ihr da!«

Junker Prailind guckte erst nach links und dann nach rechts. Mit ›heda‹ war doch wohl nicht er gemeint? Immerhin befand man sich in Grodanswacht, begründet von Junker Prailinds Ahn Grodan! Er zeigte mit der Hand auf seine Brust und fragte ungläubig: »Ich?«

»Ja, Ihr. Seid Ihr …«, der Mann suchte nach Worten, »…seid Ihr der … Dings? Der Junker von dem Kaff? Ah: Alrik von Tannengrund?« Während die zwanzig Gardisten sich im Dorf breit machten und nach dem Gasthof suchten, schritt der Mann auf Junker Prailind zu.

»Allerdings, ich bin Alrik Herdan von Prailind, Junker zu Tannengrund. Und wer seid Ihr?«

Der Angesprochene war nun angekommen, verharrte aber kurz und setzte eine indignierte Miene auf: »Na, der Staatsrat. ›Exzellenz‹ für Euch.«

»Ihr seid der Schroeckh?«

»Was … ich … ›Exzellenz‹, sagte ich! Horbald von Schroeckh, Erster königlicher Rat Garetiens. Allerdings bin ich Incogieto hier.«

»Incognito.«

»Nein, Incogieto. Keiner soll wissen, dass ich hier bin. Hätten beinahe an dem Praioskloster Halt gemacht, aber die können ja den Rand nicht halten. War ja aber auch nicht mehr weit hierher. Wo kann man denn hier gut einkehren?«

»Nirgends. Grodanswacht hat keine Gasthof.«

»Wie keinen Gasthof? Ein Kloster der Goldkutten, aber keine anständige Wirtschaft? Hinterwald!« Schroeckh blickte sich um und steuerte dann auf eine Bank zu, die unter einem großen Baum stand. Zwei Alte saßen darauf, die sich beide darin einig waren, heute den ereignisreichsten Tag seit Jahren zu erleben.

»Weg da!«, zischte Schroeckh, vertrieb die Alten und nahm Platz. Dem Junker winkte er, ihm zu folgen, außerdem einem jungen Mann, der noch neben der Karosse stand, in der er wie der Staatsrat gefahren war. Dieser junge Mann setzte sich nun in Bewegung; er trug brügerliche Kleidung, Ärmelschoner und hatte eine große Tasche bei sich, aus der einige Schreibfeder wippend herausragten.

»Das ist mein Secretarius, Junker Dings.«

»Brauchst du die Urkunden nun, Papa?«, fragte der Schreiber, als er heran war.

Schroeckh sah böse blitzend auf. »Ludemar, wenn wir im Dienst sind, heißt es ›Exzellenz‹, verstanden?« Zu Junker Prailind gewandt setzte er eine geschäftsmäßige Miene auf: »Junker … Praill. Ich bin hier als Antwort auf gewisse Provokationen gewisser Hinterwäldler … nein, nicht Ihr …, die so nicht im Raum stehen bleiben können. Ihr braucht die Details nicht zu wissen, Hauptsache, ich weiß sie.« Schroeckh benutzte diese Wendung mit insgeheimem Vergnügen. Wie oft hatte ER sie schon verwendet, jetzt war er an der Reihe. Er reichte dem Junker eines der Schriftstücke.

»Exzellenz, dies scheint mir die Vorschrift eines Urteils zu sein, das ich nicht vollstrecken darf. Ich bin kein Baron und darf darum die Blutsgerichtsbarkeit nicht ausüben.« Alrik Herdan gab dem Staatsrat das Dokument zurück.

»Tatsächlich? Nun …«

»Die anderen beiden, Papa!«

»Ah ja, hier, Wohlgeboren. Das hier und das.«

Junker Prailind nahm die beiden Dokumente entgegen und warf einen schnellen Blick darauf. Dann übernahm Überraschung das Kommando über seine Gesichtszüge: »Das ist ja die Absetzung des Vogtes von Tsha! Und das … Ha!«

»Seht Ihr, Dings … äh, Wohlgeboren … äh. Wenn Uhr jetzt ganz Tann verwirkt, quatsch Tannwirk verwaltet, dann dürft Ihr sehr wohl Hände und Hälse abhacken!« Schroeckh rieb sich die Hände. »Kann man hier wenigstens einen Saft oder so bekommen?«

Junker Prailind, vom Staatsrat eingesetzter Vogt von Tannwirk an Baron Sequins Statt, erinnerte sich nun des ersten Dokumentes: »Was ist das für ein Urteil?«

»Ein Todesurteil, von Euch verhängt und vollstreckt. Diesen Greifenfurter Verbrecher dort habt Ihr aufgegriffen, als er es wagte, Waffen und verbotene Symbole nach Garetien zu schmuggeln. Von solcher Tolldreistheit überwältigt, habt Ihr ihn gefangen gesetzt, das Urteil gesprochen und ihn gerichtet. Er heißt Quanion von Keilholtz und ist ansonsten ganz unbedeutend. Und ich brauche Euch nicht darauf hinzuweisen, dass diese drei Schriftstücke hier eine Verbindung haben. Ein ›Junktim‹, wie wir echten Politiker sagen.«