Geschichten:Schmuggel in Greifenfurt - Wenn es denn sein muss...

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Grafenpalas zu Hirschfurt, Mitte Rahja 1033 BF


»Exzellenz, hättet Ihr wohl einen Augenblick Zeit für mich?«

Mißmutig hob Coswin von Streitzig j.H., seines Zeichens Seneschall der Grafschaft Waldstein, den Kopf. Schon allein die Stimme hätte ausgereicht, ihm schlechte Laune zu bereiten, aber er kam wohl nicht umhin, sich mit dem Besucher zu befassen. Vor ihm stand Falk von Hagenbronn, der nominell den Titel des Junkers zu Hartenau trug, wenngleich selbiges Lehnsland wohl nach dessen Auskunft vom Reichsforst überwuchert war. Für Coswin selbst war dies Beweis genug, dass der Junker wenig fähig war, sich um sein zu eigenen gegebenes Land zu kümmern, insbesondere, seit Falk sich als Akoluth der Tsakriche am Grafenhof aufhielt. Zum Glück hauste er wie die meisten der gräflichen Ritter draußen auf dem Gut Grafenruh, wenige Meilen vor der Stadt, anstelle tagtäglich hier im Grafenpalas Unruhe zu verbreiten. Schon allein der Sinneswandel vom fähigen Kriegsmann zum Laienpriester der friedliebenden Göttin war Coswin mehr als suspekt, und die allgemeine Art des Junkers konnte er ohnehin schon nicht austehen.

»Wenn es denn sein muß«, seufzte er daher, bedeutete dem Besucher mit einer Handbewegung, doch Platz zu nehmen, worauf hin sich dieser hörbar den Sessel fallen ließ.

»Also, was habt ihr Neues zu berichten?« fragte der Seneschall sodann, wobei er eine besonderes hämischen Tonfall auf das Wort Neues legte – und sogleich zufrieden feststelle, wie der Junker missmutig die Miene verzog.

»Schlechte Nachrichten«, entgegnete Falk von Hagenbronn, griff in die Falten seinen regenbogenbunten Gewandes und zog schließlich nach einigem Gewühl eine schlecht gefaltetes und reichlich mitgenommen aussehendes Pergament hervor, welches er Coswin herüberreichte. Jener ergriff das dargebotene mit spitzen Finger, fragte sich innerlich, an welcher Stelle das Papier wohl gesteckt habe mochte und verkniff sich, daran zu riechen – denn appetlich sah es nicht mehr aus.

Mit einem weiteren Seufzer des Missmuts öffnete der Seneschall also das Schreiben, wobei er bewusst langsam vorging und schließlich die Zeilen überflog. »Und?« fragte er dann, als er fertig gelesen hatte.

»Was und?« entgegnete der Junker sichtlich verwirrt.

»Was wollt Ihr mir damit sagen?« Coswin blickte den Hagenbronner an, zuckte mit den Schultern und setzte einen gelangweilten Gesichtsausdruck auf.

Falk von Hagenbronn schnappte nach Luft, riß sich dann jedoch zusammen und sank wieder in den Sessel, aus welchem er schon fast aufgesprungen war. »Ein Greifenfurter Baron erdreistet sich, ein Angehörigen des ritterlichen Waldsteiner Adels so mirnicht dirnichts aus dem Leben zu senden, und Ihr tut so, als ginge Euch das nichts an? Das ist ein Verbrechen!« Derweil hatte der Seneschall dem Tsa-Akoluthen das Pergament entgegengereicht und schließlich achtlos fallen gelassen, als selbiger es nicht ergriff; langsam kippte es nun über die Kante des Schreibtisches und segelte zu Boden.

»Was sollte es mich den angehen? Das Verbrechen – so es denn eines war, was zu beweisen wäre – geschah nicht in Waldstein, wie ich diesem Wi… Brief entnehmen kann. Und die Rechtsprechung obliegt durch die Ochsenbluter Urkunde den Baronen, wie Ihr Euch entsinnen werdet.«

»Aber die Hinrichtung eines Adligen…«, brauste der Junker von Hartenau auf, was Coswin sofort dazu veranlasste, diesem ins Wort zu fallen: »…ist nicht meine Angelegenheit, wenn sie in Greifenfurt passiert ist. Wendet Euch doch getrost an die Markgräfin oder den Meister der Mark, wenn Ihr Euch über den Baron von – was war esdoch gleich, Kressenbrug? – beschweren wollt.« Für Coswin war die Sache damit erledigt.

Der Junker hingegen sprang auf. »Das ist eine Sache von grenzüberschreitender Bedeutung!«, blaffte er. »Also habt Ihr Euch der Sache anzunehmen!«

Coswin stöhnte innerlich und überlegte, wie er den Störenfried am besten loswurde. Neerlich seufzend blickte er daher wieder auf, stütze die Ellenbogen auf den Schreibtisch und legte das Kinn auf den zusammengefalteten Händen ab. »Wenn es denn sein muß… So werde ich dem Meister der Mark eine Depesche zukommen lassen. Und nun, mit Verlaub, habe ich zu tun.« Er machte eine abweisende Handbewegung, die dem gewöhnlichen Umgang mit Lakaien eher geziemte.

Junker Falk von Hagenbronn stemmte sich zähneknirschend aus dem Sessel in die Höhe, erblickte dabei das zu Boden gefallene Papier und bückte sich stöhnen danach. Als er sich wieder aufrichtete stieß er sich zu allem Überfluß noch den Kopf an der Tischkante, was Coswin mit einem innerlichen Grinsen quittierte.

Schweigend verließ der Tsa-Akoluth somit den Raum und knallte die Tür wenig friedliebend ins Schloss.

»Öfter mal etwas Neues«, dachte Coswin zufrieden; »auch diese Runde ging wie gewohnt an mich.«


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Eine gute Stunde später schließlich betrat Jendor Allensbacher, Erster Schreiber und Vertrauter des Seneschalls, dessen Kanzleistube. »Was wollte denn der olle Hagenbronn vorhin hier?« fragte er denn auch alsbald.

»Das gleiche wie immer«, engegnete Coswin amüsiert. »Dummes Zeug labern und seine angeborene Besserwisserei ausleben. Bin ihn nur losgeworden, indem ich ihm das Zugeständnis machte, micht seines anliegens anzunehmen.«

»Aha. Und das wäre?«

»Angeblich sei der Sohn und Erbe seines Bruders im Greifenfurtschen aus niederen Gründen von einem dortigen Baron einen Kopf kürzer gemacht worden. Seine Wohlgeboren verlangt nun eine offizielle Prostestnote gegenüber der Markgräfin«, klärte Coswin seinen Untergeben auf.

»Hm, dafür wird es doch sicher Gründe gegeben haben. So wie ich die Hagenbronns kenne…« sinnierte Allensbacher.

»Ganz recht, aber ich will mich weder in greifenfurter Angelegenheiten einmischen noch mir vor dem Regenbogenjünger Blöße gegeben. Seid so gut und setzt darob ein Schreiben an den Meister der Mark auf; kurz, nur das nötigste. Ich habe wenig Interesse daran, den Vorfall zu werten; schreibt also lediglich, dass uns diese Umstände zur Kenntnis gelangt sind und wir jene Angelegenheit daher zuständigkeitshalber zu Gehör bringen, da wir ausdrücklich darum gebeten warden. Mit besten Empfehlungen usw., ich zeichne dann gegen. Und wenn Ihr erst morgen oder übermorgen dazu kommt, soll es mir auch recht sein…«