Geschichten:Schuld und Sühne
Schuld und Sühne
Luring, am Abend des Folgetages: Rudon Langenlob, guter Freund des Grafschaftsregenten Drego, hatte mit ein paar von seinen Freunden wieder mal ordentlich gezecht, geprasst, und die Mägde belästigt, so wie sie es häufig taten. Nach einer Weile des fröhlichen Beisammenseins überkam den Garether ein dringendes menschliches Bedürfnis, welchem er auch prompt nachging. Mit den Worten: „Bin gleich wieder da!“ verließ er die Schenke, bog auch prompt um die nächste Ecke und schlug dann sein Wasser an einem Hinterhof ab. Er war gerade fertig, als er aus den Augenwinkeln einen Schatten bemerkte. Doch noch bevor er sich umdrehen konnte, spürte er einen pochenden Schmerz am Hinterkopf, und es wurde dunkel.
Als er wieder zu sich kam, hatte sich die Umgebung verändert. Er schien in einer Art Keller zu sein, ringsum standen einige Fässer und Kisten. Zwei Fackeln erhellten den Raum nur spärlich. Vor sich sah er schemenhaft drei Gestalten, die er zunächst nicht einordnen konnte. Sein Kopf schmerzte und er fühlte verkrustetes Blut. Wie konnte er bloß in diesen Schlamassel reingeraten sein? „Wer seid ihr? Wo bin ich? Was wollt ihr von mir?“
Einer der drei trat einen Schritt auf Rudon zu. „Steh auf!“ befahl er. Rudon erkannte die Stimme. „Von… von Hirschfurten, seid Ihr das?“
„STEH AUF, SAGTE ICH!“
Rudon erhob sich. Langsam und vorsichtig. Dabei fixierte er den Mann vor sich. Ein kurzer Griff an seinen Gürtel bestätigte seine Befürchtung: man hatte ihm den Dolch abgenommen – er war unbewaffnet. Rudon richtete sich ganz auf und reckte provokant das Kinn.
Da traf ihn ein Faustschlag in den Magen. Rudon beugte sich ruckartig nach vorne, stöhnte laut auf und hustete schmerzerfüllt. „Benimm dich gefälligst, Abschaum!“ sagte Nimmgalf gefährlich leise.
Rudon richtete sich langsam und leicht hustend wieder auf. „Also gut. Was wollt Ihr von mir?“
„Ich will, dass Du bezahlst, für das was du meiner Tochter und damit auch mir angetan hast, als Du ihre Ehre aufs Schändlichste in den Schmutz gezogen hast!“
„Was soll ich …? Ich hab keine Ahnung, wovon Ihr sprecht!“
Der nächste Faustschlag traf den Mann mitten ins Gesicht. Blut spritze auf, als seine Lippe aufplatzte und sein Kiefer gefährlich knackte. Rudon taumelte rückwärts und fiel gegen ein paar Fässer. Benommen blieb er auf dem Boden liegen.
„Meine Tochter hat mir berichtet, wie ihr über sie hergezogen seid, du und deine schändlichen Kumpane, die sich auch noch Ritter schimpfen.“
Er wandte sich an seine beiden Waffenknechte Romin Westfall und Landoran Groter: „Hebt ihn auf!“
Rudon keuchte. Spätestens jetzt war ihm klar geworden, dass er sich in einer äußerst heiklen Situation befand. „Ho… Hochgeboren, was immer sie Euch gesagt hat, es war nicht so …“
„Willst du elender Wurm etwa behaupten, meine Tochter sei eine Lügnerin?“ „Nein, ich …“
„SCHWEIG!“
Der Mann funkelte Rudon hasserfüllt an. „Dreht ihn um und reißt ihm das Hemd herunter!“, befahl der Baron. Die beiden anderen packten Rudon und führten Nimmgalfs Befehl aus. Dabei verdrehten sie ihm die Arme derart, dass er sich nicht losreißen konnte.
Nimmgalf löste seine Reitgerte vom Gürtel. „Jetzt wirst Du lernen, Abschaum, dass die Ehre eines Edelmanns heilig ist, und dass sie in den Schmutz zu ziehen sehr schmerzhaft werden kann!“
Mit einem scharfen Knallen fuhr die Gerte auf Rudons blanken Rücken herab und hinterließ eine blutige Schramme. Schmerzgepeinigt schrie er auf. Erneut schlug Nimmgalf zu, diesmal noch heftiger. Noch ein dritter Hieb traf Rudons Rücken, begleitet von dessen Schreien.
Schließlich brach Nimmgalf ab. „Lasst ihn los!“ Rudon sank auf die Knie. Sein Rücken hatte drei hässliche rote Streifen. Blut rann ihm in dünnen Fäden an den Seiten herab.
„Solltest Du es noch einmal wagen, meine Ehre oder die meiner Familie zu beleidigen, werde ich dir jeden Knochen einzeln brechen, und dich anschließend wie einen räudigen Köter in einem Viehtrog ertränken. Ich hoffe, das war deutlich.“
Damit verließ der Baron den Keller. Seine beiden Waffenknechte folgten ihm und ließen den geschundenen Mann im Dunkeln zurück. Nur das Weiße in seinen Augen blitzte den dreien hinterher. Und in diesen Augen lag ein Hass - so tödlich und so urtümlich, dass es an ein Wunder grenzte, dass die drei Männer ihn nicht im Nacken spürten wie der Verurteilte das Fallbeil.
- Die Reihe "Das Recht des Älteren" geht aufgrund der kollidierenden Handlungsstränge in die Reihe "Greifendämmerung" von bb über.