Geschichten:Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen – Die drei Klageweiber (Dritter Teil)
Burg Scharfenstein, 15. Rahja 1043
Scanlail und Ailsa putzten sich heraus. Sie legte sich ihre besten Kleider an, flochten sich gegenseitig die Haare, halfen sich in die auf Hochglanz polierten Stiefel, legten ihre Gürtel an und den leichten schwarzen Kurzmantel mit dem Wappen ihres Hauses um.
Draußen wartete bereits Lorine. Das Mädchen hatte Stunden damit zugebracht Sadhbh und Runa und Umbra zu striegeln, bis das Fell der Tiere ganz seidig schimmerte, Mähne und Schweif hatte sie in kunstvolle Zöpfe geflochten. Auch davor war sie nicht untätig gewesen, hatte nicht nur Stiefel und Gürtel, sondern auch Zaumzeug und Sattel geputzt. Anschließend zog auch sie sich ihre besten Kleider an und wartete.
Gemeinsam ritten sie nach Burg Scharfenstein. Erhobenen Hauptes. Mutig, stolz und stark. Als wären sie die Sieger. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Doch der Glanz in ihren Augen fehlte.
„Schau!“, Nurinai deutete in die Ferne, „Da sind sie.“
„Ist das da...“, Yolande stand neben ihr, „... Scanlails Langmähne?“
Die Geweihte nickte.
„Sie ist gut zu erkennen“, fand die Raukenfelserin, „Schon von Weitem.“
„Ein Jarl soll ihr Runa geschenkt haben“, erklärte Nurinai seufzend, „Für ihre 'treuen Dienste'.“
Da lachte Yolande: „Und diese Art der 'treuen Dienste' missfallen Dir, Narzisschen?“
„Die thorwalsche Rose ist und bleibt eben meine Schwester“, erwiderte die Geweihte schulterzuckend, „Und ich mag nicht wenn... wenn meine Schwester sich... sich... sich...“
„Das verstehe ich gut“, erwiderte Yolande verständnisvoll, „Geschwister bleiben immer Geschwister. Man hasst und liebt sie zugleich. Doch egal was geschieht, man bleibt sich immer auf eine ganz eigene Art verbunden.“
„Ja“, Nurinai seufzte, „Und nun wird meine Schwester Baronin...“
Die Raukenfelserin nickte.
„Dass Graf Drego ausgerechnet den Altjachterner belehnt...“, merkte die Geweihte an.
Yolande schmunzelte: „Muss wohl am Namen liegen.“
Da lachte Nurinai: „Ja, aber ich hätte ihm das so gar nicht zugetraut. So überhaupt nicht. Besonders ehrgeizig erschien er mir nicht gerade...“
„Ist er auch nicht, aber er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und während die Familie Schwarztannen und die Familie Erlenfall gleichermaßen versucht haben ihren Anspruch auf die Baronie bei Graf Drego geltend zu machen, war der Altjachterner der lächelnde Dritte. Allerdings...“, merkte die Raukenfelserin an, „... hatte er eine ganze Menge Steigbügelhalter, allen voran die Familien Eichstein und Radewitz, die Familie Nadoret natürlich nicht zu vergessen.“
„Keine von ihnen werden wir angemessen dafür entschädigen können“, stellte die Geweihte seufzend fest, „Wir schulden ihnen einen Gefallen.“
„Einen großen Gefallen“, merkte Yolande an, „Und diesen werden sie auch einfordern. Eines schönen Tages.“
„Ja, eines schönen Tages.“
„Weißt Du“, fügte die Raukenfelserin hinzu, „Ich glaube dennoch, dass es sein Vorname war, der den Ausschlag gab: Graf Drego. Baron Drego.“
Bereitwillig wurde Ailsa, Scanlail und Lorine das Tor geöffnet. Im Innenhof wurden sie schon erwartet. Umringt von seinem Hofstaat und allen jenen, die sich so ein Spektakel einfach nicht entgehen lassen konnten, stand Drego von Altjachtern, Baron zu Schwarztannen, und zu seiner Linken Albur von Nordingen.
„Was... will der denn hier?“, raunte Scanlail sichtlich irritiert ihrer Schwester zu.
„Um Deine Hand anhalten“, frotzelte Ailsa.
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