Geschichten:Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen – Die drei Klageweiber (Zweiter Teil)
Stadt Schwarztannen, 15. Rahja 1043
„Und...“, gab Ailsa zu bedenken, „... wenn keine von uns bei Hofe ist?“
„Wir setzten uns loyale an den Hof. Dann wissen wir alles in guten Händen“, erwiderte Scanlail
„Hm“, machte die Ritterin da nur.
„Scheint ganz so, als würden Dir die Argumente ausgehen“, stellte die Skaldin schmunzelnd fest.
„Mir ist kotzelend, thorwalsche Rose“, lamentierte Ailsa, „Richtig elend!“
„Versuch trotzdem etwas essen...“, redete die Skaldin auf sie ein und deutet auf das reichlich bereitgestellte Frühmahl, „Nicht das Du vor deinen Untertanen noch umkippst.“
„Ich mag nicht, ich bekomme keinen einzigen Bissen herunter, aber Du darfst gerne anfangen...“
„Später vielleicht...“, lehnte Scanlail ab und hob zu ihrer Geschichte an: „Um die erste Dämonenschlacht herum, lebten in Praiosborn drei Schwester. Ein jede von ihnen war so wunderschön, dass keiner zu sagen vermochte, welche denn nun die Schönste unter ihnen war. Und so geschah es, dass die jungen Frauen nicht nur viele Blicke auf sich zogen, sondern auch viele Männer um sie freiten. Die Schwestern jedoch, schickten die Freier stets wieder fort, ganz gleich mit welchen Liebesbekundungen und hübschen Geschenken sie sie zu überhäufen versuchten. Keine von ihnen gedachte zu heiraten, denn sie hatten sich geschworen für immer zusammen zu bleiben.“
„Kommt mir irgendwie...“, Ailsa lachte, „... bekannt vor.“
„Drei Schwestern“, erwiderte die Skaldin nickend, „Ein merkwürdiger Zufall, nicht wahr?“
Die Ritterin versuchte sich an einem Lächeln.
Und Scanlail fuhr fort: „Eines Tages jedoch kam ein Hoher Herr...“
Ailsa seufzte schwer: „Ja, ja, diese Hohen Herren. Die kommen und stehlen einem das Herz...“
„Ein weiterer merkwürdiger Zufall, nicht wahr?“, kommentierte die Erzählerin, „Auch der Hohe Herr freite. Um jede einzelne von ihnen.“
„Um jede einzelne?“, hakte Ailsa da ein wenig fassungslos nach.
„Ja, um jede von ihnen, hinter dem Rücken der anderen selbstredend. Erst freite er mit lieblichen Worten und falschen Schwüren. Dann mit teuren Gewändern und kostbarem Schmuck aus Silber, Gold und Edelsteinen. Und zum Schluss mit Drohungen. Doch jede einzelne blieb standhaft und verweigerte sich dem Hohen Herrn und das immer wieder auf‘s Neue. Jedes Mal.“
„Der wollte die doch nur ins Bett kriegen!“, schloss die Ritterin, „Mit solchen Hohen Herren kenne ich mich aus...“
Das entlockte Scanlail ein Lächeln: „Und wieder ein merkwürdiger Zufall, nicht wahr?“
„Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich die Geschichte wirklich zu Ende hören will...“
„Tja, zu spät. Eine Geschichte muss immer zu Ende erzählt werden.“
„Sagt wer?“
„Sag ich, deine liebe Schwester“, erwiderte die Skaldin keck und fuhr fort: „Diese Zurückweisungen war der Hohe Herr nicht gewohnt und mehr noch, er war nicht gewillt, sie hinzunehmen. Rasender Zorn überfiel ihn und er befahl seinen Schergen die drei Schwestern zu entführen und auf seine Burg zu verschleppen, damit er unterwerfen konnte. Doch das Vorhaben scheiterte. Die jungen Frauen konnten ihren Häschern entkommen. Zumindest dieses Mal. Und während sie sich im nahegelegenen Wald versteckten, wurde ihnen klar, dass sie gewiss nicht noch einmal entkommen würden und so sannen sie verzweifelt darüber nach, was sie denn nun tun konnten. Ihrem Schicksal ergeben und dem Hohen Herren willige Buhlen sein, nein, das konnten sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Aber was blieb ihnen anderes übrig?“
„Tja, das frag ich mich auch...“, sprach Ailsa und nahm Bezug auf ihre eigene Situation.
„So versteckten sie sich im Wald. Dort litten sie bitteren Hunger und eisige Kälte, zumal der Winter nahte und ihre Häscher noch immer nicht von ihnen abgelassen hatte. Irgendwann gelang es ihnen die drei Schwestern aus dem Wald zu treiben. Sie liefen und liefen. Um nichts als um ihr Leben. Doch sie wussten, es gab kein entrinnen, kein entkommen, sie waren verloren.“
Ailsa lauschte aufmerksam.
„So liefen und liefen sie. Die Reiter machten sich einen Spaß mit ihnen, denn sie hätten sie bereits längst einholen können, taten es aber nicht. Dieses Mal würden sie nicht enkommen, das wussten die Schwestern. Die Häscher trieben die Schwestern auf den Praiosborn zu. Von dort würde es für die Frauen kein Entkommen mehr geben, sie wären gefangen. Doch fassten sie einen Entschluss: Lieber wollten sie alle sterben, als sich dem Hohen Herrn zu unterwerfen. Und so stürzten sie sich gemeinsam in das tiefblaue Wassers des Praiosborns und verschwanden...“
Scanlail hielt inne. Ailsa fröstelte.
„Ihre Körper wurden nie gefunden. Der Praiosborn hat sie einfach verschlungen. Auch heute noch trifft man die drei Schwestern dort an. Immer wieder sollen ihre Geister dort umgehen...“
Da fröstelte Ailsa nur noch mehr: „Das Wasser ist kalt, wir sollten uns ankleiden...“
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