Geschichten:Seelensuche – Süße Zeitverkürzung
Ende Phex, Pfalz Bugenhog
»Aber bitte, Hochgeboren, wegen mir müsst Ihr doch nicht aufstehen!«, lächelte die aschblonde Pfalzgräfin den wartenden Leomar von Zweifelfels offen und freundlich an. Unter ihren wallenden Gewändern zeichnete sich unter ihrem üppigen Busen ein prallrunder Bauch ab, ihre Wangen leuchteten gerötet. »Mein Gemahl bat mich darum, Euch die Zeit zu verkürzen, aber wichtige Geschäfte nehmen ihn seit einiger Zeit sehr in Anspruch.«
Man hatte den Neerbuscher Kronvogt in ein Empfangszimmer geführt, dessen üppig ausgestellter Reichtum Leomar für einen kurzen Augenblick den Atem verschlagen hatte. Der Bugenhoger Pfalzgraf hatte einen feinen erlesenen Geschmack: Das Mobiliar war offenkundig im Lieblichen Feld gefertigt worden aus uthurischen Hölzern, die übergroßen Bilder an den Wänden entstammten den höchsten Meistern ihrer Kunst – Seemond, Morvray, Vindest und Korden waren ihm durchaus ein Begriff – und diverse teure und prunkvolle Kleinodien füllten den Raum mit einer Sache: Macht.
Mit federnden Schritten näherte sich Leomar der Gattin seines Gastgebers und hauchte ihr einen Kuss auf die zarte alabasterne Hand. »Mit Verlaub, Ihro Hochwohlgeboren, Euch nicht gebührend zu begrüßen wäre eine grobe Beleidigung der Gebote der gütigen Herrin Rahja!« Und der verzückenden Herrin Rahja, fuhr es ihm durch Sinn, während ihn die junge Schönheit mit leicht gesenkten Augenlidern und seligem Lächeln gewähren ließ.
»Ach, so verständige Menschen wie Ihr müsstet uns häufiger besuchen!«, seufzte die Pfalzgräfin, während sie sich auf einer mit weiß-goldenem Polsterstoff bezogenen Chaiselongue setzte und dem Kronvogt mit einer winkenden Handbewegung auf einen Fauteuil der gleichen Gruppe um ein niedriges, mit Intarsien verziertes Tischchen einlud. »Was für grässliche Lügen man über meinen wunderbaren Gatten doch im Königreich erzählt, allen voran die neidischen Pudel aus dem Zedernkabinett. Deswegen besucht uns ja niemand mit Geschmack und Verstand, nur diese tumben Leute, mit denen mein Gatte immerzu wichtige Geschäfte zu besprechen hat, zu denen er mich nicht mitnehmen kann. Es ist schon ein wenig langweilig hier in dieser großen Pfalz.«
"Verehrteste, ich bin wahrlich untröstlich, Euer Gemahl hat sich über alle Maßen für das Reich verdient gemacht. Der Pöbel hat seinen Triumphzug von St. Parinor gefeiert und wie verhält sich der Adel? Aber seid unbesorgt, die neidischen Pudel von denen Ihr sprachet sind nichts anderes als alte verdorrte Zedern die unweigerlich beim nächsten größeren Windstoß brechen werden." Leomar von Zweifelfels schaute die Pfalzgräfin mitfühlend an. "Ihr müsst mit Eurem Gemahl an meinen Hof nach Neerbusch kommen, um mich mit einem Besuch zu erfreuen. Dort fehlt es weder an Gästen mit Geschmack und Verstand, noch an rahja- wie rondragefälligen Rittern, die mit ihrer Dichtkunst jedes Herz erfreuen."
Ein in Bugenhoger Livree gekleideter Lakai hatte ein leichtes Gebäck und aromatischen Tee gebracht, von denen die Pfalzgräfin ihrem Gast etwas anbot. Freundlich nickend griff der Kronvogt zu und ließ sich das süßzuckrige Gebäck auf der Zunge zergehen.
»Aber dafür habe ich meine Kleinen jeden Tag um mich. Sagt, Kronvogt, liebt Ihr auch Kinder? Ich könnte ihren possierlichen Späßen und neckischem Treiben stundenlang zuschauen. Ich könnte Euch Geschichten über die Flausen meines kleinen Raul Reto erzählen, Ihr würdet nicht glauben, welche fabelhaften Dinge dem Kopf eines Dreijährigen entspringen können. Ach, wenn wir doch alle die Unschuld der Kinder bewahrt hätten, wieviel schöner wäre dann Deres Rund!«
"Da bin ich ganz bei Euch, meine Teuerste. Ich habe derer drei und ich kann aus tiefsten Herzen behaupten, mein Leben ist um so vieles reicher seit die Götter sie mir geschenkt haben. Sie sind mein ganzer Sonnenschein."
Wieder wurde die Tür geöffnet und ein weiterer Lakai betrat den Raum. »Seine Hochwohlgeboren lässt sich entschuldigen, dass er es heute nicht mehr schaffen wird, Euch empfangen zu können. Er bittet Euch die Nacht in der Pfalz zu verbringen und ihn morgen zur Jagd zu begleiten. Das Zimmer für Euch ist bereits hergerichtet.«
»Oh ja, wie schön, dass Ihr nicht heute schon abreisen müsst«, freute sich Selinde von Borstenfeld. »Ich sehe Euch dann heute zum Abendmahl, dann können wir unser wunderbares Gespräch fortsetzen. Wie sehr interessiere ich mich für Euer Leben in Waldstein und welche Geschichten ihr mir erzählen könnt!«
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Pfalzgräfin. Ich hege die Hoffnung mehr über die fabelhaften Geschichten um Euren Sohn zu hören. Ich bin überzeugt, wir werden einen unterhaltsamen Abend verbringen."
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