Geschichten:Sertiser Sonnenstände - Morgengrauen

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Pfalz Breitenhain, Morgenstunde des 3. Namenlosen 1035 BF

Wann das Wolfsgeheul begonnen hatte, konnte niemand genau sagen. Die Küchenmagd Gunilda der Kaiserpfalz würde am nächsten Tag steif und fest behaupten, das lange schaurige Rufen des wilden Tieren habe just in dem Moment angehoben, als ihr während der Vorbereitung auf das Frühstück des Pfalzgrafen der Krug mit dem teuren Almadaner Wein, den der Pfalzgraf dem sauren Sertiser Sauser (einem schrecklichen Weißwein aus den Hängen der Pfalzgrafschaft, der Gerüchten zufolge seinen Namen von den herb duftenden Winden, die er beim Trinker in dessen Gedärm erzeugte, ableitete) vorzog, aus einer Unachtsamkeit aus den Händen gerutscht war und ihr den Ausruf »Verdammte Niederhölle!« entlockt hatte.

In dem kleinen Städtchen Hornbeil dagegen verband man es dagegen allgemein mit der frühzeitigen Niederkunft des Kindes des Schmiedes, welches die unglückliche Mutter Walburga voller Verzweiflung mit einem schweren Feldstein um das schmale Hälschen im Stadtteich ertränkt hatte, damit das verfluchte Kind keinen dunklen Schatten auf ihren Traviabund werfen möge, zumal sie insgeheim befürchtete, es käme ans Tageslicht, dass sie nach so vielen kinderlosen Ehejahren eine der alten Frauen in den umliegenden Dörfern aufgesucht hatte, um durch ein Heilkraut ihre Mutterfreuden herbeizurufen. Jetzt wartete sie auf eine Verurteilung als Kindsmörderin.

Der Pfalzgraf von Sertis dagegen war sich mehr als sicher, dass das Heulen im Wald ihm galt, genauer gesagt seiner Seele. Denn wieder einmal war er mit wildpochendem Herzen aus einem furchtbaren Alpdruck erwacht, wie er ihn seit einigen Jahren schon häufiger erdulden musste. Wie so häufig war er in Panik und voller Angst durch den finsteren Reichsforst gerannt, während das höhnische Lachen seines Verfolgers hinter ihm erscholl. Und er wusste sehr genau, wessen Lachen das war, und noch immer fürchtete er sich vor dieser verfluchten Gestalt, selbst wenn er genau gesehen hatte, wie der finstere Schwarzmagier und dämonische Hexenknecht Bartholomäus zu Boron gefahren war. Der leise Zweifel jedoch, ob nicht dessen Seele von einem der Widersacher der Zwölfe zurückgeholt nach Dere worden sei, um ihn als böser Geist zu verfolgen, war nie verstummt.

In seinem kalten Schweiß tastete Hilbert verzweifelt nach der Öllampe neben ihm, um sich davon zu überzeugen, dass er in seinem hohen Turmzimmer allein und in Sicherheit war. Das kleine flackernde Licht warf tanzende Schatten in das Zimmer, und während Hilberts Blick in Richtung Tür fiel, hätte er schwören können, einen dunklen gedrungenen Schatten aus seinem Schlafgemach entfliehen zu sehen. Und während ein plötzlicher und jäher Windhauch die Flamme löschte, spürte der Pfalzgraf einen kalter Schauer über seinen Rücken laufen. Genau in diesem Moment setzte das Geheul ein, von dem Hilbert später einmal behaupten würde, es sei der Weckruf gewesen, um ihn zu ermahnen seine von den Dämonen des Reichsforsts bedrohte Seele zu beschützen.

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An Ihre Exzellenz

Lechmin Lucina von Hartsteen

Custora Lumini zu Arras de Mott
 
 
 
 
Die Zwölfe und Praios zum Gruße, geschätzte Base!

Einst erlaubtet Ihr mir in einer finsteren Stunde meines Lebens in Eurem Rat Zuflucht und Trost zu nehmen. Doch noch immer verfolgen mich die Dämonen jener Stunde, rauben mir meinen inneren Frieden und quälen meine verängstigte Seele. Nicht wenig versuchte und unternahm ich, um mich von diesen schwere Sorgen zu befreien, doch wie mir schien führte jeder Weg nur direkt wieder zurück an seinen Ausgang und bewirkte so oft das Gegenteil dessen, was ich zuvor beabsichtigt hatte.

Seit meinem nun fast einjährigen Traviabund mit der holden Isora von Mersingen verspüre ich mehr und mehr eine zunehmende und sich ausbreitende Dunkelheit in meinen eigenen Wänden, unternimmt die Base des Rabenmärker Markgrafen doch alles in ihrer Macht stehende, um ihrer Verehrung für den Ewigen Raben bestmöglichen Ausdruck zu verleihen. Seitdem nun auch eine Marbide ihr als persönlicher Ratgeber zur Seite steht, werde ich das Gefühl nicht los, als sei ich in eine dunkle Nacht geworfen worden, aus der zu entfliehen mir ohne Beistand kaum möglich ist.

Ich verspürte einst den direkten Blick des Herrn der Gefilde Alverans auf meiner unbedeutenden Seele und mit jedem Tag begrüße ich sein Licht wie ein Zeichen der Hoffnung und der Erlösung. Und während ich einen gewaltigen Überfluss an weltlichen Helfern und Ratgebern habe, empfinde ich doch einen tiefen Mangel an Rat und Beistand in göttlichen Belangen. Und auch wenn ich selbstverständlich der gütigen Herrin Peraine für ihren Segen und Schutz für mich und die Ernte meiner Untertanen Dankbarkeit erbiete, so hoffe und vertraue ich doch mehr als auf alles andere auf geistlichen Beistand eines Dieners der himmlischen Richters.

Ich wende mich daher an Euch, ferne und teure Base, um Euch um einen Rat und Vorschlag zu bitten, um mir für Breitenhain einen würdigen und geeigneten Hofkaplan des Götterfürsten zu empfehlen, denn Eurem Augenmaß und der Klarheit Eures Urteils vertraue ich mehr als jemanden anderen. Als Zeichen meiner Wertschätzung erlaube ich mir, für den Wiederaufbau des Klosters der Hüter den angefügten Betrag zu Eurer freien Verwendung beizufügen.

In tiefer Ergebenheit der Pfalzgraf zu Sertis und Euer Vetter
 
 
 
 
Hilbert von Hartsteen

gegeben zu Breitenhain während der namenlosen Tage 1035 BF



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Texte der Hauptreihe:
3. Nam 1035 BF
Morgengrauen


Kapitel 1

Morgenröte
Autor: Hartsteen