Geschichten:Simold von Pfiffenstock - Die Monate danach
Haselhain, Perricum, Rondra bis Tsa 1036 BF
Ein halbes Jahr war vergangen. Doch die letzten Momente in der Höhle tief unter der Amazonenfeste Raschtulswacht hallten immer noch nach. „…Und Ihr könnt endlich Erlösung finden, denn Euer heiliger Schwur ist erfüllt.“ Dies waren seine letzten Worte gewesen, die letzten Worte eines Monologs wie er dem Al’Hatim der Nebachoten würdig war. Und er hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Der mehrere Schritt große Geisterfürst, dessen Gestalt mehr Nebel als Form gewesen war, hatte daraufhin seine Krieger in seinen Nebelleib zurückbeordert und sich noch einmal ehrfürchtig vor Simold verbeugt. Dann hatte er die Kelche freigegeben und sein nebulöser Körper sich in die Ritzen der Höhlenwände zurückgezogen und ward verschwunden, aber nicht ohne noch eigene letzte Worte zu sprechen: „SO SEI ES, SIMOLD „DER SELBST DIE TOTEN BEREDEN KANN“, ERBE DERER DIE EINST DIE KELCHE HIER VERWAHRT WISSEN WOLLTEN. SO NEHME SIE AN DICH UND ERNEUERE DEN BUND UM GESTÄRKT GEGEN DIE SCHATTEN AUS DEM OSTEN ZU STREIKEN UND DEIN VERSPRECHEN EINZULÖSEN, DAS DU UNS GABST , AUF DAS WIR ERLÖSUNG FINDEN UND UNSERE AHNEN MIT STOLZ ERFÜLLEN. GEH HIN UND BEGEGNE DEINEM SCHICKSAL.“
Mit den letzten Worten hatte sich ein leichtes Beben erhoben und die Höhlenwand hinter dem Sockel hatte sich in arkanem Flimmern aufgelöst und einen Durchgang freigegeben, der Simold und die beiden Kelche, nach einem weiteren Tag, völlig entkräftet wieder an die Oberfläche geführt hatte. Wo man sichtlich erleichtert gewesen war ihn wieder zu sehen. Denn dort hatten die vor Tagen zurückgekehrten Verletzten, nach dem Ausbleiben von Nachrichten oder anderen Lebenszeichen, den verschütteten Gang vorgefunden und ihn freigeräumt, nur um ein Stück weiter die notdürftig aufgebahrten Leichen Lascorians und Nazirans zu finden und sich um so größere Sorgen um den Baron gemacht, so dass man schon die anderen Männer vor den Toren einlassen und zusammen einen Suchtrupp bilden wollte. Dies war dann aber nicht mehr nötig gewesen. Bis Ende Praios hatte sich Simold auf Raschtulswacht erholt und sich in ruhigen Phasen mit der Anführerin der Amazonen über das Erlebte besprochen. Der Gigant barg noch viele Geheimnisse aus alter Zeit, darin waren sich beide sicher.
Anfang Rondra waren der Baron und seine Männer dann aufgebrochen, sichtlich zur Erleichterung der Amazonen. Die Kelche und Körper ihrer verstorbenen Kammeraden bei sich um letztere den alten Riten und erstere ihrer Bestimmung zuzuführen.
Und so hielten sie es, angekommen in Haselhain, 18 Tage mit den Bestattungsriten der Nebachoten, übten sich in den ersten im blutigen Wettkampf und aßen rohes Fleisch. In den Tagen nach der von den Klägerinnen beweinten Bestattung, hielten sie es mit der jungen Göttin und verspeisten kein Fleisch um dann mit dem Ablauf des letzten Tages das von Simold versprochene große Fest zu feiern, den Gefallenen zur Ehre.
Es war gewesen wie vor knapp 2 Jahren, als Ra’oul der Sohn Eslams gestorben war, als Held. Damals hatte Simold diese Lethargie eingeholt. Doch diesmal war es anders. Diesmal hatte er seinen Göttergegebenen Pfad gekannt. Und hatte sich sofort nach den Trauerfeierlichkeiten an die Vorbereitungen gemacht, nicht gerade zu der Erleichterung seiner Vögtin, die nach seiner Rückkehr gehofft hatte, dass er die Geschäfte der Baronie wieder völlig übernehmen würde, doch dem war nicht so, darum kümmerte er sich eher nebenher oder ließ sie von Lyn erledigen. Selbst als Gerüchte von seltsamen Vorkommnissen auf Burg Angareth bis nach Haselhain kamen und bald darauf „das ganze Königreich“ nach dem Verbot der Nanduskirche rief, überlies er dies der Albernierin. Denn er sah seine Aufgabe vorerst woanders. Eine Shar (neb. für: Truppe, Haufen, Gemeinschaft, Freunde, auch Famlie (engster Kreis)) musste zusammen gerufen werden. Der Heiligen Zahl neun, ein Edler jeden Stammes der Babur Nebachosja. Zusammen würden sie den Bund erneuern und zwar mit dem höchsten Vertreter der Trolle den Simold kannte. Strutzz, der Baron von Trollnase.
Doch leider gestaltete sich dies schwieriger als erwartet. Die Euphorie nach dem gemeinsamen Ritt der 9 Stämme im Krieg der 35 Tage war längst wieder verflogen und die Stämme und Sippen waren schon wieder in ihren kleinen und großen Zwisten aufgegangen. Und es hatte Simold, alle Kraft, Nerven und vor allem viel Zeit gekostet überhaupt genug hohe Vertreter aller Stämme an einen Tisch zu bekommen. Und als sie sich in Morganabad trafen, nahmen sie Simold teilweise nicht einmal ernst. Hinter vorgehaltener Hand sprachen sie von ihm als Simold Al’Haimamud (Der Geschichtenerzähler) und so zogen sich die Gespräche einige Wochen hin und Simold begann zu verzweifeln, die Schande ihrer Ahnen schien in ihren Erben weiter leben zu wollen. Und gegen Ende des Treffens hatte er nur seine Ammayin, die Bahr ai Danal und die Chor’ibin unter den Nebachoten und die Baburen der Ulashani und der Madanyani hinter sich. Es war wie damals bei Ommdablabad, als sich die Stämme nicht einigen wollten. Der Hochmut und die Ignoranz war schon immer ihr Problem gewesen und hatte auch zum Fall ihrer Ahnen geführt. Mit Wut in den Augen hatte er da gestanden, Eslam tobend und auf die Spalter fluchend neben ihm. Doch dann hatte er etwas getan, was niemand von ihm erwartet hatte. Anstatt in den wütenden Reigen des Al’Shuars einzusteigen, hatte er sich auf ein Kissen gesetzt und geschwiegen, geschwiegen und seine Gegenüber beäugt. Und auch nach Stunden war ihm kein einziges Wort über die Lippen gekommen. Bis den anderen unheimlich dabei wurde, als er auf nichts reagierte.
„Ich sitze die Schande meiner Ahnen aus, wie ein Hund der Prügel von seinem Herren bezogen hat, nachdem er meinte die Weisheit seines Herren anzweifeln zu müssen.“, antwortete er schließlich auf die erneute Frage nach dem Zweck seines Schweigens. „Dieser Hund sind wir, einst stolz und kräftig, doch durch unseren Stolz geblendet und zu recht gestraft. So dass wir, die alte Größe vergessen, uns nur noch um die Flöhe in unserem Fell kümmern, statt darum den Hof zu beschützen. Schande, Schande, Schande, zu recht über uns.“ Dann schwieg er wieder und die anderen, verärgert, beeindruckt oder was auch immer, von Simold, setzten sich ebenfalls und taten es Simold gleich. Noch nie war ein Treffen von nebachotischen und baburischen Edelmännern so still gewesen. Und es war diese Stille, die nur von dem leisen Donnergrollen eines fernen Gewitters, gebrochen wurde, die den Funken in sie alle übergehen lies. Nach Stunden der Ruhe, ließen sie sich ein recht karges Mahl bringen, reichten sich Trank und Speiß und aßen gemeinsam, immer noch schweigend.
Bis sich schließlich einer der Männer der baburischen Aimaristani erhob und als erster wieder sprach: „Hohe Anführer meiner erhabenen und geliebten Geschwister der Babur Nebachosja. Wir haben gestritten und geschwiegen, gespeißt und getrunken wie es sich für die Kinder Nebachots gehört, nun ist es an der Zeit, auch gemeinsam alte Bande wieder zu knüpfen und den Ruhm der 9 Stämme zu mehren. Die Aimaristani sind mit dir Simold han Fir’Enock.“
Aufbrausender Jubel durchbrach euphorisch die Ruhe der letzten Stunden und man begrüßte die Aimaristani in seinen Reihen. „Die Geschichte soll nicht sagen, dass die mutigen Männer der Krek Awar ihren Geschwistern nicht oder als letzter folgten. Bei den Göttern, die Krek Awar folgen Euch Simold han Fir’Enock, Al’Hatim der Nebachoten. Die anderen hole der 13malverfluchte.“, Brinian von Schurr schleuderte mit seinen letzten Worten seinen Kelch in Richtung der noch Unentschiedenen. Die ob dieser Geste sofort auf den Gerbenwalder Junker und Stammesführer eindrangen um ihm schließlich einen kräftigen aber wohlwollenden Schlag zu versetzen und dann ihre Pokale ebenfalls gegen die Wand zu schleudern und ihre Zustimmung zu beteuern.
Simold war mehr als zufrieden: „Nun gut, meine ehrwürdigen Geschwister, dann ist es hiermit besiegelt. Am 1. Rahja diesen Jahres, brechen heilige Neun von uns auf um den altehrwürdigen Bund zwischen den Babur Nebachosja und den Thruliim zu erneuern und die Stämme in eine neue Zeit zu führen. Bei Kor und seiner Mutter, bei den Alvernaischen Geschwistern. So sei es.“ Der Rest ging in den Jubelrufen unter.
(Kursiv = Nebachotisch)