Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Opfer und Pflichten

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Breitenau

Grenzreiterlager in der Baronie Donfanger

Mitte Ingerimm 1033 BF

Dramatis Personae

„Ich bin dann, wie du weißt, doch noch zur Armee gegangen, aber eben erst nach meinem Ritterschlag. Natürlich konnte ich nicht mehr nach Wehrheim gehen, die Akademie und die ganze Stadt gibt es ja nicht mehr. Aber ich hätte gerne meine Schwester Lisande dort hin geschickt, um Draminas Opfer für die Mark und das Reich zu ehren. Vater sah das sicherlich auch so. Aber es macht natürlich keinen Sinn über Verlorenes zu klagen. Lisande wird jetzt eine Ritterin und als solche wird sie der Mark ebenso nützlich sein. Du wirst sie kennenlernen wenn wir zu Anselm reiten. Er hat sie als Pagin in seine Dienste genommen.“

„Ja es ist traurig. Du weisst, dass auch ich vor Wehrheim war und neben Gernot von Rothenborn und einigen wenigen Soldaten, darunter der Weibel der Zwoten hier, Helmbrecht von Jungingen überlebt habe. Ich kannte nicht alle und habe die Verlustlisten nie gelesen. Deine Tante, möge sie an Rondras Tafel einen Ehrenvollen Platz bekommen, ist vermutlich auf unserer linken Flanke geritten, als wir mit der Frontbrecherschwadron in die feindlichen Linie aus Untoten brachen. Ich erinnere mich, dass die Grenzreiter die rechte Flanke des Angriffs gebildet hatte, deswegen traf das Zentrum und eben unsere linke Flanke die volle Wucht des verfluchten Magischen Rituals des zwölffach verfluchten Galottas, das Meran „Magnus Opus des Weltenbrandes“ nannte. Die Grenzer hatten keine Chance. Meine Schwadron wurde von den Verwerfungen ans Dergelufer gefegt, wo viele meiner Frauen und Männern in ihren schweren Rüstungen ertranken.“ Urion ließ die Schultern sinken als sich die Bilder vor seinem inneren Auge formten.

Dann fasste er sich wieder und trank einen tiefen Schluck. „Ja, welch große Opfer hat die Mark an jenem Tag bringen müssen. Wie so viele zuvor. Immer haben wir nur reagieren können. Und Bitter war der Verlust unserer Besten, an ihrer Spitze der Orkenwaller. Aber auch die unzähligen Kämpfer die für Kaiser und Reich gefallen sind. An der Trollpforte, auf Maraskan, in Tobrien, in Weiden, in den Befreiungskriegen und der Wildermark ließen sie ihr Leben. Manchmal habe ich den Eindruck, dass all dies einem göttlichen Plan folgt, wo der eine Krieg einem anderen folgt und der wiederum ursächlich ist für unsere Schwäche, so dass der Nächste seine gierigen Hände nach uns ausstreckt. Es gab eigentlich nie eine Phase eines langen Friedens für die Mark. Wenn wir es nicht waren, die im Überlebenskampf standen, rief uns das Reich. Und der nächste Ruf kommt ja bald wieder, wenn ich deine Nachrichten richtig deute. Das werde ich übrigens heute abend auch kurz anklingen lassen. Die Frauen und Männer haben ein Anrecht zu erfahren, was weiter mit ihnen geschieht und wofür sie kämpfen.“

„Das ist wahrlich nur Recht. Helme Haffax wird beileibe kein einfacher Gegner werden. Die Mark wird ihre Pflicht dem Reich gegenüber sicherlich erfüllen, so wie sie es immer getan hat. Wenn nur die Wildermark endlich befriedet wäre, dann würde ich der Auseinandersetzung mit Haffax ruhiger entgegensehen. Wollen wir nur hoffen, dass der Schwarzpelz weiterhin Ruhe hält. Noch eine Front können wir nun wahrlich nicht gebrauchen.“

„Was die Wildermark betrifft, vertraue ich ganz auf Ludalf. Zunächst muss ich dir allerdings etwas gestehen, von dem nur wenige wissen. Reto sandte mich zu Ludalf nach Gareth, während die Greifenfurter Truppen mit dem Prinzen mit Answin zogen. Nachdem man mich bereits in Elenvina eingesetzt hatte, sollte ich nun die Lage und Entwicklung in Gareth beobachten und melden. Im Stab von Wertlingens war ich für die Organisation der Kavallerie zuständig. Deshalb nahm ich dann auch an der Schlacht gegen Answin und eben die Greifenfurter teil.“

Nach dieser Eröffnung pfiff Ardo leise durch die Zähne und lehnte sich ein Stück zurück, während er weiterhin aufmerksam zuhörte.

„Ich wusste um die Entwicklungen in Greifenfurt und mir war klar, welche Verwerfungen es in der Mark geben würde, wenn ich letztlich gegen die „Greifin“ in die Schlacht ziehen würde. Ludalf erkannte meine missliche Lage und nahm mich kurzerhand in seinen Dienst. Unter seinem Banner führte ich das Wappen derer von Wertlingen. Nicht wenige waren an jenem Tage verblüfft, an wie vielen Stellen Ludalf gleichzeitig gefochten hat. Praios sei Dank traf ich während der Schlacht nicht auf den Prinzen oder einen Hochgeborenen der Mark. Während einer Kavallerieattacke entdeckte ich gerade noch rechtzeitig das Banner des Prinzen und lenkte meine Schwadron dann in einem ausgreifenden Bogen aus der tiefen Flanke in eine Kompanie Bogenschützen. Du kannst dir vorstellen, dass einige Märker sicherlich gram wären, wenn sie davon wüssten. Ich allerdings denke, dass auf jenen Schlachtfeldern aus allen Regionen Bruder gegen Bruder gekämpft hat.“

„Mir ist bewusst, dass wir nicht immer eine Wahl haben, vor allem wenn wir eindeutige Befehle erhalten. Die Götter allein wissen, was sie mit uns vorhaben. Sei meinetwegen also unbesorgt. Doch wenn du irgendwann einmal meinen Vetter Unswin aus dem Zornesorden treffen solltest, erwähne das ihm gegenüber besser nicht. Er hat damals noch als Knappe auf Greifenfurter Seite für Answin gefochten, hat dabei seinen Vater in der Schlacht verloren und ist selbst aufs Schlimmste im Gesicht entstellt worden. Ich denke durch die Zeit im Orden ist er darüber hinweg, aber wozu in alten Wunden rühren.“

„Was aber Ludalf angeht, ist er aus meiner Sicht wie kein anderer seiner Kaiserin treu ergeben. Daran könnten sich manch andere Provinzherren ein Beispiel nehmen, zumal kaum einer persönlich so viele Opfer gebracht hat. Ludalf ist ein erfahrener Kämpfer und Taktiker, dem es gelingen wird, wieder Ruhe in die Region zu bringen. Wo immer es geht, sollten die Anrainerbaronien ihn dabei unterstützen. Die praiosgefällige Ordnung muss von der Mark ausstrahlen und die Finsterlinge der Wildermark aus ihren Löchern fegen. Und du hast mit deiner Einschätzung durchaus Recht. Wir brauchen nicht zuletzt auch Ludalf von Wertlingen und seiner Truppen, um Haffax entgegen zu treten.“

Ardo nickte zustimmend. „Völlig richtig. Die Mark muss wieder ein sicherer Ort werden, von dem Praios’ Ordnung in die Nachbarprovinzen ausstrahlt. Im Moment können wir wenig gegen die Wildermark im ehemaligen Darpatien tun, denn eben jene unserer Baronien die an Ludalfs Zuständigkeitsgebiet grenzen, verfallen selbst immer mehr der Gesetzlosigkeit. Ich wünschte mir, dass der Nebelsteiner hier endlich handeln würde. Aber vielleicht sind die Landwehrübungen ja ein gutes Zeichen dafür, dass es bald soweit sein wird.“