Geschichten:Sonderbare Bauaktivitäten in der Baronie Syrrenholt
Auf meinem Weg von Ferdok kommend gen Gareth traf ich Ende des Traviamondes in den Lehnslanden derer von Zankenblatt eine sonderbare Baustelle vor.
Schon in Luring erreichte mich das Gerücht, der Herr Baron suche erfahrene Steinmetze, Holzfäller und Schmiede. Auch einfache Handlanger würden gerechten Lohn erhalten. So kam es, daß ich in Begleitung mannigfaltigen Volkes die Baronie betrat. Nachdem wir die „Orkenkaul“ – jene Engstelle der R6, an der heuer nur noch die verkohlten Ruinen des einstigen Klosters Marano wachen – passiert hatten, konnte man schon die ersten Anzeichen einer nahen Baustelle erblicken:
Mehrere Hügel frisch angehäufter Erde flankierten die Reichsstraße 6, die von nun an mit dem abgefallenen Lehm und Sand der Lastkarren verschmutzt war. Bei diesem Anblick breitete sich allgemeine Zuversicht unter den Wandergesellen aus, hatten sie sich doch selbst eher skeptisch auf den Weg gemacht. Auch ich war nun neugierig geworden, und wollte Genaueres erfahren.
Wenig später kündete lautes Krachen und Poltern berstenden Gesteins umliegender Brüche von emsiger Arbeit. In den nahen Hütten der Bergleute erfuhr ich schließlich, daß seine Hochgeboren seit Anfang des Traviamondes den verstärkten Abbau an Basalt angeordnet habe, und dies mit klingender Münze entlohne. Hocherfreut über diese Neuigkeit ließen sich darauf bereits einige meiner Weggefährten vor Ort in die Lohnliste eintragen.
Der Fuhrknecht eines schwer beladenen Gespanns nahm mich glücklicherweise zu der Stelle mit, zu der die Steinbrocken gekarrt werden sollten. Dort erblickte ich nun endlich die eigentliche Baustelle:
Abseits der großen Reichsstraße, inmitten abgeernteter Felder, erhoben sich mehrere Hütten und Zelte. Sie dienten den versammelten Handwerkern, Knechten und Meistern als eine hinreichend bequeme Unterkunft. Dabei besaß lediglich ein abseits stehendes Gebäude einen großen Kamin, in dessen Esse verschiedenste Werkzeuge angefertigt oder repariert wurden. Kläffende Hunde an langen Ketten bewachten nicht nur den Fortgang der Arbeiten sondern auch mehrere geschlossene Kastenwagen, die mit stabilen Schlössern gesichert waren.
Es herrschte ein einzigartiges Gewimmel und Gelärme, gerade so, als sei man auf der großen Warenschau zu Grangor oder Festum. Zwischen den vielen zerlumpten Handlangern und Tagelöhnern erkannte ich die stolzen und freien Arbeiter in den Trachten der hiesigen Zünfte, allen voran die der Steinmetze und Zimmerleute. Einige von ihnen taten sich durch auffallende Gesten oder gebieterisches Gehabe hervor, so daß ich leicht einen der Vorarbeiter ausfindig machen konnte. Dieser schien sichtlich verärgert über mein störendes Interesse zu sein, so daß ich lediglich erfahren konnte, daß es noch einiges zu tun gäbe und noch etliche Arbeiter benötigt würden, falls man den ersten Abschnitt noch vor dem Winter fertigstellen wolle.
Da ich weder von diesem noch von sonst einem der geschäftigen Meistern weiteres in Erfahrung bringen konnte, beschloß ich erst einmal das Bauwerk an sich in Augenschein zu nehmen.
Dieses bestand aus einem langgestreckten Graben, der zu beiden Seiten von je einem Erdwall flankiert wurde. Die Grube maß in der Breite wohl an die 10 Schritt bei einer Tiefe von 1 bis 2 Schritt. Sie zog sich vermutlich an die 250 Schritt hin. Die Böschungen wurden während des Aushubs mit angespitzten Pfählen gesichert und schließlich im Verlauf des Baufortschrittes mit den geschlagenen Steinbrocken der Rakulahöhen vermauert. Ebenso wurde der Boden bereits zu einem großen Teil mit grobem Schotter bedeckt.
Da ich nicht mit einer solchen Art von Bauwerk gerechnet hatte, war ich mehr als überrascht. Verwirrt grübelte ich, welchem Zweck solch eine Konstruktion fern jedweder Ortschaft wohl dienlich sein könne. In diese Gedanken versunken bemerkte ich nicht, wie sich mir eine Gruppe Männer näherte, die mit einem langen, wassergefüllten Lederschlauch hantierten und mich dabei unvorsichtiger weise mit Efferds Element übergossen. Nach eifrigen Entschuldigungen erklärten sie mir bereitwillig, welchem Zweck ihre Arbeit diene:
Ihre Vermessungen nach dem Prinzip kommunizierender Röhren ermöglichen es, das gewünschte Gefälle des Grabens zu ermitteln und zu kontrollieren. Diese Technik habe der oberste Baumeister eingeführt. An diesen verwiesen sie mich denn auch, als ich um genauere Auskünfte bat. Leider war Magus Cormac ui Dunvallo zu jener Zeit indisponiert, da er „den weiteren Verlauf des Grabens mit den hiesigen Steingeistern absprechen müsse.“
Diese Aussage verwunderte mich wenig, war mir doch der genannte Name nicht unbekannt. Ich erinnerte mich, dem hageren Mann aus dem Albernischen schon des öfteren auf der Burg begegnet zu sein. Er war ein Schüler Abdul al Feizals gewesen und hat durch ihn die innersten Geheimnisse der elementaren Manipulationen des Erzes erlernt.
Da mich mein eigentlicher Reisegrund drängte aufzubrechen, konnte ich nicht mehr auf die Rückkehr des Magus warten. Auch auf weitere Nachforschungen mußte ich daher verzichten. So vermochte ich in der Stadt Syrrenholt lediglich in Erfahrung zu bringen, daß der Herr Baron vermehrten Besuch seitens der Botenreiter des garetischen Staatsrates erhalte und selber vermehrt auf Reisen in den umliegenden Baronien sei.
Welchen Zweck nun dieses Bauwerk erfüllen wird, bleibt abzuwarten, jedoch erscheint es mir weniger eine militärische Anlage zu sein, denn vielmehr eine bewässerungstechnische Maßnahme.
Bosper Tannhauser, reisender Berichterstatter
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