Geschichten:Spenden für die Ostmarken – Keres Augen
Schloss Hohenlinden, Rosskupel. Am späten Abend des 24. Ingerimm 1040
Drei mal schlug der Türklopfer gegen die schwere Eichentür. Davor stand, im warmen Sommerregen dieser Nacht, eine Gestalt im Regenmantel. Die tief gezogene Kapuze schützte nicht nur vor dem Nass von Oben, das über die Stadt hereingebrochen war und die Sommerhitze vertrieb. Sie verbarg auch das Gesicht des Unbekannten im Schatten.
"Ein Vöglein zwitscherte mir, ich müsste an dieser Tür klopfen wenn ich Augen brauche."
Der junge Mann, der die Tür öffnete, offenbar ein Diener, runzelte die Stirn. "Und Ihr seid?", fragte er.
"Wer ich bin frage ich mich selbst mittlerweile. Als ich das letzte mal als einfacher Ritter nach Gareth kam, ging ich als Marschall. Nun komme ich als einer der Almosenmeister aus Korgond zurück und werde die Heimreise wohl als Rattenfänger antreten. Und da brauche ich jemanden der Mäuselöcher findet" Ein Blitz überspannte den Horizont über der fernen, verfluchten Brache, gefolgt vom Donnergrollen des aufziehenden Gewitters.
"Sagt, so schön so ein Sommergewitter über Gareth ist, wollen wir uns nicht drinnen vorstellen?"
"Äh, ja natürlich! Kommt herein", sagte der Diener und öffnete die Türe weiter, so daß der Besucher eintreten konnte. "Ich bringe Euch in den Salon."
"Sehr freundlich. Darf ich ablegen?" Der Besucher trat ein und schaute sich erst einmal um, bevor er die Kapuze abnahm und anfing den regennassen Mantel auf zuknöpfen. Groß war er nicht, der Hinn. "Vielen Dank. Sehr schön habt ihr es hier. In Gareth läßt es sich leben wie mir scheint. Ich habe mir erlaubt, ganz sentimental in Zwingstein Quartier zu beziehen, solange der Spendenzug sich auf Schloss Gerbaldsaue sammelt. Da kann man gut mal einige Visiten in der Hauptstadt unseres Reiches abstatten. Oh, wer hat das gemalt?" Von Hinn blieb mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor einem Bild stehen, das den Salon zierte.
Der Diener kratzte sich am Kopf. "Oh, nun, ich muß gestehen, das weiß ich nicht. Aber die Herrschaft wird es wissen. Ich nehme an Ihr wollt den Hausherren sprechen? Nun, Ihr habt Glück, daß er zur Zeit anwesend ist. Ich werde ihm Bescheid geben. Wenn Ihr es Euch doch solange bequem machen wollt?" Der Diener verließ das Zimmer. Fluchtartig, könnte man fast meinen. Einige Minuten später ging die Türe wieder auf. Herein kam ein groß gewachsener junger Mann. Doch schienen seine Augen schon mehr gesehen zu haben, als man es bei einem Mann seines Alters erwarten würde. Gekleidet war er in noblen Gewändern und am Saum waren magische Symbole zu eingestickt.
"Man hat mir gesagt ein Marschall wäre zu Besuch", sagte er und blickte den Hinn und seine dezent noble Kleidung, skeptisch an. "Nun frage ich mich wer hier vor mir steht?"
"Ich bin sehr erfreut den Herrn von Hohenlind kennen zu lernen. Ich komme als Almosar des Spendenzuges und als Ritter, der Korgonds Ruf folgte, zu euch. Vergesst das Gerede vom Marschall von Zwingstein. Ein viel zu großer Titel für einfache Schlunder Schultern. Auch wenn er mir so manche Tür in Gareth öffnet. Das Reich trägt gerade einen großen Teil seiner Gaben in Schloss Gerbaldsau zusammen. Nun geht es an die heikle Aufgabe den kostbaren Tand nach Rommilys zu schaffen, wo es am 16. des Rahja im Friedenskaiser Tempel feierlich dargeboten werden soll. Die Zeit drängt daher etwas, eine Bedeckung aus dem Boden zu stampfen und eine sichere Route zu finden. Und da habe ich nun das Los gezogen, einen Teil der Spenden bis nach Wandleth zu geleiten. Dort liegt noch das Zwergensilber des Grafen und mein Anteil der Spende, gut verwahrt. Alles in allem eine Reisegemeinschaft die Begehrlichkeiten wecken dürfte und von meiner aus auch darf. Als wir Anfang des Jahres Haffax Heer zerschlugen, oder besser gesagt es sich plötzlich, aus welchen Gründen auch immer, auflöste und sein Kopf verloren schien. Da haben sich sehr viele Veteranen aus Haffax Heerzug mit angeworbenen lokalen Räuberbanden abgesetzt und über den Winter verborgen. Ich fürchte das sie sich nun aus ihren Rattenlöchern wagen, auf die Lauer legen und nach verlorenem Heerzug und dem Winter auf ein bisschen Entschädigung aus sein könnten. Unangenehm auftauchen werden die eh irgendwann und sich Beute holen. Da bietet sich doch so ein nobler Spendenzug an, um einige der Ratten auf uns zu ziehen und ihnen dann eine weitere Lehre zu geben. Und da kommt Ihr nun ins Spiel. Im Schlund kenne ich mich aus. Aber auf dem Weg bin ich blind und fremd. Ich brauche ortskundige Leute die Augen offen halten und die Ratten erledigen, wenn sie sich zum Sprung bereit machen. Wir brechen am dritten Rahja auf. Kaum Zeit etwas vorzubereiten. Heimlichkeit wäre vergeudete Zeit. Das gilt für uns, genauso aber für den Gegner. Er muss sich organisieren, kommunizieren, er muss sich bewegen. Und da will ich ihn erwischen."
Der Schlunder war beim Reden einmal durch das Zimmer geschritten und hatte die edle Einrichtung inspiziert. Stehen geblieben war er am Fenster und starte einen Moment in den Regen. Er drehte sich just beschwörend zu seinem Gastgeber um, als ein weiterer Blitz sein Schlaglicht in den Raum jagte.
"Und da hoffe ich auf Euch! Das Reich muss sich dieser gefährlichen Verräter entledigen, bevor sie sich unerwartete Beute holen und uns auf dem falschen Fuß erwischen. Wir werde einen Wagenzug nach Vierok bringen. Ich nehme die selbe Route, die ich zum Aufmarsch meiner Truppen von Vierok nach Zwingstein nahm. Danach muss ich nach Goldenstein. Dort erhalten wir weitere Bedeckung. Könntet Ihr uns beistehen? Zumindest bis wir Goldenstein erreichen?"
Der Gastgeber, Gerion von Keres, hörte sich die Rede an und seine Miene ließ nicht erkennen was er davon hielt. Er schritt ebenfalls zum Fenster und blickte in den Regen hinaus. Schließlich drehte er sich um und sagte:
"Euer Anliegen stoßt hier nicht auf taube Ohren. Diese Reichtümer dürfen nicht in die Hände von Räuberbanden und Banditen gelangen. Ich werde Euch ein paar Männer mit geben, die sich auf der Strecke auskennen und Euch begleiten werden. Allerdings werden sie Euch ein paar Meilen über Goldenstein hinaus begleiten, bis zur Grafschaftsgrenze."
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