Geschichten:Spenden für die Ostmarken – Politische Einordnung
Gut Hohenfelden, Kaiserlich Gerbaldsmark, Ende Boron 1040 BF:
Es war ein recht schöner Tag im Spätherbst. Die Sonne schien, doch hatte sie nicht mehr die Kraft wohlige Wärme zu spenden. Auch in der Goldenen Au würde der Winter bald Einzug halten. Reichsvogt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor inspizierte mit seiner Entourage das weitläufige Gut Hohenfelden. Der letzte Vogt war in der Schlacht bei Zwingstein gefallen. Während Romelio und Salix die Stallungen begutachteten, prüfte Borro von Agur die Bausubstanz des Herrenhauses.
„Solide Substanz, alles in allem gut in Schuss und was die Bücher angeht sehr ertragreich“, stellte der Edle von Pilperquell fest.
„Ihr seht, Cletzau, auch als Reichsvogt muss man sich ab und an in den Niederungen der Kleinigkeiten aufhalten.“ Der Reichsvogt klopfte den großgaretischen Almosenmeister auf die Schulter. „Wie geht es mit den Almosensammeln voran mein Freund?“
„Nun ja, es scheint sich bei vielen der Eindruck gefestigt zu haben, wir würden für Tobrien sammeln.“
„Die gütigen Schwestern seien mit den Einfältigen“, der Reichsvogt verdrehte seien Augen, „wir sammeln gerade NICHT für Tobrien, sondern nur für Warunk, Beilunk und die Rabenmark. DAS ist doch das Politikum an der Sache. Es gilt die Marken vor den Krallen des tobrischen Welpen zu schützen – und an uns zu binden.“
„Ansonsten können wir sehr zufrieden sein, die Goldene Au, das Herz des Königreichs, zeigt sich von seiner gütigen Seite. Auch der Schlund und sogar Waldstein leisten ihren Beitrag … in den Grenzen ihrer Möglichkeiten versteht sich. Hartsteen ist da schon problematischer … dort fühlt man sich vom Rest des Königreichs und von der Königin verraten. Heiterfeld zeigte sich äußerst bestürzt über die Lage dort.“ Udalbert von Cletzau runzelte die Stirn. Mittlerweile waren auch Romelio und Salix wieder zu den drei Männern gestoßen.
„Unser guter Heiterfeld, von wahrhaftiger Güte geleitet. Stets ein Ohr für die Armen und Schwachen.“ In den Worten Retos klang durchaus Anerkennung. „Ein Goldstück für unsere Sache, aber leider viel zu weich für die hohe Politik.“
„Aber warum helfen wir denn nicht erst den Hartsteenern und dann den Marken im Osten?“, fragte Salix.
„Weil wir daraus kein politisches Kapital herausschlagen können. Oder hat sich damals jemand im Reich für den hartsteener Armenzug interessiert? Nein!“ Der Reichsvogt legte väterlich seinen Arm um die Schulter seines Knappen. „Tue Gutes und rede darüber … und setze deine Gegner damit moralisch unter Druck. Das ist Politik mein Lieber!“
„Zumal sich Hartsteen durch diese unsägliche Grafenfehde selbstverschuldet in diese Lage gebracht hat“, ergänzte Borro, was der Reichsvogt mit einem Nicken quittierte.
„Aber schürt das nicht auch Misstrauen gegen unsere Königin, wenn sie anderen hilft aber nicht dem eigenen Land?“ Salix wirkte nachdenklich.
„Ganz recht, in dir schlummert ein hesindegefälliger Geist“, Borro lächelte süffisant, „Rohaja agiert nur noch als unsere Kaiserin, wir nehmen sie nicht mehr als unsere Königin wahr, da sie keine garetische Hauspolitik betreibt. Das dämmert dem Adel so langsam … . Die anderen Provinzen haben Oberhäupter die mit Herzblut für ihre Sache einstehen. Wir brauchen auch so einen einheitsstiftenden starken Mann oder eine starke Frau hier vor Ort, der oder die großgaretische Interessen vertritt.“
„Wie der sighelmsmärker Burggraf?“, warf Romelio fragend in die Runde.
„Möglich“, antwortete der Reichsvogt, „der könnte aber schon zu sehr von der Reichsräson korrumpiert worden sein.“
„Dann der Reichsvogt der Alriksmark“, Salix freute sich, beim letzten Staatskundeunterricht doch so gut aufgepasst zu haben.
„Bei dem verhält es sich womöglich ähnlich wie mit dem Reichserzkanzler …“. Reto zog seine Augenbrauen hoch, „Ich dachte da eher an Gerwulfs Kinder, Calderina oder Alderan. Die eine Luring-Gareth wäre auch eine Möglichkeit. Die könnten noch auf den rechten Weg gebracht werden. Aber das sind Gedankenspiele … Celtzau, was gibt es noch zu berichten?“
„Da wir es versäumt haben bei Zeiten einen reichsforster Almosenmeister zu ernennen, hat der Graf nun gehandelt… “, Udalbert hielt die Luft an, „… und seine Frau zur Almosenmeisterin ernannt.“
„Das kann uns nur recht sein, denn einer Gräfin, die durch die Lande zieht und die Hand aufhält, der kann man doch nur großzügig spenden. Sehr schön!“ Der Reichsvogt wirkte zufrieden. Es lief alles nach Plan soweit. „Ach, Cletzau, ich erhebe Euch hiermit im Namen der Kaiserin zum Edlen von Hohenfelden. Als Anerkennung für Eure Dienste für unsere gemeinsame Sache. Und Ihr dürft unbesorgt sein, sollten die Spenden weiter so fließen, wird auch der Sturmflug-Orden reichlich bedacht werden.“
Der großgaretische Almosenmeister deutete eine Verbeugung an. Er war sichtlich gerührt.
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