Geschichten:Spenden für die Ostmarken – Pranken und Zanken
Gut Weyring zu Roßkuppel, Stammsitz der Familie Weyringhaus, Boron 1040 BF
Dramatis Personae:
- Fenia von Weyringhaus-Ruchin, Enkelin von Burggraf Oldebor, zweitgeborene Tochter von Erbjunker Sigman
- Leomar von Weyringhaus-Ruchin, ihr jüngerer Bruder
„Doch die tobrische Wolfsprrrranke schlug unsere güüüüütige und miiiiiildtätige Hand aus, was wir seeeeehr bedauern.“ Fenia von Weyringhaus-Ruchin las den Aufruf der großgaretischen Adligen halblaut vor. Obwohl doch ihr Großvater, der Burggraf der Raulsmark, als erster Unterzeichner gesiegelt hatte, troff ihre Stimme nur so vor Spottlust. Ihr Bruder Leomar gab sich keine Mühe, sein hämisches Lachen zu unterdrücken.
Sie ließ das Blatt sinken. „Ist das nicht prächtig formuliert? So salbungsvoll und bar jeglichen Hintergedankens.“ Immer noch war jede Silbe von beißender Ironie durchsetzt.
Leomar zuckte die Schultern. „Ich verstehe immer noch nicht, was das Ganze soll. Wenn der tobrische Herzog seine Untertanen wiederhaben will, dann soll er sie doch kriegen. Und da soll mir keiner kommen mit ‚Ja, aber die Kinder sind doch in Gareth geboren‘. Ich bin in Trallop geboren und bin noch lange kein Weidener deswegen.“
„Ganz so simpel wie du…“, Fenia machte eine bewusste, aber winzige Pause, bevor sie fortfuhr, „… dir das vorstellst, ist es nun auch wieder nicht. Erstens ist Mutter nur mit Vater und Großvater zur Herzogenturney nach Trallop gereist und wollte noch vor deiner Geburt wieder zurück sein. Wenn du es nicht so verflixt eilig gehabt hättest, dann wärst du schön brav hier zuhause zur Welt gekommen. Oder irgendwo unterwegs, in Menzheim vielleicht“, fügte sie mit gehässigem Grinsen hinzu, als sei dies die schlimmstmögliche Vorstellung. Dass Leomar schon sein Schmollgesicht aufsetzte, hielt sie nicht davon ab, weiter als kluge große Schwester zu dozieren. „Und zweitens müsste man jetzt bei jedem einzelnen Tobrier und seinen Kindern schauen: War er frei oder leibeigen, als er ankam? Wenn er leibeigen war, ist er inzwischen vielleicht frei geworden? Und wenn er Leib und Leben riskiert hat, um Gareth vor Galotta zu verteidigen – dann ist er doch eher ein Garetier als mancher, der hier geboren wurde.“
Mit Schlachten und Heldentaten konnte man Leomar immer überzeugen. So auch diesmal: widerwillig zwar, aber der Bursche nickte. „Klingt schwierig“, warf er ein.
„Ist schwierig“, korrigierte ihn Fenia. „Ein furchtbarer Aufwand, und am Ende steht der tobrische Herzog mit ein paar Bauern da, die nicht gewitzt genug waren, um den Häschern zu entgehen, und die ihm nun auf ihren kargen Schollen die Ohren volljammern.“
Leomar schüttelte fassungslos den Kopf. Das konnte der tobrische Herzog doch nicht ernsthaft wollen!
„Zum Glück gibt es den schlauen Leomar…“, Fenia machte eine Pause, die gerade so lang war, dass ihr Bruder einmal gegen alle Erfahrung auf ein Lob aus ihrem Munde zu hoffen wagte – dann fuhr sie fort: „… von Zweifelfels. Großvater sagt, dass die Idee mit dem Kopfgeld wohl von ihm kam. Der Spende“, verbesserte sie sich augenrollend selbst.
„Der völlig freiwilligen Spende“, erwiderte Leomar und zeigte damit, dass er nicht ganz so unbedarft war, wie seine Schwester ihn immer sah. „Ein Silbertaler pro Einwohner. Macht für die Raulsmark schlappe achttausend Dukaten. Das ist’ne Menge Holz, selbst für Großvater.“
„Ich wette, Meister Wiesenbach hat erst mal Schluckauf gekriegt, als er das mitbekommen hat“, feixte Fenia. Leomar gluckste zustimmend: „Und jetzt sucht er schweißgebadet nach Wegen, wie er das Geld auftreiben kann.“
Fenia lehnte sich zurück. Ihr Blick streifte eines der Bilder, die hier im Speisezimmer des Gutshauses von Weyring die Wände schmückten. Der Kupferstich zeigte das Landschloss Rohalsweil.
„Ich wüsste da ja was.“
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