Geschichten:Stadt Hartsteen im Tsa 34 Hal
Die drei Wachen am Garether Tor der Stadt Hartsteen wurden bleich vor Schreck als sie die Reiterschar bereits aus einiger Entfernung heranpreschen sahen.
"Oh Tsafried, das sieht arg nach Schwierigkeiten aus! Eil Dich und spute dich zum Ratsmeister. Die sehen nicht aus, als wäre gut Kirschen essen mit ihnen." Weibel Markwart Kornhammer schluckte schwer als Tsafried sich eilends davon machte. Seine Hand ging leicht zitternd zum Knauf des Schwertes und die schwer bewaffnete Kavalkade preschte stetig näher. "Beim Herren Praios, das sind gewiss über drei Dutzend Ritter", seufzte der Weibel schwer. "Was sollen wir tun?" gab der dritte Wachoffizier mit leichtem Zittern in der Stimme zurück. "Erst einmal abwarten, denke ich. Ja, das scheint mir das sinnigste. Und hoffen, dass Tsafried bald wieder da ist. Und nicht allein."
Doch schon war die Ritterschar heran, allen voran ein verwegen aussehender Mann, der wohl um die dreißig Götterläufe zählen mochte. Sein aschblondes Haar war militärisch kurz geschnitten, die blauen Augen blitzten unter einem um die Stirne gebundenen Tuche, dass wohl einer schönen Maid gehört haben mochte und dem Ritter als Andenken auf den Weg gegeben wurde. Ein großes Schwert baumelte vom Gurte und der Wappenrock...
... - AH, da fiel nun doch der Schrecken von Weibel Markwarts Herzen - denn den Wappenrock des Anführers der Schar zierte der Komet, das Zeichen des hohen Geschlechtes derer von Hartsteen.
Und prompt wusste der Weibel auch, was zu tun war. Er salutierte zackig und setzte sein freundlichstes Gesicht auf.
Und der Fremde kam auch ohne Umschweife zur Sache, mit fester Stimme und in herrischem Ton: "Meldet dem Ratsmeister, sein Schwager, Orestes Grimrat von Hartseen, Edler auf Gut Krallenwind zu Hutt, sei eingetroffen. Mit wichtiger Nachricht und tatkräftiger Unterstützung."
Fest drückte Orestes seine Schwester, Lysindra von Hartsteen, in seinen kräftigen Armen, hob sie ein klein wenig in die Luft, bevor er ihr einen dicken Kuss auf die Wange schmatzte.
"Schön Dich zu sehen, Bruder", strahlte die Gemahlin des Ratsmeisters Adhemar, den Orestes gleich nachdem er seine Schwester wieder herabgelassen hatte, mit kräftigem Handschlag freundlich begrüßte.
Orestes deutete auf den Bären von einem Mann, dessen pauswangiges Gesicht ein wuscheliger schwarzer Bart zierte und der gemeinsam mit dem Edlen von Krallenwind Einlass in das prächtige Bürgerhaus Adhemars gefunden hatte. "Dies ist Hesindian von Windischgrütz. Ein fürwahr prächtiger Ritter, und mir seit langem in Freundschaft verbunden. Und dies..." - dabei wanderte nun der Blick aller Anwesenden auf einen weiteren Gast, den Orestes mit in das Bürgerhaus gebracht hatte, "... ist Lane von Schroeckh. Auch ihre Familie stellt, wie ihr wisst, seit langer Zeit fürwahr treue Vasallen unserer erlauchten Familie." Die zierliche Ritterin, deren Haupt Myriaden von feinen schwarzen Zöpfen zierten, deutete einen höflichen Knicks vor dem Hartsteener Ratsmeister an.
"Der Rest meiner Truppe ist ebenfalls ein sehr netter und höflicher Haufen, glaubt´s mir wohl, "fuhr Orestes fort. "Sie sind recht gute Unterhalter, wenn der Unterhalt stimmt, und so unterhalte ich eine wirklich formidable Schar, lieber Adhemar." Sodann allerdings verfinsterte sich sein Blick.
"Doch kommen wir zum Kern der Sache: Wir sind getreu der Weisung von Hutt aufgebrochen und gewisslich führte uns unser erster Weg geradewegs zum Kloster der guten Herrin Travia. Doch keine Spur von Thuronia konnten wir dort entdecken."
"Das wäre auch zu schön gewesen", seufzte Adhemar von Hartsteen-Beisweil. "Geismar wrd sie schon gut versteckt halten, seine Mutter! Er weiß genau, dass sein Stündlein geschlagen hat als Graf, wenn sie nur das Wort erhielte, dem Reiche zu verkünden, er sei enterbt und die Grafenkrone gehöre wieder unserer Familie."
"Recht gesprochen", fuhr Orestes fort. "Und auch in den kleineren Konventen in der Umgegend fanden wir keine Spur von ihr."
"Gewisslich hat Geismar sie die Reise über´s Nirgendmeer antreten lassen", mischte sich Hesindian mit brummiger Stimme ein.
"Vielleicht", warf nun die junge Ritterin Lane ein, "doch bedenke die Kutsche, Hesindian."
"Welche Kutsche?" wollte der Ratsmeister wissen.
Orestes gab zur Antwort: "Nun, offensichtlich hat eine schwer bedeckte Kutsche in der Tat Gräflich Feidewald verlassen in der Nacht, in der Thuronia verschwand. Es ist also gut möglich, dass sie tatsächlich am Leben ist. Aber gewiss hat sie nicht freiwillig einen so sang- und klanglosen Abgang aus amt und Würden gewählt."
"Ganz Recht habt ihr, Schwager. Geismar hat die Grafenwürde ohne jedwedes Recht an sich gerissen - gegen den Ratschluss seiner Mutter! Und damit hat er der vorbestimmten Ordnung des Herren Praios gefrevelt. Es muss etwas geschehen!"
"Ganz richtig, Schwager", entfuhr es Orestes von Hartsteen geradezu mit strahlender Begeisterung. Seine Augen leuchteten voll ritterlicher Vorfreude, seine Hand umfasste feierlich das Praiosamulett um seinen Hals. "Darum sind wir ja hier!"