Geschichten:Stallgeruch

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Die Stallungen des ›Instituts der hohen Schule der Reiterei‹ in Gareth lagen im Halbdunkel, die Rösser schnaubten, widmeten sich aber ansonsten aufmerksam dem Heu, das ihnen die Knechte und Mägde gerade ausgegeben hatten. Vom Hof des Instituts schallten die Scherze der Kadetten herein, die gerade zum Abendtisch gingen. Die Knechte und Mägde ihrerseits waren auch in ihren Remter gegangen, um zu speisen. Bis auf die Wachen am Tor war das Institut leer. Eine Pforte öffnete sich im rückwärtigen Teil der Stallung. Sie war vorher nicht sichtbar gewesen und führte hinaus auf die Gasse. Eine Geheimtür! Eine Gestalt mit weitem, dunkeln Umhang kam herein, schloss die Tür hinter sich und ließ seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnen. Dann schritt sie energisch zu einem Kabuff, in dem Sattelfett, Lederriemen, Schnallen und allerlei Werkzeug für die Reparatur des Geschirrs gelagert wurden. Sie huschte hinein. Drinnen war es fast stockfinster. Nur durch ein Oberlicht fiel fahles Restlicht herein.

»Psst! Seid Ihr schon da?«

»Natürlich, ich war pünktlich.«

»Verzeiht, ich wurde noch aufgehalten. Irgendetwas mit Mühlenprivilegien in Grafenfels oder so.«

»Grafenstein, verdammt noch mal, lernt das gefälligst. Grafenstein in der Sighelmsmark. Und wahrscheinlich ging es um die Schanklizenzen der dortigen Müller, die ebenfalls ausgeweitet werden sollen, wie es im benachbarten Syrrenholt schon geschehen ist.«

»Ja, genau. Aber es heißt doch wohl Syrrenholz, nicht wahr? Seht Ihr, Ihr seid auch nicht perfekt!«

Der andere Sprecher, der sich zwischen den zu reparierenden Sätteln versteckt hatte, seufzte resignierend. Er war im Dunkel nicht zu erkennen, und beide Männer – es waren Männer – waren an ihrem Flüsterton nicht zu erkennen. Der im Schatten zuckte kurz mit den wildledernen Handschuhen, die er in der rechten Hand hielt, als wollte er den Ankömmling damit klapsen, unterließ es aber.

»Genau, wir sind alle nur fehlbare Geschöpfe der Götter. Hört zu: Ihr reist nach Reinherz!«

»Ha ha, ›Reinherz‹, das ist gut! Ist das ein Wortspiel?«

»Nein, Ihr enthirnter Birnenpflücker, das ist die Residenz der Grafen von Eslamsgrund in der Nähe der Reichsstadt.«

»O! Aber ich verstehe: Es geht um die Verlobung des Ehrensteiners mit dieser Praiosbratze!«

»Genau. Immerhin wisst Ihr etwas. Im Übrigen ist die Dame eine Ritterin des Bannstrahlordens. Ob sie darüber hinaus eine Bratze ist, könnt Ihr mir ja berichten, wenn Ihr sie in Augenschein genommen habt. Griffpurga wurde allerdings als ›Aldare‹ geboren, und zwar im Hause Stippwitz. Das kennt Ihr wohl?«

»Klar. Das sind die Stoerrebrandts von Angbar.«

»Ja, so könnte man sagen. Ich könnte mir vorstellen, dass hinter der Hochzeit nicht gerade Liebe steht, immerhin ist die Braut nicht gerade lieblich ...«

»Sag ich doch: Bratze!«

»... aber ihr Vater ist schwerreich und wird es sich gewiss was kosten lassen, wenn die Familie sich mit einem Grafenhaus verbandeln kann. Ich glaube: Es geht um Geld. Und wenn es um Geld geht, dann ist es keinesfalls der Graf, der auf diese ulkige Idee mit der Bannstrahlerhochzeit gekommen ist, sondern sein Onkel, Seginhardt

»Und? Was soll ich nun in Eslamsgrund, auf dem reinen Herzen?«

»Ihr sollt Seginhardt auf den Zahn fühlen. Ich kann ihn nicht recht einschätzen, weil er praktisch nie in Gareth ist. Er dürfte wissen, dass die Schulden des Grafen für gewisse informierte Kreise des Königreichs kein Geheimnis mehr sind. Mit anderen Worten: Wenn er der kluge Kämmerer ist, für den ich ihn halte, dann hat er einen Plan, die Familie wieder aus der Bedrouille zu bringen, und die Hochzeit mag dazu gehören. Ich weiß es aber nicht, ich ahne es nur. Außerdem möchte ich wissen, ob in seinen Plan auch die Idee gehört, Burg Schwertwacht zu veräußern.«

»Hm?«

»Schwertwacht. Das ist die Stammburg des Zorn-Ordens. Die schöne Efferdane hat sie dem Orden zum Lehen gegeben. Ich habe nun von meinem Gewährsmann am Eslamsgrunder Hof – nein, Ihr werdet seinen Namen nicht erfahren! – gehört, dass es solche Pläne geben könnte. Das wäre schon hochinteressant: Der Graf knöpft dem Orden eine Menge Gold ab, damit der auf einer Burg bleiben kann, die er nur hat, weil die Grafenkrone sie ihm schon gegeben hat. Das ist so, als würde man Euch eine Kutsche überlassen, beispielsweise wegen Eures Amtes, und dann im Jahr drauf von Euch verlangen, sie zu kaufen, weil Ihr sie ja immerhin ein Jahr gefahren habt. Sagt dazu mal Nein! Also: Stimmt das mit der Burg? Und wenn ja: Ist es Seginhardts Plan oder der des Grafen? Wenn nämlich der Graf diese Idee hatte, dann hat es eher mit seiner Liebe zum Bannstrahlerorden zu tun als mit dem Gold, und dann will er den Orden einfach nur schröpfen und schwächen.«

»Und wie soll ich das herausbekommen?«

»Wie Ihr es immer macht: Mit Eurem liebenswürdigen Charme und Eurer ganzen Gerissenheit.«

»Na, das kriege ich schon hin. Noch was?«

»Ja. Das heißt: Nein. Ich rätsele gerade, was mit meinem Informanten am Grafenhof los ist. Er ist nicht ganz so zuverlässig, wie ich gehofft hatte. Vielleicht hätte ich ihn mir von anderer Seite empfehlen lassen sollen. Nimm niemals einen aus dem südlichen Hartsteen, wenn du auch einen Garether nehmen kannst! So, nun geht.«

Der Angesprochene verbeugt sich noch leicht, dann verlässt er das Kabuff. Der Mann im Schatten hört allerdings, wie draußen kurze Worte gewechselt werden, und verharrt. Nach einer ganzen Weile löst er sich von seinem Platz zwischen den Sätteln, setzt das modische Barett keck auf seinen Scheitel und verlässt die Kammer. Er läuft fast augenblicklich in die Arme einer jungen Magd, die mit Satteldecken schwer beladen im Gang steht.

»O, Herr! Ihr hier! Eben sah ich schon den Herrn Staatsrat! Das ist ja eine Ehre! Wenn ich das meinen Freunden erzähle!«

»Das wirst Du nicht ...«