Geschichten:Sternguckerin – Prüfung
Unweit von Erlenfall, Ende Peraine 1043 BF
„Wir ziehen uns nach Erlenfall zurück“, hatte Drego von Altjachtern schlussendlich beschlossen. Wieder einmal hatten die Waldsteiner uns Reichsforster vor sich hergetrieben. Wieder einmal war die Lage aussichtslos. Wieder einmal zog man sich nach heftigen Gefechten zurück. Dieses Mal bis nach Erlenfall. Wieder einmal versorgte Gerbald von Luring-Schneitzig und ich die Verwundeten. Die Stimmung war am Tiefpunkt. Dass die Reichsforster sich nicht zerstreuten lag dieses Mal nur an einem: Baron Drego.
„Das hier ist keine Strafe der Götter, es ist eine Prüfung“, verkündete er jedem, ganz gleich ob er es hören wollte oder nicht, „Und wir, wir müssen nichts weiter tun als durchhalten. Ich weiß, das es nicht so leicht ist, wie es klingt, doch wir werden belohnt werden. Wenn die Götter sehen, dass wir im Angesicht der Übermacht nicht verzagen, ganz so wie die Heilige Thalionmel nicht verzagte, dann werden sie uns nicht nur beistehen sondern uns auch ihre Gunst gewähren und wir werden die Waldsteiner in ihre Schranken weisen und sie endgültig nach Hause schicken.“
Doch die Heilige Thalionmel war bei ihrem Vorhaben gestorben. Sicher war es ein ehrbarer Tod gewesen, einer der einer Rondra-Heiligen gut zu Gesicht stand, doch die meisten von Dregos Gefolgsleuten hingen nun eben an ihrem Leben. Abgesehen davon hatte die Heilige gegen eine Übermacht an Novadis gekämpft, die bekanntlich nicht an die zwölf Götter glaubten. Unserer Gegner waren jedoch Waldsteiner, bei denen sehr wohl anzunehmen war, dass auch sie sich auf die Zwölfe beriefen und die damit sehr wahrscheinlich auch diese ganzen Plündereien rechtfertigten. Wem sollten die Götter also die Gunst schenken? Im Augenblick sah alles danach aus, als stünden sie auf der Seite der Waldsteiner. Ganz abgesehen davon, dass noch immer kein Geweihter der Herrin Rondra unter uns weilte.
Seine Gefolgsleute glaubten dem Baron jedoch, vielleicht glaubten sie ihm alleine deswegen, weil sie ihm glauben wollten, weil sie glauben wollte, dass diese ganze Misere gut für uns Reichsforster endete. Wahrscheinlich war das jedoch nicht. Doch eines war gewiss: Würde es noch einmal zu solch einem fatalen Aufeinandertreffen mit den Waldsteinern kommen, dann konnte nur noch ein Wunder helfen...