Geschichten:Streit im Zagrosch 5
Die Jagd dauerte bis in die Abendstunden. Rhenaya schlich der Gruppe voraus, die Büttel folgten in Sichtweite. Vogt von Hahnentritt bildete den Schluss des Trupps. Die Spuren führten Richtung PRAios quer durch den Fremmelsfelder Teil des Zagrosch-Gebirges. Rhenaya schätzte grob, dass die Zwerge nicht auf die Stadt Hahnendorf zuhielten, sondern diese zu umgehen beabsichtigten. Als das Tageslicht zu schwinden begann, sah Rhenaya vor sich leichten Feuerschein, der aus einer der zahlreichen Höhlen zu kommen schien. Rhenaya lies die Gruppe anhalten und wartete, bis der Vogt aufgeschlossen hatte. "Ich schlage vor, dass ich näher heran schleiche, um zu sehen wer dort lagert." Der Vogt überlegte. Rhenaya konnte ihm ansehen, dass er lieber mit großem Geschrei über die Lagernden hergefallen wäre. "Vielleicht sind es nur harmlose Fremmelsfelder Holzfäller und nicht die Zwerge die wir suchen", gab sie zu bedenken. Von Hahnentritt nickte. "Beeilt Euch". Rhenaya gab den Bütteln das Zeichen, zu warten, zog ihren Dolch aus dem Gürtel und schlich auf das Feuer zu.
Nur wenig später war sie zurück. "Es sind zwei Zwerge. Sie haben in einer Höhle ein kleines Feuer angemacht. Beide tragen Fellumhänge, so dass ich nicht sehen konnte, welche Rüstung sie tragen. Jeder hat eine Axt dabei." Vogt von Hahnenfels nickte. "Der Baron möchte, dass die Beiden ihm auf Burg Hahnenfels einen Besuch abstatten. Insofern wäre es wohl angebracht, die beiden möglichst unversehrt zu lassen." "Wir können die beiden allerdings nicht überraschen", gab Rhenaya zu bedenken, "Sie sitzen mit dem Rücken zur Höhlenwand und haben das Feuer zwischen sich und dem Eingang." "Habt ihr Armbrüste gesehen?", fragte der Vogt. Rhenaya schüttelte den Kopf. "Dann rücken wir einfach vor und versperren ihnen den Ausgang. Hoffentlich haben sich die beiden keine Hintertür gebuddelt..." Rhenaya gab ihren Bütteln kurz Anweisungen, dann schlich der Trupp los. Die Fremmelsfelder sammelten sich links und rechts des Höhleneingangs. Vogt von Hahnentritt wartete noch einen Moment, nahm seine Axt kurz in die linke Hand, und wischte sich die behandschuhte Rechte an seiner Kleidung sauber. Dann nahm er die Axt wieder in die rechte Hand und trat in den Eingang der Höhle. Sofort sprangen beide Zwerge auf und griffen nach ihren Waffen.
"Im Namen des Barons von Fremmelsfelde fordere ich euch auf, die Waffen niederzulegen!", sagte Vogt von Hahnentritt leise.
Der Jüngere der beiden Zwerge schaute den Vogt verblüfft an. "Ihr wollt unsere Waffen?", fragte er belustigt. Der Vogt nickte. "Dann holt sie euch doch", schrie der Zwerg, und rannte mit erhobener Axt auf der Vogt zu. Vogt von Hahnentritt hatte auf diese Reaktion gehofft. Er riss die Henkersaxt hoch, und parierte den Schlag der Zwergenaxt. Der Zwerg trat einen Schritt zur Seite und schlug erneut zu. Von Hahnentritt parierte erneut. Als der Zwerg einen erneuten Angriff startete, wich der Vogt aus, lies den Zwerg ins Leere laufen und verpasste ihm einen Schlag mit der breiten Seite seiner Axt. Wütend schrie der Angroscho auf und fuhr herum. Doch er kam nicht mehr dazu, einen weiteren Angriff zu starten. Vogt von Hahnentritt sprang zu ihm und versetzte ihm einen Schlag auf den Helm. Diesmal jedoch mit der scharfen Seite der Axt. "Nein", rief der andere Zwerg, während der Jüngere zu Boden ging. Sein Helm schien geborsten, darunter lief Blut hervor. Von Hahnentritt drehte sich zu dem Älteren. Der kämpfte mit sich, ob er sich dem offensichtlich überlegenen Gegner ergeben, oder seinen Kumpan rächen sollte. "Tu mir den Gefallen", provozierte ihn der Vogt. Er senkte seine Axt und winkte den Angroscho lässig heran.
Doch der Zwerg senkte seine Waffe und warf sie dann zu Boden. Vogt von Hahnentritt verzog unmutig das Gesicht. "Fesselt die beiden!", befahl er. Rhenaya und die Büttel traten in die Höhle und befolgten den Befehl. "Lebt der noch?", fragte der Vogt, während er die Schneide seiner Axt auf Scharten prüfte. Rhenaya kniete nieder. "Ja, er atmet noch. Allerdings blutet er stark." "Versorgt die Wunde, aber fesselt ihn trotzdem.", wies er Rhenaya an. "Und du", er wandte sich an einen der Büttel, "Durchsuch die Beiden!"
Nach und nach förderte der Büttel allerlei Kleinkram aus den Taschen der Zwerge: Dolche, allerlei seltsame Amulette und Dinge, die man nicht genau benennen konnte. Aber am Interessantesten waren sicherlich sechs lederne Beutel, die die Zwerge an ihren Gürteln trugen. Rhenaya öffnete diese und zog überrascht die Brauen hoch. Der Vogt trat zu ihr und schaute ebenfalls hinein. "Sie mal einer an. Ihr tragt ja ein kleines Vermögen mit euch umher." Der Vogt zog den rechten Handschuh aus und griff in den Beutel. Prüfend betrachtete er die Edelsteine auf seiner Handfläche im Schein des Feuers. "Seid doch so nett und erklärt mir, was es hiermit auf sich hat?" Der Zwerg schwieg. "Mir scheint, ihr hattet nicht vor, mit diesen Waren nach Hahnendorf zu kommen." Noch immer reagierte der Zwerg nicht. "Wohl eher wolltet ihr nach Almada, um diese Kleinodien dort zu verhökern." Von Hahnentritt wurde mit jedem Wort lauter. "Gesteht ihr diesen Verrat an der Kaiserin?" Die Gesicht des Zwerges blieben regungslos. Brasibert von Hahnentritt wurde offensichtlich wütend. Er lies die Edelsteine in den Beutel zurückfallen, griff nach seiner Axt und holte aus. Rhenaya von Perainidal schrie auf, "Haltet ein, Vogt." Der Vogt blieb mit erhobener Axt stehen. Langsam beruhigten sich seine Züge wieder. Während er den Arm mit der Waffe senkte, lies er den Zwerg nicht aus den Augen. Zufrieden stellte er fest, dass die Züge des Angroscho einen Anflug von Panik zeigten. "Bewacht die Beiden gut.", befahl er und drehte sich um. Langsam schritt er an Rhenaya vorbei zum Ausgang der Höhle. "Maßt Euch diese Frechheit nie wieder an", murmelte er leise, als er neben ihr stand. Dann ging er weiter.
Am nächsten Morgen brach der Trupp in Richtung Hahnendorf auf. Auch wenn es nur noch wenige Meilen bis dorthin waren, dauerte es doch den halben Tag, die Ausläufer des Zagrosch hinter sich zu lassen.