Geschichten:Stubenkameraden

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10.Rahja 1046 BF, Reit- und Lanzenschule zu Samlor

Kommandantin Tsaiane von Talbach begleitete nun die neue Rekrutin Ryane von der Kommandantur über den Exerzierplatz zum Kadettenheim. Ryane führte ihr Packpferd mit, damit sie anschließend gleich ihre Sachen einräumen konnte. Dort angekommen führte Tsaiane sie durch einige Flure, um dann endlich vor einer Tür stehen zu bleiben. Von drinnen war ein gedämpftes Gespräch und hin und wieder ein Lacher zu vernehmen. Tsaiane klopfte an die Türe. "Ja? Herein?" erklang es von drinnen. Tsaiane öffnete die Türe.

Drinnen war ein ziemliches Durcheinander. Zwei junge Männer - vermutlich ebenfalls Rekruten - saßen in der Stube in zivil, und spielten ein Würfelspiel an einem kleinen Tisch. Als sie Tsaiane sahen, sprangen sie auf und salutierten hektisch. "Wie sieht es denn hier aus? Hättet ihr nicht mal aufräumen können? Ich sagte euch doch, dass ihr heute eine neue Kameradin auf die Stube bekommt!" schimpfte Tsaiane.

"Ver... verzeihung!" stammelte der rothaarige Mann etwas kleinlaut. "Wir dachten, sie würde erst heute Abend eintreffen!"

"Nein! Sie ist jetzt schon da. Wenn ich kurz vorstellen dürfte: das hier ist Rayane von Rosenstein, eure neue Stubenkameradin. Die beiden hier sind die Rekruten Firnwulf von Hirschfurten und Eberhardt von Zankenblatt."

"Hallo, schön Euch kennen zu lernen, hohe Herrschaften!" sagte Rayane zu den beiden und lächelte. Die jungen Männer nickten freundlich. "Die Freude ist ganz auf unserer Seite!" entgegnete Firnwulf.

"Gut, ich lasse Euch jetzt erst mal alleine. Dann könnt Ihr, Rayane, erstmal in Ruhe euren Spind einräumen. Und ihr zwei, ihr räumt den Saustall hier so schnell wie möglich auf. Ich hoffe, das war deutlich!"

Damit machte Tsaiane kehrt und verließ das Gebäude. Die beiden fingen gleich an mit dem Aufräumen, derweil Ryane sich erstmal ein wenig in der Stube umsah. "Puh, die war ja ganz schön sauer, was?"

"Ach, das war ja gar nichts!" antwortete der rothaarige Firnwulf. "Wenn Ihr nicht da gewesen wäret, dann hätte sie uns mindestens malfünfzig Liegestütze machen lassen." "Ja, oder gleich hundert!" stimmte Eberhardt zu.

Tsaiane sah den Rotschopf neugiering an. "Von Hirschfurten sagte sie? Seid Ihr vielleicht ein Sohn von Baron Nimmgalf?" Sogleich richtete der sich auf. "Ein Sohn nicht, eher ein entfernter Neffe. Die Großmutter des Barons war die Schwester meines Urgroßvaters. Außerdem war ich der Knappe von seinem Freund Baron Ardo von Keilholtz zu Kressenburg. Das liegt in Greifenfurt", sagte er nicht ohne Stolz. "Übrigens, Ihr könnt du zu mir sagen. Ich bin Firnwulf."

"Und ich bin der Enkel des Barons zu Syrrenholt und stehe auf Platz zwei der Erbfolge der Baronie", sagte Eberhardt mit ebenso großem Stolz. "Außerdem bin ich der Knappe von Baron Nimmgalf, und Kommandantin Tsaiane ist meine Tante! Und für Euch bin ich Eberhardt!" lächelte der blonde Jüngling.

Ryane wurde bei den vielen Ausführungen etwas schwindlig. Die beiden stammten scheinbar aus viel höheren Häusern, als sie selbst. Zumal von ihrer Familie kaum noch jemand übrig war, und sie selbst letztlich auch nur ein Bastard, weswegen sie sich 'von Rosenstein' nannte und nicht 'von Sichelaue'. Trotzdem schienen sie gewillt zu sein, sie wie eine Gleichberechtigte zu behandeln, obwohl sie nur eine einfache Ritterin war. Das beeindruckte sie sehr und machte sie glücklich.

"Das klingt ja wunderbar. Dann bin ich für euch einfach Ryane."

"Sehr erfreut. Und woher kommst du, Ryane?" fragte Firnwulf. "Ich bin die letze Erbin einer kleinen Herrschaft namens Sichelaue, das liegt in der Baronie Rubreth. Aber auser einer völlig zerstörten Burg und einem kleinen Gutshof mit umliegendem Weiler gibt es da nicht viel. Mein Vater und meine beiden Onkel sind alle in der Fehde gefallen. Ich versuche nun, mich mit dem kleinen Lehen einigermaßen über Wasser zu halten."

"Aber immerhin hast du jetzt schon ein Lehen, das ist doch schon mal was! Ich werde wohl nie ein Lehen erben. Wahrscheinlich werde ich irgendwann mal aus Gründen der Familienpolitik in ein anderes Haus verheiratet. So wie mein Bruder Ludolf, der jetzt der Baron von Erlenstamm ist."

Die junge Frau stimmte ihm zu: "Ja, da hast du wohl recht!" Sie konnte gar nicht sagen warum, aber das kleine Detail, dass sie ihr Lehen nur erhalten hatte, weil sie einer Zwangsehe mit Danos von Pfortenstein, einem Vetter von Landvogt Rondradan, zugestimmt hatte (mit der sie alles andere als glücklich war), verschwieg sie den beiden. Vielleicht weil sie sie nicht enttäuschen wollte.

Während die beiden weiter die Stube auf Vordermann brachten, räumte Ryane ihre Sachen ein. "Eberhardt, du sagtest vorhin doch, du seiest der Knappe von Baron Nimmgalf. Das verwundert mich jetzt etwas. Wieso bist du dann hier bei den Rekruten?" fragte sie.

Der Zankenblatter entgegnete: "Es ist auf Burg Trollhammer so üblich, dass die Knappen einen Teil des letzten Lehrjahres hier im Lanzenreiten ausgebildet werden. Der Baron legt großen Wert darauf, dass jeder seiner Knappen mit guten bis sehr guten Fähigkeiten an der Lanze aufwarten kann. Und hier in Samlor sind die Trainingsmöglichkeiten einfach wesentlich besser, als oben im Burghof von Trollhammer. Was mich betrifft, ich werde aller Voraussicht nach zu Beginn des nächsten Jahres auch endlich den Ritterschlag erhalten. Wahrscheinlich noch beim Kaiserturnier. Baron Nimmgalf hat schon angekündigt, dass er dieses mal wieder dabei sein wird."

"Oh, dann drücke ich dir mal fest die Daumen, dass das auch klappt." "Wer war denn dein Knappenvater, Ryane?" "Das war Pfalzgraf Albur von Mersingen in Dornensee. Ich diente ihm noch für kurze Zeit als Hausritterin, bevor ich dann mein Erbe in Rubreth antrat. Anschließend habe ich mich dann beim Reichsforster Grafenbann in Untergras gemeldet, hauptsächlich um meine kargen Einkünfte zu verbessern. Und das, ob wohl da nur Schützen ausgebildet werden, was mir nicht so liegt."

"Und wie bist Du dann hierher gekommen?"

"Ihr werdet mir das kaum glauben..." sagte sie geheimnisvoll. Die beiden sahen sie neugierig an. "Baron Nimmgalf von Hirschfurten selbst hat mich auf dem großfürstlichen Turnier von Auenwacht angesprochen. Ich hatte es mehr oder weniger versehentlich wohl geschafft, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er versprach mir meine Versetzung hierher, damit ich als schwere Schlachtreiterin ausgebildet werden könne. Er meinte, dass mein Talent dort in Untergras verschwendet sei. Und siehe da, hier bin ich nun. Es ist schon ein kleines Wunder", grinste sie.

"Ich war auch in Auenwacht", sagte da Eberhardt. Aber ich habe dich da gar nicht unter den Tjostern gesehen. "Nein, ich bin leider schon in der Vorrunde ausgeschieden. Aber dennoch muss ich bei ihm oder besser bei deiner Tante Tsaiane einen gewissen Eindruck hinterlassen haben, weil sie dem Baron dann von mir berichten konnte."

"Na, dann kannst du wohl schon recht gut tjosten?" wollte Firnwulf wissen. "Ach, das würde ich nicht behaupten. Ich hatte bislang auch immer nur die alte scheppernde Rüstung meines Onkels und einen Helm, der mir oft die Sicht nahm. Da konnte nicht viel bei rauskommen."

"Also das sollte jetzt kein Problem mehr sein. Alle Kadetten werden hier mit neuen Rüstungen ausgestattet. Und natürlich auch mit Helmen."

"Weißt du was? Wenn wir hier fertig sind, dann zeigen wir dir mal draussen die Tjostenbahn, die Roland-Figuren und die anderen Übungsmöglichkeiten hier. Ich wette, du wirst begeistert sein."

Ryane strahlte. "Ich kann es kaum erwarten!"