Geschichten:Tägliche Prüfungen - das Tagebuch

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Archivkeller des Klosters St. Theria,17.Ingerimm.1035:


Völlig gebannt starrte das junge Mädchen in das Buch.

Sie hatte die Außenwelt vergessen – und wie so oft: Die Außenwelt vergaß sie auch. Sie bemühte sich so sehr, gefällig zu sein und zu dienen und nicht dem Müßiggang anheim zu fallen, aber so viele Dinge fand sie so unglaublich langweilig, dass sie anfing zu träumen. Sie konnte nichts dafür. Und so dauerte es selten lange bis ihr Name laut von der Lehrerin gerufen wurde, alle kicherten und inzwischen wurde nur noch ein „3 Stunden, verstanden?“ erklang.

Eigentlich war es eine Strafarbeit hier unten herumzukriechen und sich darum zu kümmern, dass der Staub und die Spinnen nicht die Vorherrschaft übernahmen. Wenn sie diese denn tun würde… Tat sie aber nicht. Sie las. Mal wieder.

Denn diesmal hatte sie ein Tagebuch gefunden, in Leder eingeschlagen und schon recht ramponiert, als sie eine Maus fangen wollte. Diese Maus hatte sich in ein Loch verkrochen und dahinter waren Steine locker. Sie hatte eine Weile gebraucht herauszufinden, wie sie das kleine Geheimfach öffnen könnte. Darin war eine Kiste mit einer Kette, einem Anhänger und diesem in Leder gebunden Buch. Es war ein wertvolles Buch, schon vergilbt und die ursprüngliche Schrift ließ sich nur erahnen. Jemand hatte mit Tinte sein Tagebuch darüber geschrieben, so schien ihr. Es gab keine Datumsangaben und auch Namen fehlten – aber es fesselte sie.

„Meine Qualen nehmen kein Ende. Es verfolgt mich in meine Träume Immer wieder schrecke ich hoch und hoffe... nie gibt es Grund dafür. Und es tut mir so leid, ich will ja vernünftig und stark sein. Wirklich. Aber es klappt nicht. Nur in einigen Momenten. Oh, gute Göttin, gib mir Kraft. Bitte gib mir die Kraft die ich brauche, um den Weg zu finden, den ich gehen soll… Man sagt immer, man sei von Rahja gesegnet. Aber ich bezweifele, dass Rahja will, dass ich so leide. Es kann nicht sein, dass die Götter wollen, dass wir so leiden. Oder die Götter wollen uns wirklich prüfen, und dann versage ich grad auf ganzer Linie. Ich bin fürs Erste ins Kloster gegangen, sie gaben mir das Gästehaus. Ich hoffe, dass ich hier die Führung finde, die ich brauche.“

Bücher waren Tynas Freunde, ihr Leben. Sie tauchte gern ein in die Welten, die ihr fremde Leute eröffneten. Sei es reines Wissen oder wie hier Erfahrung - sie konnte sich völlig dafür begeistern.

Das Archiv ihr Zuhause und sie kannte eigentlich jedes Buch und jedes Staubkorn, angesammelt durch allerlei Strafstunden. Der Scriptor grinste immer schon, wenn er sie ankommen sah und er schütze sie, indem er die Arbeit tat, die sie tun sollte. Sie bemühte sich doch! Dann seufzte sie, und während die anderen ihre freien Stunden genossen, genoss sie ihre Strafarbeit.



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Texte der Hauptreihe:
17. Ing 1035 BF zur abendlichen Tsastunde
Tägliche Prüfungen - das Tagebuch


Kapitel 1

Autor: Aurora