Geschichten:Tauben und Wölfe - Gebratene Tauben
Silz, am Abend des 2. Peraine 1032 BF
Am frühen Abend des zweiten Reisetage erreichten die Uslenrieder Söldlinge das Örtchen Silz, unweit der gleichnamigen Grafenburg gelegen. Über den Tag hatte es hin und wieder geregnet, und auch für die Nacht schien es so, als ob Efferd sein Element wieder reichlich vom Himmel schütten wollte. Um die Laune der Truppe nicht zu gefährden hatte Wulf gegen ein kleines Handgeld einen Bauern davon überzeugen können, dass die Waldsteiner Wölfe dort in der Scheune ein Nachtlager bezogen; er selbst war mit Gerban, Alcara Riena und Yalinda im örtlichen Gasthof abgestiegen. Dummerweise hatte es just auf den letzen Metern noch einmal wie aus Kübeln zu regnen begonnen, so daß die Vier einigermaßen durchnäßt in der Gaststube angelangt waren. Während Gerban noch das Gepäck aufs Zimmer brachte und das Pferd versorgte, ließen sich der Baron, seine Schwester und seine Cousine bereits an einem der Tische nieder und bestellten einen Becher heißen Tees, um sich ein wenig aufzuwärmen.
So saßen sie eine Weile da und tranken ihre Becher leer, derweil sich Alcara Riena über wunde Füße und nasses Wetter beklagte, was Yalinda hingegen nur ein müdes Grinsen entlockte; auf der Wehrheimer Akademie hatte sie in den Jahren ihrer Ausbildung wahrlich anderes durchmachen müssen und war mit solchen Dingen wahrscheinlich abgehärteter als Wulf. Alcara Riena hingegen hatte ihre Jugend auf der Scholarenbank der Garether Magierakademie zugebracht und war weder langes Reisen noch schlechtes Wetter wirklich gewohnt.
Die Tür öffnete sich, und Gerban trat herein. Suchend sah er sich um, fand seinen Schwertvater nebst Begleitern in der Ecke an einem runden Tisch sitzend und gesellte sich zu ihnen. Daß er einem weiteren Gast um ein Haar die Tür vor der Nase zuschlug bekam er gar nicht mit.
Wulf nahm Gerbans Beinahe-Mißgeschick aus den Augenwinkeln zur Kenntnis und lächelte belustigt in sich hinein, bis er mit einem Mal den weiteren Gast erkannte.
Ausgerechnet der, dachte Wulf. Der Neuankömmling war Vallbart von Falkenwind, bis vor wenigen Monaten noch einer der Hausritter der Gräfin auf dem nahe Hirschfurt gelegenen Gut Grafenruh. Seit der Ermordung der Silzer Vögtin Isiane von Storchenhain war Ritter Vallbert, im übrigen ein Vetter des Barons von Falkenwind, nun als neuer Vogt für die Belange der Lande Gräflich Silz verantwortlich. Allerdings kam es Wulf überhaupt nicht zurpaß, den Vogt nunmehr hier im Gasthause anzutreffen, fürchtete er doch, daß es mit seiner unerkannten Reise schon vorbei wäre. Glücklicherweise schritt Ritter Vallbert geradewegs auf die Theke zu, wechselte einige Worte mit dem Wirt. Wulf spitzte die Ohren, bekam aber nur die Häfte mit. Offenbar war der Vogt mit dem Essen aus der Burgküche nicht so zufrieden und zog es wohl vor, zuweilen hier im Gasthaus zu speisen.
Das Lauschen des Uslenrieders wurde allerdings alsbald von der Schankmaid beendet, die an den Tisch trat und sich nach dem Wohlbefinden und weiteren Wünschen der Gäste erkundigte. Wulf, der bereits Hunger verspürte, ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und fragte nach den Empfehlungen des Hauses.
»Nun, einen kräftigen Eintopf könnt ihr haben, aber auch einen Ofenkäse mit Zwiebeln und frischem Brot. Wenn Euch natürlich der Sinn nach etwas wirklich besonderem steht, dann kann ich Euch auch gesottene Taube auftischen«, lächelte sie verschwörerisch. »Ihr müßt wissen, der Vogt« - bei diesen Worten zeigte sie hinter sich in Richtung des Falkenwinders - »hatte für heute einige der Flügelviecher bestellt, da er Besuch erwartete, der ihn aber wohl versetzt hat. Und nun schmoren die armen Täubchen in der Küche im Ofen. Wenn’s Euch danach gelüstet, könnt ihr sie haben; ist aber kein billiges Vergnügen.«
Fragend blickte Wulf in die Runde. Gerban wich augenblicklich etwas zurück, als der Blick des Barons in streifte, Alcara nickte kaum merklich, und Yalinda entgegnete nur ein gelangweiltes »Meinetwegen«.
»Nun denn, es sei«, wies Wulf die Schankmaid an, »dann wollen wir es so haben. Bringt uns die gebratenen Tauben, und dazu einen Krug Wein. Es wäre doch schade, wenn die lieblichen Vögelein im Ofen verkommen.«
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